Die Jacobs University in Bremen-Nord wirbt auch für das kommende Studienjahr 2021/22 um neue Studenten, obwohl völlig unklar ist, ob es die Privathochschule in der bisherigen Form in naher Zukunft noch geben wird. Die Uni-Leitung tut dies mit dem ausdrücklichen Einverständnis der Wissenschaftsbehörde, wie deren Staatsrat Tim Cordßen betont. Seit Kurzem ist Bremen über einen zwischengeschalteten Verein indirekt Mehrheitseigentümer der akademischen Einrichtung.
Im November vergangenen Jahres hatte es bereits so ausgesehen, als stünde die Jacobs-Uni unmittelbar vor einem Totalumbau. Ein Konsortium aus dem deutschen Software-Riesen SAP, dem Deutschen Forschungszentrum für künstliche Intelligenz und dem chinesischen Unternehmen Neusoft war im Begriff, den Grohner Campus zu übernehmen und dort ein Ausbildungs- und Forschungszentrum für künstliche Intelligenz (KI) zu etablieren.
Intervention aus Berlin?
Das Projekt kam vorerst nicht zustande. Zum einen, weil der Entscheidungsprozess in der SAP-Geschäftsführung offenbar noch nicht abgeschlossen war, als das Vorhaben publik wurde. Zum anderen ist aus Senatskreisen inoffiziell zu hören, dass es gegen die beabsichtigte Beteiligung eines chinesischen Partners an der KI-Forschungsstätte eine Intervention aus Berlin gab. Eine Bestätigung hierfür konnte der WESER-KURIER weder vom Senat noch von den Bundesministerien erhalten, die für einen solchen Schritt infrage kommen. „Etwaige Investitionsprüfverfahren kommentieren wir grundsätzlich nicht“, hieß es aus dem Bundeswirtschaftsministerium.
Derweil sondiert Staatsrat Cordßen weiter mit den bisherigen und weiteren Interessenten, welche Modelle eines Einstiegs privater Investoren auf dem Grohner Campus möglich und sinnvoll wären. Dass die Jacobs-Uni auch für 2021/22 ihr komplettes bisheriges Studienprogramm für Bachelor- und Masterstudenten aktiv bewirbt, stellt aus seiner Sicht kein Hindernis dar. „Die Jacobs University macht es genau richtig“, so Cordßen. Sie zeige, dass sie ein „attraktiver Ort“ für Studenten sei. Jeder künftige Investor werde bei diesem Status quo ansetzen müssen.
Linken-Fraktionsvizer Klaus-Rainer Rupp hat da eine etwas andere Einschätzung. Aus seiner Sicht war die Abschlusszahlung von 63 Millionen Schweizer Franken, die die Jacobs Foundation im vergangenen Jahr bei ihrem Ausstieg aus der Uni leistete, gerade ausreichend bemessen, dass der Studienbetrieb so lange weiterlaufen kann, bis die letzten bereits eingeschriebenen Studenten ihren Abschluss erreicht haben. Wenn die Uni-Leitung nun weiterhin ihre Studiengänge bewirbt, sei das zumindest „optimistisch“. Nach Rupps Ansicht sollte schon jetzt über Alternativen nachgedacht werden, falls die Bemühungen um neue private Träger der Jacobs University bis zum Sommer keine Früchte tragen.
Unterdessen prüft das Wissenschaftsressort den Kauf des Campus-Geländes und angrenzender Liegenschaften, die ebenfalls der Uni gehören. Die Grundstücke könnten dann an mögliche Investoren per Erbbaurecht weitergereicht werden. Dafür müsste der Senat zunächst einen höheren zweistelligen Millionenbetrag aufbringen. Geplant ist dem Vernehmen nach, dass die Investoren den Erbbauzins für die gesamte Vertragslaufzeit auf einen Schlag bezahlen, sodass für den Bremer Haushalt keine Belastung entstünde.
Jacobs University
Die Jacobs University Bremen ist als gemeinnützige GmbH privatwirtschaftlich organisiert. 1999 gegründet, nahm sie 2001 den Lehrbetrieb auf einem früheren Kasernengelände im Vegesacker Ortsteil Grohn auf. 2006 stieg die Jacobs Foundation mit einer 200-Millionen-Euro-Spende ein und übernahm jene zwei Drittel der Geschäftsanteile, die sie Ende 2020 wieder abgab. Aktuell studieren auf dem Campus gut 1500 junge Leute aus aller Welt.