Bei Vogelgezwitscher im Hochbeet Unkraut jäten, auf der Terrasse die Sonne genießen oder den Kindern beim Toben zusehen: Schrebergärten sind seit der Pandemie heiß begehrt. Auch in Bremen-Nord. Aber die Idylle ist getrübt. Mit Unbehagen beäugen viele der rund 17.000 Mitglieder der mehr als hundert Bremer Kleingartenvereine den desolaten Zustand ihres Dachverbandes. Die Krise manifestiert sich aktuell in der Kündigung der bisherigen Geschäftsführerin Katharina Rosenbaum und dem Amtsverzicht von vier der sieben Vorstandsmitglieder. Der Vorstand hat der Geschäftsführerin zum 31. Oktober gekündigt. Sie ist bereits die dritte Verwaltungschefin innerhalb von drei Jahren, die gehen muss. Thematisiert wird das Debakel bei einer Delegiertenversammlung am 20. November.
Ben Treis ist seit Sommer Vorsitzender des Kleingartenvereins Grambke. Die Vorkommnisse beunruhigen den 42-Jährigen, zumal es dadurch auch in seinem Verein Probleme gibt. "Wir haben hier nur wenige Engagierte. Viele Parzellen sind vermüllt", erzählt er. Bei Kontrollen mahnten Vertreter des Landesverbandes normalerweise Nacharbeiten an. "Da dort aber gerade viel über Kopf gegangen ist, wird der Verband nicht aktiv, und wir müssen auf die verwahrlosten Parzellen gucken. Da gibt es seltsame Persönlichkeiten", aber man könne die betreffenden Eigner ja nicht einfach vor die Tür setzen. Und es sei zu kostspielig, sie mit einem Anwalt raus zu klagen. Dabei stünden bereits 200 Interessenten auf der Warteliste.
Für ihn sei es trotzdem ein Geschenk, etwas für den Verein zu tun und dafür kostenfrei eine der 175 Parzellen als Aufwandsentschädigung zu bekommen. Langfristig kann sich Treis aber auch eine Position im Landesverband vorstellen, beispielsweise als Schätzer für die Grundstücke. Vorerst will der gelernte Elektroinstallateur aber den Grambker Verein auf Vordermann bringen. "Ich möchte, dass sie Menschen miteinander klarkommen und zusammenarbeiten. Andernfalls bestehe das Risiko, dass die Pachtgebiete der Kleingartenvereine langfristig als Bauland ausgewiesen werden, denn Bremen versuche Land zu ergattern. Treis: "Darum muss auch der Landesverband unbedingt neu aufgestellt werden."
Gleichzeitig gelte es, die Preise für die Schrebergärten moderat zu halten. "Es gibt hier kahle Grundstücke mit baufälligen Hütten, die für 5000 Euro verkauft wurden. Wir haben im Verein viele Leute, die sehr wenig Geld haben. Deshalb wird gefeilscht", erklärt Ben Treis. Bei einem Verkauf schicke der Landesverband üblicherweise zwar einen Schätzer, der den Preis für Haus und Garten festsetze, manch Besitzer verkaufe dann aber Möbel, Küchen- oder Gartengeräte, die in der Schätzung nicht enthalten seien, für einen Wucherpreis. Treis. "Da kommen dann unter der Hand 1000 bis 2000 Euro dazu." Und diese Preise seien während Corona noch deutlich gestiegen. Schwierig sei es auch, Untervermietungen im Blick zu behalten.
Für die nahe Zukunft wünscht sich Ben Treis, dass "sich die Reihen im Vorstand wieder füllen und der Dachverband nicht aufgelöst wird, denn sonst wird die Struktur schwierig". Schon für das kommende Jahr plane er einen Lehrgang zum Schätzer und wolle im Landesverband mitwirken. Bis dahin will er aber den eigenen Verein beleben. "Es gibt hier viele Mitglieder mit Wurzeln in anderen Kulturkreisen. Die freuen sich tierisch, genießen das Grün und halten den Verein hoch."
Maren Nitz, seit drei Jahren Vorsitzende des Kleingärtnervereins Rahland in der Borchshöher Straße in Aumund, wird ebenfalls an der Delegiertenversammlung des Dachverbandes teilnehmen. Dass wieder eine Geschäftsführerin nach kurzer Zeit geht, ist ihr unverständlich. "Es betrifft mich nicht wirklich, aber ich hoffe, dass sich der Verband verjüngt und verweiblicht. Eine Quote wäre zwar doof, ist hier aber vielleicht sinnvoll", meint die 55-jährige Speditionskauffrau. Sie selbst benötige den Dachverband allenfalls, wenn beispielsweise ein Mitglied ihres Vereins aus Altergründen nicht mehr imstande sei, seinen Garten zu pflegen, das aber nicht einsehe. "Da wünsche ich mir tatsächlich mehr Rückhalt vom Landesverband, aber das funktioniert bisher nicht wirklich."
Zwischen dem Landesverband und den Vereinen gebe es ohnehin eine große Distanz. Nitz: "An sich ist er unser verlängerter Arm, aber ich fühle mich nicht abgeholt, auch weil ich dort gesiezt werde." Das erzeuge einen unnötigen Abstand zwischen dem Landesverband und den Vereinen. "Dabei sind wir doch allesamt Gartenfreunde." Der Kleingärtnerverein Rahland hat 66 Parzellen. Nitz ist vor zehn Jahren eingetreten und hat sieben Jahre später den Vorsitz übernommen. "Wir haben hier keine nennenswerten Probleme. Alle Gärten sind besetzt, und wir haben keine säumigen Zahler." Natürlich sei das auch Glück. "Niemand weiß genau, wer da neu kommt. Es gibt keine Probezeit, und manchmal stellt man fest, dass jemand nicht zu uns passt." Das sei derzeit aber nicht der Fall. Menschen, die sich von der Gartenarbeit überfordert gefühlt hätten, seien zügig wieder ausgetreten. Aktuell stehe auch nur eine Familie auf der Warteliste.
Gegenwärtig hat der Verein Mitglieder aus elf Nationen. "Wir haben hier Ungarn, Türken, Italiener, Russen, Polen, Syrer Iraner, Iraker, und das klappt gut. Ich bin eine Freundin von Multi-Kulti", betont Maren Nitz und ergänzt: "Die Mitglieder sollten ein bisschen Deutsch können und auf keinen Fall eine Parzelle neben einem Landsmann beziehen, damit der kulturelle Austausch garantiert ist. "Und das kommt auch bei vielen Deutschen gut an." Einmal im Jahr finde zudem ein "Fest der Kulturen statt".
Und wo sieht die Vorsitzende die Kleingartenvereine in 20 Jahren? "Ich denke jetzt kommen wieder mehr junge Familien, darunter auch Leute von 'Fridays for Future'. Eine am Klima interessierte Generation strebt jetzt in die Gärten. Und deshalb wird es nicht mehr so spießig sein wie früher", prognostiziert Nitz und bringt es auf den Punkt: "Partyzelt statt Gartenzwerg." Dafür sollten gegebenenfalls auch ein paar Regeln aufgeweicht werden. Aber eine Sache müsse immer so bleiben: Die maximale Heckenhöhe von 1,10 Metern. "Man soll hier ja Kontakte pflegen."