Vor zwei Tagen hat in der finanziell angeschlagenen Jacobs University das neue akademische Jahr begonnen – ohne Investor. Bis Ende des Monats jedoch muss nach dem Rückzug der Jacobs Stiftung laut einer Senatsentscheidung ein neuer Geldgeber gefunden sein. Der bekommt die Mehrheitsanteile der gGmbH zu einem Nominalwert von 22.000 Euro. Dass Bremen es noch auf den letzten Drücker schafft, der Privathochschule einen neuen Partner zur Seite zu stellen, davon gibt sich Staatsrat Tim Cordßen-Ryglewski überzeugt: „Wir sind noch im Prozess, aber sehr weit fortgeschritten. Wir können noch nichts verkünden, sind aber auf der Zielgeraden.“
Die ursprüngliche Deadline für die Suche nach einem Mehrheitsgesellschafter war bereits im Juni abgelaufen. Der Senat beschloss daraufhin, dass der Verein zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in der Hansestadt die Mehrheitsanteile an der Jacobs University gGmbH für bis zu drei weitere Monate halten solle. „Der Verkauf der Mehrheitsanteile an der Jacobs University gGmbH an einen neuen Investor soll auf Grundlage dieses Beschlusses bis spätestens Ende September 2021 erfolgen“, berichtet Heiko Lammers, Sprecher der Jacobs University. Er gibt sich zuversichtlich, die Wissenschaftsbehörde habe in bisherigen Investorengesprächen einen Beleg für das zukünftige Potenzial von Lehre und Forschung an der privat geführten Universität gesehen. „Positiv bewertet die senatorische Behörde zudem die Tatsache, dass alle Interessierten, mit denen in der vorangegangenen Phase intensive Gespräche geführt wurden, ein verbindliches Angebot im Sinne einer eigenständigen, eigenfinanzierten Fortsetzung des universitären Betriebs der Jacobs University eingereicht haben“, so Lammers.
Carsten Sieling, der für die SPD-Fraktion als Gastmitglied im Board of Governors der Jacobs University sitzt, war überrascht, wie viele Interessenten es gab. "Am Ausgangspunkt war es eine zweistellige Zahl." Er sei sich sicher, dass es gelinge, "die für Bremen-Nord wichtige Einrichtung" zu erhalten. Derzeit seien drei Bewerber in der Endauswahl. Der neue Mehrheitsanteilseigner hat die Möglichkeit, die Uni für 22.000 Euro zu erwerben. Das ist der Nominalwert des Anteils, den der Verein zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in der Hansestadt von der Jacobs Foundation übernommen hat. "Wir werden die Anteile zu diesem Nominalwert weiterverkaufen", bestätigt Tim Cordßen-Ryglewski, Staatsrat im Wissenschaftsressort und Aufsichtsratsvorsitzender der Uni. Er betont allerdings, dass der Investor Millionenbeträge benötigen wird, um den Unibetrieb langfristig zu sichern.
Im Haus der Senatorin für Wissenschaft und Häfen an der Katharinenstraße hält man sich auch kurz vor dem angekündigten Vertragsabschluss bedeckt, was Investorennamen angeht. Zu groß ist die Angst potenzielle Retter zu verschrecken. „Nach dem PR-Desaster des Senats hinsichtlich der Einrichtung des KI-Campus auf dem Gelände des JUB ist es auch verständlich, warum er mit den Informationen über mögliche Investoren so vorsichtig umgeht“, meint die Nordbremer CDU-Abgeordnete Bettina Hornhues.
Noch im Herbst 2020 hatte es zunächst so ausgesehen, als wollte ein Konsortium aus dem deutschen Software-Riesen SAP, dem Deutschen Forschungszentrum für künstliche Intelligenz und dem chinesischen Unternehmen Neusoft ein Ausbildungs- und Forschungszentrum für künstliche Intelligenz (KI) auf dem Grohner Campus einrichten. Doch der Plan zerschlug sich. Tim Cordßen-Ryglewski dazu: „Der Strang, den wir verfolgt haben, hat sich nicht realisieren lassen, da sich kurz vor der Unterschrift Probleme aufgetan haben.“
In den vergangenen Monaten ging es laut Cordßen-Ryglewski auch immer um die Frage nach der Eigenständigkeit der Uni. Weil es in den vergangenen 20 Jahren nicht gelungen sei, die Uni ohne öffentliche Mittel zu führen, habe es Vorbehalte gegeben. „Eine private Uni muss sich auch als private Uni selbst finanzieren können. Da spielen die Grundstücke eine wichtige Rolle.“ Der Wert der Bauten und Immobilien wird im jüngsten Geschäftsbericht der Uni mit rund 80 Millionen angegeben. Die Liegenschaften will die Stadt nun mittels Erbbaurecht vergeben. Außerdem soll der Nutzungszweck des Areals festgelegt werden: Die neuen Partner müssen sich verpflichten, in den Gebäuden eine Uni zu betreiben.
Die Abgeordneten haben indes auch wenige Wochen vor Ablauf der neuen Deadline keinen Schimmer, wer in Kürze auf dem Campus das Sagen haben wird. „Das Wissenschaftsressort hat uns Abgeordneten bisher keine neuen Entwicklungen hinsichtlich der JUB mitgeteilt. Ich gehe davon aus, dass dies in nächster Zeit geschieht, da die abschließende Investorensuche ja bis zum 30. September erfolgen soll“, so Solveig Eschen, Sprecherin für Wissenschaftspolitik bei den Grünen. Entscheidend sei, dass in Frage kommende Investoren die Freiheit der Wissenschaft, Forschung und Lehre achten und eine nachhaltig stabile Grundfinanzierung ermöglichen. Eschen: „Nach jahrzehntelangen Sanierungsbemühungen wird nun eine langfristige Lösung benötigt, um die langen Zeithorizonte von Bildungs- und Forschungsinstitutionen auch glaubwürdig finanzieren zu können.“
Für die Christdemokraten ist es von höchster Priorität, dass der Standort eine Zukunftsperspektive hat und die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Das sagt die stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende und Nordbremerin Bettina Hornhues: „Unsere präferierte Lösung wäre die Einbeziehung der JUB in eine potenzielle internationale Klima-Universität in Bremen und Bremerhaven sowie der Region. Ob unsere Vision für den Standort mit den Plänen von neuen Mehrheitsgesellschaftern übereinstimmt, ist noch ungewiss.“
Klaus-Rainer Rupp, Abgeordneter der Linkspartei, bewertet es positiv, dass Bremen die Grundstücke nicht veräußern, sondern nach Erbbaurecht an den Mehrheitseigner vergeben will. Wenngleich er kritisiert, dass in dem Prozess der Vergabe die Möglichkeit einer öffentlichen Nutzung nicht hinreichend geprüft worden sei. Doch jetzt sagt Rupp klar: „Die Zeit drängt jetzt. Wenn die Verträge bis zum 30. September unter Dach und Fach sein sollen, müssen die notwendigen formalen Schritte eingeleitet werden.“