Herr Rapp, der Countdown auf der Veranstaltungsseite im Internet läuft: Zwei Tage und sechs Stunden noch. Wie aufgeregt oder gelassen ist der Chef-Organisator des Festival Maritim?
Fritz Rapp: Dank meiner Routine, die ich inzwischen habe, und meines versierten Teams, das mich bei meiner Arbeit unterstützt, kann ich dem Festival gelassen entgegensehen.
Haben denn Programmmacher gar kein Lampenfieber?
Doch, auch die bekommen manchmal Lampenfieber. Vor allem vor Auftritten von Bands, die nur sie vorher gehört haben – und bei denen sie deshalb nicht wissen, wie das Publikum reagiert.
Und was machen Sie gegen die Aufregung?
Arbeiten. Ich fange dann an, alles noch einmal mit den Kollegen durchzusprechen, zu prüfen, zu klären – so lange, bis sich die Nervosität wieder legt.
Auf Ihrer Visitenkarte steht beides: Tourismusmanager und Festivalplaner – wie viel Zeit bleibt Ihnen eigentlich für den ersten Job, wenn es im zweiten doch ums größte Sea-Music-Festival Norddeutschlands geht?
Je dichter der Termin für das Festival heranrückt, desto mehr Zeit nimmt die Planung in Anspruch – und umso weniger kann ich mich entsprechend um touristische Projekte kümmern. Natürlich steht das Festival so kurz vor seinem Beginn im Fokus. Aber schon bald danach geht es mit touristischen Vorhaben weiter, das wäre sonst gar nicht zu schaffen.
Auf wie viele Planungsstunden kommen Sie kurz vorm Festival?
Ab Januar sind es 30 bis 40 in der Woche, in der heißen Phase schaue ich nicht mehr auf die Uhr. Dann fange ich morgens an und höre nachts auf.
100.000 Besucher an drei Tagen. Wann fängt man denn im Jahr an, um eine Veranstaltung von dieser Größe vorzubereiten?
Gleich nachdem das Festival vorbei ist, wird für die nächste Auflage geplant. Manche Gespräche werden sogar schon geführt, während die Veranstaltung noch läuft.
Und worum geht es dann?
Dann geht es zum Beispiel darum, Bands und Chöre zu fragen, ob sie auch das nächste Mal dabei sein wollen.
In den beiden Vorjahren konnten Sie aber keine Gespräche vor Ort führen, weil das Festival wegen Corona pausieren musste. Wie schwierig war es, diesmal auf 30 Folkbands, Celticgruppen und Shantychöre zu kommen?
Eigentlich war das gar nicht so schwierig. Ich habe mich an die Liste der Bands und Chöre aus dem Jahr 2020 gehalten, die ich vor der Corona-Absage erstellt hatte. Außerdem kennen wir inzwischen viele Gruppen – und viele Gruppen kennen uns. Das macht Arrangements einfacher.
Es gibt Programmmacher, die sagen, dass es schwerer geworden ist, überhaupt noch Interpreten zu bekommen, weil jetzt alle Veranstalter nachholen wollen, was in den beiden vergangen Corona-Jahren nicht ging...
Das mag sein. Aber auf das Festival Maritim trifft das nicht zu. Bereits Anfang des Jahres hatten wir einen Großteil der Interpreten zusammen, die in diesem Sommer auftreten werden. Die Schwierigkeiten, die wir manchmal haben, sind andere.
Und welche sind das?
Es kommt vor, dass Gruppen in der Zwischenzeit bekannter geworden sind und deshalb in anderen Liga spielen, auch finanziell.
Wie oft passiert so etwas?
Nicht oft. Man kann von Ausnahmen sprechen.
Und was machen Sie, um das Kontingent nach solchen Ausnahmen wieder voll zu bekommen: mehr werben als andere, mehr zahlen – oder beides?
Das brauchen wir alles nicht. Das Festival ist ja nicht nur dem Namen nach international. Und weil wir weltweit nach Interpreten schauen, können wir sozusagen aus dem Vollen schöpfen, um gute Bands und Chöre für unsere Veranstaltung zu gewinnen.
Auch Gruppen aus Großbritannien sind dabei. Hat der Brexit es erschwert, sie unter Vertrag zu bekommen?
Ich hatte anfangs befürchtet, dass es Schwierigkeiten geben könnte. Es gab aber keine. Alle britischen Bands, die ich angefragt habe, kommen auch.
Das Festival Maritim gibt es seit 1999 – macht, abzüglich der beiden Corona-Jahre, 21 Auflagen. Wie viele davon haben Sie geplant?
Alle, aber nicht alle hauptverantwortlich, sondern in der Regel mitverantwortlich. Dass ich eine Art von Projektleiter fürs Sea-Music-Festival wurde, kam später.
Was macht denn Sea-Music für Sie aus?
Diese Musik ist emotional. Sie berührt einen sofort. Ich bekomme Gänsehaut, wenn die Gruppe gut ist.
Auf manchen Fotos sind Sie zwischen Kartons voller CDs mit Probeaufnahmen zu sehen. Wie viele bekommen Sie denn jährlich zugeschickt?
Die CDs werden immer weniger. Jetzt werden Probeaufnahmen als Ton-Dateien vor allem per E-Mail verschickt.
Und auf wie viele kommen Sie nun im Jahr?
100 Bewerbungen im Jahr sind Minimum.
Manche Programmmacher sagen, dass die Besucher nach zwei Corona-Pausejahren mehr erwarten als sonst. Sie auch?
Ich sage, dass die Erwartungen nicht größer geworden sind, sondern dass sie sich verändert haben. Das merken wir in vielen Gesprächen.
Und was wird in diesem Jahr beim Festival anders sein, um diesen Anspruch zu erfüllen?
Wir mussten nicht viel verändern, weil es den Leuten in erster Linie darum geht, endlich wieder das machen zu können, was sie lange nicht konnten: feiern und ausgelassen sein.
Und wie steht es mit Ihren eigenen Erwartungen. Auch die müssten größer sein als sonst. Es heißt, dass dieses Festival das letzte ist, das von Ihnen organisiert wird...
Meine Erwartungen sind, dass die Stimmung so gut wird wie in den vergangenen Jahren. Und zwar nicht nur bei den Besuchern, sondern auch bei den Bands, Gruppen und Chören.
Und warum wollen Sie aufhören, wenn es denn so gut läuft?
Irgendwann muss man aufhören. Und ich denke, dass der Zeitpunkt gekommen ist, jemand anderem vom Vegesack Marketing die Planung zu überlassen.
Und wem?
Das Projektmanagement des Festivals wird Lars Ehlers übernehmen, der seit einigen Monaten zum Team gehört.
Mag der denn Sea-Music genauso sehr wie Sie?
Das werden wir ab Freitagabend sehen, wenn wir zusammen auf dem Festival sind.