Die Verkehrssituation war es, die den Besuchern am meisten Kopfzerbrechen bereitete. Denn in dem neuen Wohnquartier Hartmannstift soll es eine Kita mit drei bis vier Gruppen, bis zu 70 Kindern geben. „Die, so lehrt uns die Erfahrung, von ihren Eltern mit dem Auto gebracht und wieder abgeholt werden“, lauteten die Bedenken. Auch der jetzt schon knappe Parkraum in der Gerhard-Rohlfs-, Albrecht-Roth- und in der Schulkenstraße beschäftigte die Anwohner.
„Das Verkehrsgutachten ist nicht aussagefähig“, so der ehemalige Ortsamtsleiter Reiner Kammeyer. „Vor allen Dingen in der Albrecht-Roth-Straße herrscht in der Woche ein riesiger Parkdruck“, schilderte er die Probleme in der Einbahnstraße. Eine Tagespflege (barrierefrei mit zwölf bis 16 Plätzen ist geplant, „mit vermehrten An- und Abfahrten mit Taxis“) sowie die geplante Tiefgarage mit 36 Stellplätzen für Anwohner stießen ebenfalls nicht auf Gegenliebe. Bei der frühzeitigen Bürgerbeteiligung zum Bebauungsplan Hartmannstift im Kulturbahnhof wurden einige Bedenken laut, denen die Planer so nicht folgen wollten.
Weg vom Blech
„Verkehrsplaner und wir sind keine Laien, wir wissen, was wir tun. Seien Sie nicht zu kritisch, geben Sie uns und dem Projekt eine Chance“, warb am Ende der Diskussion Thorsten Nagel von der Ingenieursgesellschaft Procon für ein Bauprojekt, das die Vegesacker schon seit fast genau zehn Jahren beschäftigt. Im November vergangenen Jahres machten die Investoren öffentlich, was auf dem Gelände geplant ist. „Es soll ein möglichst autofreies, aber zentrumsnahes Wohnquartier entstehen“, so Lars Lemke, BPW-Stadtplanung.
Zwar gebe es 26 Stellplätze für Autos und eine Zufahrt über die Gerhard-Rohlfs-Straße. „Aber in den Planungen ist beherzigt, was auch der Senat wünscht“, machte Lemke deutlich. Vorhandene Gelände nutzen, um möglichst zentrumsnah Wohnraum zu schaffen – und dabei gelte die Devise: „Weg vom Blech“. So sehen die Planer im neu zu schaffenden Wohnquartier Hartmannstift viele Möglichkeiten für Fußgänger und Radfahrer, und planen gleich noch 90 Fahrrad-Stellplätze mit ein.
Es sind zwei Firmen, die den Zuschlag für das Grundstück Ecke Gerhard-Rohlfs- und Schulkenstraße bekommen haben: die ELB Grundstücksverwaltung und die Ingenieursgesellschaft Procon. Die Gewoba soll den geförderten Wohnraum übernehmen. Entstehen sollen demnach 24 Wohneinheiten im geförderten Wohnungsbau – Zwei- bis Dreizimmer-Wohnungen zwischen 60 und 70 Quadratmetern Wohnfläche, vier Wohneinheiten auf einer Etage in den durchweg dreigeschossigen Neubauten, für Ein- bis Zwei-Personen-Haushalte sowie Alleinerziehende. Aber auch neun größere Wohnungen für Familien sind geplant.
„Circa 10,80 Meter hoch, nicht höher als das derzeitige Schwesternwohnheim-Gebäude“, sollen die Neubauten laut Charlotte Herbst werden. 40 Wohneinheiten in den frei finanzierten Wohnungen sind ebenfalls geplant. „Wo und wann kann man die kaufen?“, fragte Besucher Heiko Jacobi in die Runde. „Mieten geht – kaufen nicht“, antwortete Stephan M. Friedrich (ELB).
Charlotte Herbst und Lars Lemke von der BPW Stadtplanung präsentierten aktuelle Details. Demnach soll das Kerngebäude des Hartmannstifts aus dem Jahr 1887 sichtbar werden. Der historische Backsteinbau – derzeit verdeckt durch Anbauten – werde wieder so, wie er einmal war, vorhandene Anbauten würden abgerissen. Zwei Neubauten sollen später den Altbau flankieren. Am Ende sollen sechs Gebäude auf dem Gelände entstehen, die alle mit roten Backsteinfronten versehen jeweils einen Blick ins Grüne garantierten. Denn zwischen den Gebäuden gibt es „grüne Puffer“.
Beschädigte und eine Gefahr darstellende Bäume werden entfernt, möglichst viel „gutes Baummaterial“ soll erhalten bleiben. Spiel- und Bewegungsplätze für Anwohner und Öffentlichkeit sollen Aufenthaltsqualität bieten. Für Spaziergänger soll es die Gelegenheit geben, von der Gerhard-Rohlfs-Straße bis zur Albrecht-Roth-Straße durch das neu entstandene Hartmannstift-Quartier zu flanieren – mit Anschluss an das neu geplante Projekt Weserstraße. Und: „Wir werden am Ende nicht mehr neu versiegelt haben, als jetzt schon versiegelte Fläche auf dem Gelände vorhanden ist“, gab Thorsten Nagel auf entsprechende Bedenken an. Dazu führte Charlotte Herbst weiter aus: „Mit der Versiegelung ist uns auch eine gute Altlastenregelung möglich.“
Im November vergangenen Jahres hieß es im Beirat Vegesack, das Projekt werde mit 20 Millionen Euro veranschlagt. Nochmals auf den Baubeginn angesprochen gab Thorsten Nagel an, dass vorbehaltlich einer Baugenehmigung im zweiten Halbjahr 2021 begonnen werden könne. „Erst einmal mit Abriss der Altgebäude an der Gerhard-Rohlfs-Straße“, so Nagel. Das sei die für Anwohner wohl schlimmste Phase, weil dann Staub- und Lärmbelästigung zu erwarten seien. „Danach bemühen wir uns, die Baufortschritte so zu organisieren, dass die Anwohner möglichst wenig belästigt werden. Der Bauverkehr soll im wesentlichen über die Gerhard-Rohlfs-Straße laufen“, so Nagel. Mit der Fällung entsprechender Bäume könne sowieso erst im Herbst kommenden Jahres begonnen werden. Laufe alles wie geplant, sieht Nagel die Fertigstellung des Quartiers Ende 2023.