Aus vier Vegesacker Gemeinden wird eine: Die Evangelisch-Reformierte Kirchengemeinde Aumund, die Evangelisch-Lutherische Christophorusgemeinde, die Vereinigte Evangelisch-Protestantische Kirchengemeinde Vegesack sowie die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Alt-Aumund werden am 1. Januar kommenden Jahres zur Evangelischen Kirchengemeinde Aumund-Vegesack. Zur Fusion gehört aber auch, dass die Gemeinde gut die Hälfte ihrer Immobilien verkaufen muss. Denn immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus. Damit sinkt der Platzbedarf und steigt der Sparzwang.
Zunächst mussten die Vegesacker Kirchenvorstände beziehungsweise Kirchenräte sowie die Gemeindeversammlungen und Konvente über den Zusammenschluss entscheiden, sagt Jennifer Kauther. "Wir haben unsere Fusion nun formell beschlossen", so die Pastorin der Evangelisch-Lutherischen Christophorus-Gemeinde. Damit ist der Zusammenschluss allerdings noch nicht besiegelt. Sowohl der Kirchenausschuss als auch das Bremer Kirchenparlament müssen dem Plan noch zustimmen. "Das Kirchenparlament, das wir Kirchentag nennen, tagt dieses Mal im Gustav-Heinemann-Bürgerhaus in Vegesack", so die Geistliche. Terminiert sei die Zusammenkunft für den 29. November.
Die Fusion bringt nicht nur eine neue Gemeindeordnung mit sich, sondern bedeutet auch, dass die Kirche sich von Gebäuden trennen muss. "Im Gegensatz zur katholischen Kirche, wo solche Entscheidungen von oben getroffen werden, hatten wir als Betroffene vor Ort die Aufgabe, zu entscheiden, welche Gebäude wir abgeben", sagt sie. "Das war eine ganz schöne Herausforderung, denn die Menschen hängen an den Kirchen und Gebäuden. Sie verbinden damit Lebensgeschichten: 'Hier wurde mein Opa schon getauft und konfirmiert, wir haben hier geheiratet und ich will hier beerdigt werden.'"
Nicht nur deshalb ist den Verantwortlichen die Entscheidung schwergefallen. Mehr als fünf Jahre haben sie sich Gedanken darüber gemacht, welche Häuser sie behalten und welche nicht. Dabei spielten unter anderem Entfernungen eine Rolle. So liegen die Christophorus-Gemeinde und die Gemeinde Aumund Reformiert sowie die Alt-Aumunder und die Vegesacker Kirche nah beieinander. "Uns war relativ schnell klar, dass an beiden Standorten auch weiterhin etwas stattfinden muss", so Kauther. Ansonsten seien die Wege für die Gemeindemitglieder zu weit. Schließlich reiche das Gebiet, für das die vier Gemeinden zuständig sind, von Beckedorf bis zur Weser und vom Klinikum bis zur Aue.
Darüber hinaus wurden auch Gebäudegrößen sowie energetische Belange mitgedacht. "Letztlich haben wir uns dazu entschieden, dass Gemeindezentrum an der Menkestraße aufzugeben", sagt Ulrike Bänsch, Pastorin der Evangelisch-Reformierten Kirchengemeinde Aumund. "Das Zentrum ist sehr schön, aber relativ groß. Der Kirchraum, wunderschön, aber schwerer als die Alternative in der Pezelstraße zu beheizen." Eine Ausnahme bildet die Kapelle, die als Urkeimzelle der Gemeinde gilt, ergänzt Jennifer Kauther. Sie bleibt in Besitz der Kirche. "Das Gemeindehaus, das sich direkt an der Alt-Aumunder Kirche befindet, werden wir ebenfalls aufgeben", sagt Jan Lammert, Pastor der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Alt-Aumund. Gleiches gilt für das Gemeindezentrum an der Apoldaer Straße, das die Kirche bereits vor einiger Zeit vermietet hat. Nun soll das Haus verkauft werden. Einen Interessenten hierfür gebe es bereits.
Dass die Kirche das Gemeindezentrum aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben muss, schmerzt den Pastor besonders. "Mit dem Verkauf des Gebäudes an der Apoldaer Straße ist ein ganzer ehemaliger Gemeindebezirk regelrecht abgehängt", so Lammert. "Das betrifft vor allem ältere Leute, die einen Weg von zwei Kilometern zum Standort Alt-Aumund nur schwerlich zurücklegen können." Das würde bedeuten, dass sie Gottesdienste oder sonstige Veranstaltungen praktisch nicht mehr besuchen können. Deshalb macht sich der Geistliche Gedanken, wie er die Angebote zu den Menschen ins Quartier bringen kann. Er spricht in diesem Zusammenhang von einer "kommenden Kirche". Wie die ausgestaltet werden kann, steht aber noch nicht fest.
Unabhängig von solchen Ideen braucht die Gemeinde nach wie vor auch feste Räumlichkeiten. Deshalb soll ein neues Gebäude an der Nordseite der Kirche Alt-Aumund entstehen. Das wird nicht nur wesentlich kleiner, sondern auch deutlich energieeffizienter als das alte sein.
Neben einem Neubau planen die Pastoren auch einen Umbau. Das betrifft den Standort an der Pezelstraße, der künftig von deutlich mehr Menschen genutzt werden wird. Den das Gros der Gemeindegruppen soll trotz der räumlichen Verkleinerung bestehen bleiben. "Das Zentrum an der Pezelstraße soll für uns alle ein neues Zuhause werden", sagt Kauther. Damit sich alle Gemeindemitglieder mit dem Standort identifizieren können, gibt es Überlegungen, verschiedene Gegenstände wie etwa die Chrisophorus-Statue an den neuen Standort mitzunehmen.
Mittelfristig wird sich die fusionierte Gemeinde auch personell verkleinern müssen. "Wenn der nächste Pastor in den Ruhestand geht, wird die Stelle nicht wiederbesetzt", sagt Ulrike Bänsch. "Wir müssen einfach sparen."
Auch wenn die Fusion für den 1. Januar 2024 vorgesehen ist, wird es noch einige Zeit dauern, bis die Gebäude verkauft werden. "Wir werden das aber rechtzeitig kommunizieren", sagt Jennifer Kauther. "Dann weiß jeder, wann zum Beispiel in der Menkestraße das letzte Weihnachts- oder Osterfest gefeiert wird." So habe jeder die Möglichkeit, sich von dem Standort zu verabschieden.