St. Magnus. 2020 ist für Jürgen Blendermann nicht irgendein Jahr. Es ist sein Jubiläumsjahr: Vor genau 50 Jahren begann seine Karriere als Organist. Mit gerade einmal zwölf Jahren. „Ich zähle meine Tätigkeit ab meinem ersten öffentlichen Auftritt. Dass ich vorher schon gespielt habe, zähle ich nicht. Das haben andere auch“, sagt der passionierte Musiker.
Seinen ersten Auftritt hatte er in der Kapelle in Sankt Jürgen im Kreis Osterholz. „Anderthalb Meter von dieser Kirche entfernt habe ich gewohnt, da bin ich aufgewachsen“, erzählt der 61-Jährige. Der Organist, der damals in der Kapelle tätig war, sei nicht besonders gut gewesen. „Mein Vater sagte: Das kannst du besser“, berichtet Blendermann.
Doch einfach in die Kirche gehen und dort Orgel spielen konnte er nicht. Schließlich sei so eine Orgel ein Heiligtum, das nicht von jedem gespielt werden dürfe. „Mein Vater hat einen Nachschlüssel gemacht, was der Pastor damals nicht wusste. Sobald er weg war, hat mein Vater mir die Orgel aufgeschlossen und dann habe ich heimlich geübt“, erinnert er sich.
Schon damals gab es einen Mangel an Organisten. Deshalb wurde Blendermann gefragt, ob er nicht die Gottesdienste musikalisch begleiten kann. So hat er zwischen seinem zwölften und seinem 18. Geburtstag immer in anderen Kirchen im Kreis Osterholz gespielt. Die Nachfrage war so groß, dass er regelmäßig Angebote ablehnen musste. „Ich kenne im gesamten Kreis jede Kirche und jede Orgel. Es gibt keine Orgel, die ich nicht gespielt habe“, sagt Blendermann.
Bereits in den Anfangsjahren hat er dabei viel Wert auf sein Äußeres gelegt. „Ich trug damals schon einen Anzug beim Orgelspielen und fand das auch schick“, erzählt Blendermann. Speziell für seine Auftritte hatte er den Anzug allerdings nicht bekommen. Der Konfirmationsanzug musste herhalten, bis er ihm mit 16 Jahren nicht mehr passte.
Eine besondere Rolle für seine Organisten-Laufbahn spielt sein Vater. Er ermöglichte ihm nicht nur den Zutritt zu der Orgel in Sankt Jürgen, sondern richtete auch ein Musikzimmer für ihn ein. „Als man merkte, der Kerl hat Talent, kaufte mein Vater mir nach und nach mehrere Orgeln“, erzählt Blendermann. Die Instrumente sind bis heute in seinem Besitz. Bespielt werden sie aber nicht mehr. „Die haben nur noch einen Sammlerwert für mich“, sagt Blendermann.
Von Grohner Kirche beeindruckt
In den Bremer Norden kam er durch sein Studium an den Vorläufern der heutigen Hochschule für Künste in Bremen. Weil das Konservatorium damals keine Orgel zum Üben hatte, mussten die Kirchenmusikstudenten sich parallel zum Studium eine Arbeitsstelle suchen. „Das war eine Win-win-Situation. Man hatte die Orgel, an der man der Chef war und immer üben konnte. Außerdem verdiente man so noch Geld“, erzählt der Musiker.
Zu der Zeit waren in Bremen acht Stellen für Kirchenmusiker vakant. „Dann bin ich herumgefahren und habe mir die Kirchen angeguckt. Grohn gefiel mir, weil die Kirche sehr imposant ist. Die Orgel war damals nicht schlecht und so habe ich die Stelle in Grohn angenommen und bin da hängengeblieben“, erzählt Blendermann.
Mittlerweile arbeitet er im 39. Jahr für die Gemeinde. Durch eine Kooperation mit der evangelischen Kirche Sankt Magni ist er auch dort aktiv. „Als Kirchenmusiker habe ich zwei Berufe gleichzeitig: Ich bin Organist und Kantor“, sagt Blendermann. „Eine Hälfte der Woche verbringe ich als Organist, die andere als Kantor und leite Chöre.“ Viel Zeit verbringt er zudem am Schreibtisch mit dem Organisieren von Gottesdiensten oder Konzerten. „95 Prozent sind heutzutage Management“, sagt Blendermann.
Trotzdem hat er die Zeit gefunden, ein spezielles Programm für sein Jubiläumsjahr auszuarbeiten. „Ich habe mir drei Sachen überlegt“, berichtet der Organist. An jedem ersten Sonntag im Monat plant er ein Orgelkonzert in Sankt Magni. Für seine jüngsten Zuhörer bietet er Kleinkinderkonzerte an, die sich mit den Jahreszeiten beschäftigen und zum Frühlings-, Sommer-, Herbst und Winteranfang auf der Empore von Sankt Magni stattfinden. „Dann kommt die berühmte Orgelwoche, die ich jedes Jahr veranstalte. 2020 wird es so sein, dass ich alle Konzerte selber spiele“, sagt Blendermann.
Das letzte Konzert dieser Reihe spielt er am 20. September 2020 in Grohn. Mit der Orgel dort verbindet er einen der Höhepunkte seiner Organistenkarriere. „Die Orgel in Sankt Michael wurde in den 1970er-Jahren verhunzt. Die Alt-68er waren gegen alles und haben die romantische Orgel aus der Kirche geworfen. Die sollte weggeworfen werden“, erinnert sich Blendermann. Der Orgelbauer habe das aber nicht über das Herz gebracht und lagerte das Instrument in einer Scheune ein, die nicht einmal verschlossen gewesen sei. „Vor fünf, sechs Jahren ist es mir gelungen, die Orgel restaurieren zu lassen. Ich habe damals sogar Gelder aus Berlin bekommen“, erinnert er sich. „Die Bauphase und den Werdegang über sechs Monate zu begleiten, hat schon Spaß gemacht.“
Dass er sein Hobby zum Beruf macht, war ihm bereits als Jugendlicher klar. Der Kauf einer weiteren Orgel für das heimische Musikzimmer wurde zum Schlüsselerlebnis für den damals 14-Jährigen. „Ein Organist kam zu uns und stellte das Instrument vor. Er spielte ‚Präludium und Fuge‘ von Johann Sebastian Bach. Da war ich fertig. Ich habe gesagt, das will ich auch können. Und zwar so, wie der das spielt“, erzählt Blendermann. Keine drei Monate später zählte das Stück auch zu seinem Repertoire.
Heute hat der Musiker andere Ziele. „Ich will ein Buch herausgeben. Ich habe das fünfte Evangelium aus der Sicht von Josef und seinem Esel geschrieben. Das ist recht lustig“, sagt Blendermann. Derzeit sucht er einen Verlag. Wenn alles klappt, erscheint der Band im kommenden Jahr pünktlich zu seinem Organisten-Jubiläum. „Dann könnte ich bei den Konzerten immer zwei, drei Geschichten vorlesen. Das wäre schon witzig.“