„Da war klar, jetzt ist es vorbei“, erinnert sich Hans-Heiner Noack an den Morgen des 28. Januar 2014, als er an der Schlachte stand, just dort, wo in der Nacht zuvor die Hansekogge „Roland von Bremen“ gesunken war. Das Schiff, das einst auf der Werft Bremer Bootsbau Vegesack entstanden ist. Noack war zweiter Vorsitzender des Vereins „Roland von Bremen“. Vor vier Jahren hat sich der Verein aufgelöst.
Abgesoffen also und vorbei. Dabei hatte sie ein maritimes Wahrzeichen für Bremen sein sollen, die „Roland von Bremen“, ein Nachbau einer 1962 vor Bremerhaven geborgenen echten Hansekogge, die seither konserviert im Deutschen Schifffahrtsmuseum liegt. Doch die Kopie, um die Jahrtausendwende gebaut auf der Bremer Bootsbau Vegesack, versank in den Fluten – und rund fünfeinhalb Millionen Euro an öffentlichen Fördergeldern gleich mit. Nach einigem Hin und Her übernahm der Beschäftigungsträger Bras das Schiff mit dem Ziel, es herzurichten. Und seit zwei Jahren schon heißt es, in diesem Herbst werde der historische Nachbau wieder zu Wasser kommen.
Kommt die aber nicht, sondern scheint auf Endloskur zu sein auf einer Werft im Hohentorshafen. Der Verein, der seinerzeit die Kogge am Fahren gehalten hat, davon gut zwei Jahre für den Eigner Reederei Hal Över, löste sich Mitte 2015 auf. Noack betont, dass der Verein bei Auflösung schuldenfrei gewesen sei, und dass man das übrig gebliebene Geld an die DGZRS überwiesen habe.
So aber bleiben Erinnerungen und ein Rest Herzblut, aber auch davon immer weniger, denn die Koggen-Freunde werden älter. „Wir sind fast alle Ü-70.“ Neben Noack erinnern sich bei einem Treffen vor Kurzem in Vegesack noch Fritz Strudthoff (Steuermann), Harald Lührsen („Geldmann“), Heinz Hagedorn (Maschinist), Georg Schöning (Schriftführer) und Ingrid Schöning (Kombüse). Weiter mit dabei sind drei Frauen, die an Fahrten mit der Roland teilgenommen haben und dabei „in der Bordverpflegung tätig“ waren. Alle, erzählt Noack, kommen aus Bremen-Nord beziehungsweise Walle und dem Umland, aus Schwanewede, Neuenkirchen und Ritterhude.
Transport von Heringen
Das Herz der Roland-Truppe, die zum Teil schon beim Bau der Kogge auf dem Areal an der Schulkenstraße dabei war, schlägt also nicht mehr so hoch, seit die Roland von Bremen auf dem Trocknen liegt. „Da schauen wir auch nicht mehr nach dem Rechten“, sagt Steuermann Strudthoff über den jetzigen Liegeplatz der Kogge am Hohentorshafen. „Wir dürfen da ja sowieso nicht aufs Gelände der Bras. Das ist alles abgeriegelt.“ Hans-Heiner Noack pflichtet seinem Steuermann bei: „Wir bemühen uns aber auch nicht extra.“ Maschinist Hagedorn ist, was die Kogge angeht, nicht gerade optimistisch: „Wenn die überhaupt mal wieder zu Wasser kommt. Aber das steht alles in den Sternen.“
Noack indes kommt noch einmal auf den Verein zu sprechen und betont, dass dessen Mitglieder sich nicht nur ums eigene Schiff gekümmert haben: „Parallel haben einige auch an der Kieler Kogge mitgearbeitet.“ Das ist ebenfalls ein Nachbau der in der Wesermündung entdeckten Hansekogge. „Zudem haben wir versucht, Kontakt zu anderen Koggen-Vereinen aufzunehmen und die in unsere Aktivitäten mit einzubinden.“ Weiter habe man sich in Berlin für Regelungen eingesetzt, damit man weiterhin Fahrten mit Traditionsschiffen veranstalten kann. „Traditionsschifffahrt ist und bleibt ein mühsames Geschäft.“
Die Gruppe erinnert sich aber auch an die schönen Zeiten auf dem Schiff und die zahlreichen Törns mit der „Roland von Bremen“. Ziele waren unter anderem Ueckermünde, Heiligenhafen, der Nord-Ostsee-Kanal, das Hafenfest Oldenburg und die maritime Woche Bremen. Auch Lübeck und Danzig standen auf dem Fahrplan.
Mitglieder der Runde fühlen sich schlecht behandelt
Auf die Frage, ob die ehemaligen Vereinsmitglieder wieder mit dabei wären, wenn die „Roland“ irgendwann wieder zu Wasser gelassen werden sollte, winkt Noack ab. Die Mitglieder der Runde fühlen sich schlecht behandelt. Dabei hätten sie sich stark eingesetzt, Material über den Bau der Kogge gesammelt und dieses Wissen auch mit in eine Ausstellung über die Hanse eingebracht, die 2013 im damaligen Spicarium im Alten Speicher gezeigt wurde. „Wussten Sie, dass die Hansekoggen im Prinzip die ersten Containerschiffe der Welt waren?“, fragt Noack. Damals habe man nämlich genormte Tonnen für den Transport von Heringen eingeführt, die dann auch nach Vorschrift exakt gefüllt sein mussten.
Neben Fachwissen habe man aber vor allem viel ehrenamtliche Arbeit geliefert. „Und da ist auch eine Menge Vereinsgeld mit eingeflossen“ , sagt Noack. „In den fünf, sechs Jahren kommen da gut und gerne 100 000 Euro aus Gästefahrten zusammen, die wir gleich wieder für Pflege und Instandsetzung ins Schiff gesteckt haben.“ Wie viel schließlich, das habe man später dann nach dem Rückzug des Vereins 2010 gesehen: „Das Schiff wurde immer grauer, weil es offensichtlich nicht genügend gepflegt worden ist. Das zu sehen, tat auch sehr weh.“
Auch wenn es in den vergangenen Jahren um die Kogge viel Streit gegeben habe, ist sich die Runde an diesem Abend einig: „Wir haben tolle Zeiten gehabt.“ Um das zu illustrieren, macht jetzt die Geschichte die Runde, wie sich die „Roland von Bremen“ im Sommer 2004 auf die Fahrt nach Berlin machte, um dort für Bremen als Weltkulturhauptstadt zu werben. Für diese Fahrt war Dieter Stratmann von Hal Över die Federführung übertragen worden. In Brandenburg sei die Kogge von der Wasserschutzpolizei aufgebracht worden. Die sei längsseits und an Bord gekommen und habe nach Papieren und der Personentransportgenehmigung gefragt. „Nach einem Kaffee hat sich das dann aber erledigt. In Berlin gab‘s dann dasselbe in Grün.“ Aber Stratmann habe sich nicht beirren lassen.
Und in Berlin gab es dann dieses Bild auf dem Wannsee: „Hier war die Kogge. Und von hier, von dort, von überall her kamen plötzlich Boote, Boote, Boote – auf uns zu. Die Kogge war wie ein Magnet.“
Die „Roland von Bremen“
Der Nachbau der in den 60er-Jahren in einer in der Wesermündung gefundenen originalen Kogge entstand bei der Bremer Bootsbau Vegesack (BBV). Im Jahr 2000 erfolgte der Stapelhub. Beschreibung damals: Bei einer Länge von 23,98 Metern, einer Breite von 7,18 Metern und bei einem Tiefgang von 1,85 Metern verfügt die Kogge über eine Verdrängung von gut 120 Tonnen. Die Fläche des Stammsegels beträgt 90 Quadratmeter. Als Hauptantrieb dient eine MAN D2866 LXE40 mit einer Leistung von 279 Kilowatt.
Die Kogge ist für maximal 80 Personen ausgelegt. 2008, zwei Jahre nach der ersten Insolvenz der BBV, kauft die Reederei Hal Över die Kogge für, wie es heißt, 80.000 Euro. Vier Jahre später ist die BBV endgültig pleite. Im Mai 2003 schon hatte sich der Verein Roland von Bremen gegründet. Zweck des Vereins: Die Kogge zu pflegen und dafür zu sorgen, dass sie Fahrten unternimmt und nicht nur vor Anker liegt. Das blieb auch von 2008 bis 2010 so, nachdem der Verein mit Hal Över einen Überlassungsvertrag abgeschlossen hatte. Im Januar 2014 sank die Kogge wegen eines defekten Seeventils an ihrem Liegeplatz an der Schlachte. Seit Februar 2014 liegt sie zur Reparatur aufgedockt im Hohentorshafen. Der Verein Roland von Bremen löste sich Mitte 2015 auf.