Die Angeklagte sei psychisch krank, daran bestünde für das Gericht kein Zweifel, sagt der Vorsitzende Richter Helmut Kellermann. Aber sie sei auch straffähig: Zwei Jahre und neun Monate lautet am Donnerstagnachmittag vor dem Landgericht das Urteil für die Frau, die im Dezember 2017 mit einer Briefbombe für einen Großeinsatz der Sicherheitskräfte in Vegesack gesorgt hatte. Wegen ihrer Erkrankung muss sie nicht ins Gefängnis, sondern wird in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht.
Verurteilt wird die 24-Jährige nicht wie angeklagt für versuchten Mord, sondern für das versuchte Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und für versuchte gefährliche Körperverletzung. Objektiv sei der selbst gebaute Sprengsatz völlig ungefährlich gewesen, gab Kellermann die Einschätzung eines Experten des Bundeskriminalamtes wieder. Für eine wirkliche Explosion sei die in Röhren gefüllte und mit Sprengkapseln versehene Mischung aus Sand, Benzin und Schwarzpulver von Silvesterböllern nicht geeignet gewesen. Nicht einmal ein Brand hätte damit ausgelöst werden können.
Dies alles habe die Angeklagte aber nicht gewusst, betont der Richter. Zugleich gehe das Gericht jedoch anders als die Staatsanwaltschaft nicht davon aus, dass die 24-Jährige mit ihrer an die Ehefrau ihres Lehrers aus dem Berufsbildungswerk adressierte Briefbombe tatsächlich jemanden habe töten wollen. Davon zeuge auch, dass sie das Schwarzpulver mit Erde „verdünnt“ hatte. „Es sollte einen lauten Knall geben. Sie wollten der Frau und damit ihrem Mann einen Riesenschrecken einjagen.“
Am 6. Dezember hatte die Angeklagte den selbst gebastelten Sprengsatz als Päckchen in der Post am Bremer Hauptbahnhof an eine Adresse in Bremen-Nord geschickt. In der Paketstation in der Postfiliale in Schönebeck entdeckten Mitarbeiter durch ein wohl während des Transports entstandenes Loch in dem Päckchen Zylinder und Drähte und alarmierten die Polizei.
Die stieß schon kurz darauf im Zuge ihrer Ermittlungen auf die in Niedersachsen lebende 24-Jährige. Die Frau gab die Tat zu. Sie habe sich damit für sexuelle Belästigungen an einem ihrer Lehrer rächen wollen.
Frühkindliche Störungen
Was das Gericht ihr nicht glaubt. Dies sei wie zahlreiche andere ihrer Aussagen gelogen, konstatiert der Vorsitzende Richter. Und es sei auch nicht das erste Mal gewesen, dass sie auffällig wurde. Bereits 2011 hatte sie, damals in einem Berufsbildungswerk in Schleswig-Holstein, an dem Fahrzeug eines Lehrers die Bremsschläuche durchgeschnitten. Wofür sie zu 15 Monaten Jugendhaft verurteilt wurde. Die Angeklagte fühle sich schnell ausgegrenzt und in einer Außenseiterrolle, erklärt Kellermann. Aufgrund ihrer psychischen Probleme könne sie sich anderen Menschen aber nicht mitteilen und greife deshalb – um den Druck, der auf ihr laste, abzubauen – zu anderen, drastischen Mitteln, wie eben dem Bau der Briefbombe.
Auslöser für ihre fehlende psychosoziale und emotionale Kompetenz sollen Erlebnisse in ihrer Kindheit sein. Die Angeklagte sei in ein alkoholisiertes Umfeld hineingeboren worden, als Kleinkind gegen eine Wand geschleudert und als anscheinend tot in eine Mülltonne geworfen worden, deutet Kellermann nur kurz die Ursachen für schwere frühkindliche Störungen an.
Keine Frage für alle Prozessbeteiligten ist, dass die Angeklagte die Tat im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begangen hat. Trotzdem stelle sie eine Gefahr für die Allgemeinheit dar, deshalb die Einweisung in die Psychiatrie.
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