Die Kirche St. Michael in Grohn war voll besetzt. Die Junge Kantorei Bremen hat unter Leitung von Kantor Jürgen Blendermann ihr mitreißendes Konzert mit den Best-ofs der letzten 30 Jahre beendet. Beim tosenden Schlussbeifall präsentieren sich unerwartet sechs Chorsänger in bedruckten T-Shirts, deren einzelne Worte einen Satz ergeben: "Jürgen – is – leaving - please – don't – go". Was für eine liebevolle und wertschätzende Geste des Chores bei diesem, seinem letzten von Blendermann geleiteten Konzert.
In einem kurzweiligen Interview ein paar Tage später erzählt Blendermann, er sei In St.Jürgen, gleich nebenan der alten, auf ehemals heidnischem Kulthügel errichteten „echten“ romanischen Kirche aufgewachsen und habe dort bereits als Zwölfjähriger als Organist fungiert. Als junger Absolvent von Konservatorium und Musikhochschule habe er am 1. Juli 1980 seinen kirchenmusikalischen Dienst in Grohn angetreten. Von der wunderschönen Kirche war er sofort fasziniert, hat prompt eine Menge Kulturgeschichtliches über den 1908 im Historismus-Stil entstandenen Bau zu berichten. Auch, dass man einst die klangvolle romantische Orgel kurzerhand entsorgt und durch ein eher unansehnliches Instrument ersetzt hatte. Indes konnte sich Blendermann später maßgeblich dafür einsetzen, dass das ursprüngliche Instrument unter Verwendung vieler Originalteile wieder seinen angestammten Platz bekam. Es klinge einfach vollendet, passe perfekt in den Raum.
Auch wenn sich die Kirchenmusik etwa ab den 1990er Jahren „brachial“ verändert habe. Neues musste her. Und Blendermann lieferte. Alte Kirchenliedtexte vertonte er in neuen, mitreißend poppigen Rhythmen. Das kam bestens an, auch und gerade bei älteren Semestern. Drei Kinderchöre und zwei Jugendchöre waren unter Blendermanns Leitung aktiv. Viele, teils selbst komponierte Musicals kamen zur Aufführung, darunter etwa das etliche Male ausverkaufte „Schneewittchen“. Auf vielen Kirchentagen war der Grohner Jugendchor mit seiner Musik die „Vorzeigetruppe“. Einige schöne CDs wurden eingespielt.
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Begeistert erinnert sich der vielseitige Kirchenmusiker daran, dass er anlässlich des Evangelischen Kirchentags 2009 in Bremen beauftragt wurde, ein Musical für die Bundeswehr zu komponieren und mit ihr aufzuführen – mit dem nicht gerade simplen Thema: „Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden.“ Es wurde, wie konnte es anders sein, ein grandioser Erfolg.
Dabei war Blendermanns Musik nie Selbstzweck. In einem Nachsatz des Konzertprogramms der Jungen Kantorei bedankt er sich für das unglaubliche Engagement der Chormitglieder, die den Zuhörern mit ihrem Gesang Gott näher gebracht haben. Tatsächlich stand Letzteres für ihn immer ganz obenan. Angesprochen auf die hohen Kirchenaustrittszahlen, betont er das unverändert hohe Interesse an Kirchenkonzerten. Mit dem Medium Musik lasse sich christliche Botschaft eben auf einer anderen als allein der liturgischen Ebene vermitteln. Bedauerlich daher, dass die zwei Kirchengemeinden in Grohn und St.Magnus (Blendermann war dort in den letzten 18 Jahren ebenfalls für die Kirchenmusik zuständig) wohl mit einer längeren Kantorenvakanz rechnen müssen.
Befragt, welche Pläne er für seinen baldigen Ruhestand habe, kommt es wie aus der Pistole geschossen: Schachspielen, Kochen („mein Haupt-Hobby“) und sich zudem um zig Kompositionen kümmern, die nach wie vor in seinen Schubladen auf weitere Bearbeitung warten.
Ein paar Tage sind es noch bis dahin; denn zuvor, vom 10. bis zum 17.September 2023, findet wie gewohnt die St. Magni-Orgelwoche statt. Diesmal mit XXL-Programm: Orchester, Band, Film, Tanz, Eigenkompositionen, mit renommierten Interpreten und viel Orgelmusik. Am Ende einer bewegten 43-jährigen Blendermann-Ära darf es gerne noch einmal gehörig krachen.