Luther mischte nicht nur die Kirche auf: Als er vor mehr als 500 Jahren Missstände der Kirche aufdeckte, führte dies zur Spaltung der Glaubensgemeinschaft – aber auch des gesamten Landes in katholische und protestantische Gebiete. Die evangelische Kirche ihrerseits spaltete sich im Laufe der Zeit in mehrere Konfessionen auf, wobei reformierte und lutherische Gemeinden entstanden.
Beide bestehen in Bremen-Nord noch nebeneinander, doch im Januar 2024 sollen die vier evangelischen Kirchengemeinden in Aumund fusionieren. Alt-Aumund, Aumund reformiert, Christophorus und Vegesack werden dann unter dem Namen „Evangelische Kirchengemeinde Aumund-Vegesack“ geführt. Auch wenn weiterhin für die Lutheraner und die Reformierten Gottesdienste angeboten werden, war die geplante Fusion für die evangelisch-reformierte Kirchengemeinde Anlass, nach der Bedeutung der unterschiedlichen Traditionen heute zu fragen. Dazu hatte die Kirchengemeinde den Generalsekretär des Reformierten Bundes Deutschland, Hannes Brüggemann-Hämmerling, in das Haus der evangelisch-reformierten Gemeinde in der Pezelstraße eingeladen.
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Denn die Unterschiede zwischen Lutheranern und Reformierten, die im Wesentlichen auf das Wirken Ulrich Zwinglis und Johannes Calvins zurückging, sind bis heute nicht unerheblich. So stellt zum Beispiel die reformierte Konfession in der Liturgie das gesprochene Wort und damit die Predigt in den Mittelpunkt. Es gibt keine liturgischen Gesänge oder Wechselgesänge, während die lutherische Konfession in diesen Punkten näher an der katholischen Praxis steht und im Gottesdienst geistliche Lieder sowie liturgische Gesänge vorsieht.
„Die Frage, was unterschiedliche Konfessionen heute noch bringen, taucht besonders in Krisenzeiten auf“, sagt Hannes Brüggemann-Hämmerling, und zunehmend würden sogar die Unterschiede zwischen evangelisch und katholisch verwischen. „Doch insgesamt ist die reformierte Kirche unglaublich bunt“, sagt er, was jeweils durch Ort, Kontext und Geschichte bedingt sei.
Er bat die Teilnehmer, auf Kärtchen zu notieren, was sie für typisch reformiert und für wichtig halten, um anschließend die verschiedenen Punkte zu diskutieren.
Die schlichte Liturgie und die Konzentration auf die Predigt innerhalb der reformierten Kirche wurden von einigen der Teilnehmer für besonders wichtig gehalten. Doch welche Rolle im Gottesdienst die Musik spielt, wurde kontrovers diskutiert: Soll sie nur Beiwerk sein oder Ausdruck der Frömmigkeit? Während Ulrich Zwingli (1484 bis 1531) die Musik als nur ablenkend verbannen wollte, hielt sie zum Beispiel der Theologe Friedrich Schleiermacher (1768 bis 1834) für wesentlich, da sie „Geschmack für das Unendliche“ biete, so Brüggemann-Hämmerling.
Diskutiert wurde auch, ob das Alte und das Neue Testament im Gottesdienst als gleichwertig zu behandeln seien. Denn bei den Lutheranern werde das Alte gegenüber dem Neuen Testament deutlich abgewertet – eine Auffassung, die von einigen Reformierten durchaus anders gesehen wird.
„In Bremen spielt die Selbstbestimmung der Gemeinden eine große Rolle“, stellte der aus Hannover angereiste Hannes Brüggemann-Hämmerling fest. Entsprechend war es einigen Teilnehmern wichtig, dass für die reformierte Kirche das antihierarchische Prinzip ohne Obrigkeit unbedingt beibehalten werden sollte. Dazu gehöre auch, den Pastor durch die Gemeinde wählen zu lassen.
Politisches Engagement ist wichtig
Besonders wichtig war mehreren Teilnehmern, dass sich die Kirche für Andere und damit auch politisch-gesellschaftlich engagiere. „Dazu gehört sowohl das unmittelbare Umfeld – wie zum Beispiel das Angebot eines Mittagstisches für Obdachlose – wie auch die Gründung von Partnergemeinden, zum Beispiel in Afrika“, hob ein Teilnehmer hervor.
Hannes Brüggemann-Hämmerling erinnerte daran, dass es besonders zum Thema Waffenlieferungen für die Ukraine in kirchlichen Diskussionen hoch her gegangen sei. Sein Appell lautete: „Die Kirche sollte dazu keine Schwarz-Weiß-Antworten liefern, sondern darauf dringen, dass man miteinander im Gespräch bleibt.“