Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

La Strada in Vegesack Ein Spielmannszug geht in die Luft

Akrobatik, Seemannsgarn, Musik und Pinguine: Was die Zuschauer beim Straßentheaterfestival La Strada in Vegesack erlebt haben.
03.07.2022, 16:14 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Marina Köglin/MAG

Der Vegesacker Hafen feiert sein 400-jähriges Bestehen und das Straßentheaterfestival La Strada gratuliert mit einem zweitägigen Programm rund um das Hafenbecken. Sechs Gruppen und Einzelkünstler sorgen für maritime Unterhaltung.

Am frühen Sonnabendnachmittag versammeln sich erste Zuschauer auf den Stufen mit Blick aufs Hafenbecken. Der sogenannte Hafenkopf ist die Bühne von Mr. Swing – kein ungefährliches Pflaster. „Hey, ich bin doch einer von euch!", ruft er einigen haarscharf an ihm vorbeisausenden Radfahrern zu. Mr. Swing ist nämlich mit seinem pedalbetriebenen Showmobil „Jazzen auf Rädern“ vor Ort, quasi ein Swing-Bring-Dienst. Nach den ersten Takten wippen bereits die ersten Füße und Knie. Spätestens bei „Always look on the bright sight of life“ singen und pfeifen fast alle Zuhörer mit. Nach dem Übergewicht-Medley und einem Bremen-Song präsentiert der Sänger und Nasenflötenvirtuose seine frisch komponierte Vegesack-Hymne. Da heißt es unter anderem: „Wo die Lesum mit der Weser swingt, zu Musik, die aus dem Kito klingt“ – fast schon eine kleine Liebeserklärung an das Städtchen, „das sogar mal einen eigenen Vulkan hatte.“

La Mer – unter diesem Motto zeigt das Duo Urban & Staedler Cooperation im Hafenwald humorvolle Luftartistik am ozeanblauen Vertikaltuch. Mit ein paar Requisiten lassen Ellen Urban und Julia Staedler eine Meereslandschaft entstehen. Allen Gesetzen der Schwerkraft trotzend nehmen sie ein Bad in luftiger Höhe und genießen den Tag am Meer. Was da alles passieren kann: Regenschauer, Sand in den Taschen, ein zappelnder Fisch im Badeanzug und dann sorgen noch ein fescher Matrose und eine Hai-Flosse für Aufregung.

Wo immer sich eine amüsierte Menschengruppe nur langsam über das Gelände bewegt, sind die Pinguine vom „Theater Pikante“ meist mittendrin. „Die sind niedlich und die Füße sind so lustig“, findet die sechsjährige Mia. Die drei Pinguine watscheln auf Schwimmflossen durch die Menge und betrachten die Zuschauer genauso interessiert wie umgekehrt. Ehe sich das Publikum versieht, ist es umzingelt von gurrenden, kuschelnden Pinguinen, die kurz wegdösen – und plötzlich laut schnatternd wieder auseinander eilen. Die Pinguine sind sicher eines der am häufigsten fotografierten Motive an diesem La-Strada-Wochenende.

„Wo sind denn jetzt die Pinguine, wann fängt der nächste Auftritt an – und wo?“ Viele Zuschauer sind ein bisschen ratlos, denn die Programmflyer sind am Sonnabend in Windeseile restlos vergriffen. Doch die "Engel" wissen Rat. Ohne das unermüdliche Engagement der „Engel“ genannten, freiwilligen Helferinnen und Helfer wäre La Strada wohl nicht möglich. Sie sorgen für einen reibungslosen Ablauf. In Vegesack sind dieses Mal 15 „Engel“ im Einsatz. Zwei von ihnen, Iris Gräfe und Inez Kobza, betreuen den Infostand und beantworten gut gelaunt die Fragen der Besucher. „Informationen für die Zuschauer, der Backstage-Bereich und die Bühnen – das sind unsere Aufgabengebiete“, erklären sie.

Überall im  Hafenwald sind rote Liegestühle platziert – dort lässt sich die Zeit zwischen den Aufführungen gut verbringen. Einige Zuschauer haben sogar Picknickdecken und Sitzkissen mitgebracht. Für Getränke – heiß oder kühl, je nach Gusto – ist an diesem sommerlichen Wochenende gesorgt. Der fünfjährige Leon würde gern ein Eis essen und wird ein bisschen unzufrieden, als er vergeblich nach einer Eisbude Ausschau hält. Gut, dass gerade der Klabauterjan mit seinem Haifischkutter durch den Hafenwald tuckert und ihn auf andere Gedanken bringt.

Der erstaunlich wendige Kutter trägt den Namen "Schoinschiet". „Das ist chinesisch und heißt ,Der Wal bläst‘“, erklärt Klabauterjan alias Jan Rusch. Ob Klabauterjan ein segelnder Zauberer oder ein zaubernder Segler ist, kann nicht endgültig geklärt werden. Er schluckt jedenfalls Feuer und meterlange Ballons, lässt eine Münze durch seinen Körper wandern – und wieder zurück – und jongliert mit verzauberten Kanonenkugeln. Für die Fackel-Jonglage sucht Klabauterjan zwei Assistentinnen: „Freiwillige vor – wer hilft mir?“ Wer nach dieser Frage auf seine Sitznachbarin zeigt, steht selbst ruckzuck auf der Bühne. Die Aufgabe der Assistentinnen besteht darin, eine Fackel „mit Gefühl“ so zu werfen, dass Klabauterjan sie mit dem Mund auffangen kann. Unglaublich, aber die Übung gelingt. „Ich glaube, der hat gemogelt“, mutmaßt ein Junge in der ersten Reihe. Gemogelt oder nicht – es gibt viel Applaus. Nach der Vorstellung geht der Hut rum. „Ich mach das hier aus Spaß“, beteuert Klabauterjan mit einem Augenzwinkern, „und je mehr Geld im Hut landet, desto mehr Spaß habe ich“.

Das Theaterkontor Fiesematenten lädt zum Spiel „Schiffe finden“ ein. In Anlehnung an den Klassiker „Schiffe versenken“ wird die Neuauflage (ohne Versenken) quer über das Hafenbecken gespielt. Mit einem Fernglas oder sehr guten Augen können die Koordinaten des Teams auf der anderen Hafenseite entdeckt werden. Sieger ist, wer zuerst alle Schiffe entdeckt hat.

Spektakulär wird es am frühen Abend: Die französische Gruppe Transe Express bietet Trapezkunst über dem Hafenbecken. Zunächst unterhält die Companie das Publikum noch auf dem Gelände und auf der Hafenbrücke mit furiosen Trommelrhythmen. Dann steigen die Künstler in ein Gestell, das von einem Kran in schwindelerregende Höhen gezogen wird. Wie Püppchen an einem Mobile schwingen die Trommlerinnen und Trommler in weitem Bogen über Hafen und Brücke und sorgen beim Publikum immer wieder für Raunen und Applaus.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)