Die Zahl der Wohnungslosen ist zu groß und die der Hilfsangebote zu gering. Das sagt Joachim Barloschky, Mitbegründer und Sprecher des Aktionsbündnisses Menschenrecht auf Wohnen. Für diesen Montag lädt das Aktionsbündnis ins Konsul-Hackfeld-Haus an der Birkenstraße ein. Dort soll es unter anderem um die Situation von Wohnungslosen im Bremer Norden gehen. Barloschky weist auf die Notwendigkeit hin, die Hilfe zu verbessern. „Das Angebot muss aufgestockt werden“, sagt Barloschky. Unter anderem fordert er zusätzliche Sozialarbeiter-Stunden und die Schaffung eines trockenen und warmen Aufenthaltsraums in Bremen-Nord.
Bisher gibt es am Szenetreff am Aumunder Heerweg in Vegesack, der eine Anlaufstelle für Drogen- und Alkoholabhängige ist – darunter sind auch Wohnungslose – lediglich einen Unterstand und den Beratungsbus der Inneren Mission. Wie berichtet, hat Katharina Kähler, Bereichsleitung Wohnungslosenhilfe im Verein für Innere Mission, kürzlich in einem Eckpunktepapier die Voraussetzungen für das Aufstellen eines beheizbaren Containers zusammengefasst.
Demnach müsste unter anderem eine zusätzliche Sozialarbeiterin oder ein weiterer Sozialarbeiter vor Ort sein. Streetworkerin Gimmy Wesemann kümmert sich aktuell 30 Stunden pro Woche um die Nutzer des Szene-Treffs. Wenn sie krank ist oder Urlaub hat, gibt es keine Ansprechperson. Das Problem ist, dass die Aussichten auf eine Finanzierung laut Sozialbehörde momentan schlecht sind. Neue Projekte können in der haushaltslosen Zeit nicht angegangen werden, und auch danach sind die Chancen auf eine Kostenübernahme nicht gut.
Der Nordbremer Bürgerschaftsabgeordnete Thomas Pörschke (Grüne), der unter anderem Sprecher für Obdachlosenpolitik und für Bremen-Nord ist, setzt sich dafür ein, dass dennoch eine Lösung gefunden wird. „Ziel der Akteure vor Ort ist es, spätestens bis zum nächsten Winter ein adäquates Angebot zu schaffen. Das unterstütze ich und bin zuversichtlich, dass es klappt“, sagt Pörschke. Er habe bereits ein Gespräch mit einem Unternehmen geführt, das Container anbietet. „Dabei habe ich Sonderkonditionen in Aussicht gestellt bekommen.“
Schul-Hausmeisterhaus müsste aufwendig hergerichtet werden
Dass das seit Jahren leer stehende Schul-Hausmeisterhaus in der Nachbarschaft des Szenetreffs für diese Nutzung infrage kommt, glaubt Pörschke indes nicht. Dieser Vorschlag war kürzlich in der Sitzung des Vegesacker Ausschusses für Soziales, Prävention und Integration zur Sprache gekommen und diskutiert worden. Mehrere Punkte stünden dem entgegen, sagt Pörschke und nennt als Beispiel planungs- und baurechtliche Bestimmungen, die mit der Nutzung nicht vereinbar seien. Auch müsste das Haus aufwendig hergerichtet werden, weil es jahrelang nicht genutzt wurde.
Joachim Barloschky und das Aktionsbündnis Menschenrecht auf Wohnen fordern mehr Personal in der Wohnungslosenhilfe und zusätzliche Streetworker, aber auch darüber hinausgehende Maßnahmen und Hilfen für Wohnungslose und Obdachlose für Bremen-Nord und ganz Bremen. „Nicht alle Drogen- und Alkoholabhängige, die zum Szenetreff kommen, sind obdachlos und schlafen auf der Straße. Aber viele von ihnen sind wohnungslos und nur vorübergehend irgendwo untergekommen. Und das entspricht nicht dem gesetzlichen Anspruch und dem Menschenrecht auf Wohnen“, betont Barloschky.
Nach Angaben von Bernd Schneider, Sprecher der Sozialbehörde, gibt es etwa 30 bis 50 Obdachlose in Bremen-Nord. Weitaus größer, so Barloschky, sei jedoch die Zahl der Wohnungslosen. Er verweist darauf, dass in Bremen 500 Obdachlose und „Tausende Wohnungslose ohne Mietvertrag oder Eigentum“ leben. „Es sind sogenannte Sofa-Hopper, die zwar irgendwo ein Obdach haben, weil sie beispielsweise im Übergangswohnheim oder vorübergehend bei Freunden wohnen, aber kein Eigentum und keinen eigenen Mietvertrag.“ Deren Situation sei prekär, betont Barloschky, denn es könne passieren, dass sie jederzeit auf der Straße landen. „Ein Streit mit dem Freund reicht aus, weil sie keine rechtlichen Ansprüche haben.“
Eingeschränktes Hilfsangebot
500 bis 600 Menschen in Bremen werden laut Bernd Schneider pro Jahr zumindest zeitweise in Notunterkünften untergebracht. „Etwa fünf bis sieben Prozent von ihnen kommen aus Bremen-Nord“, so der Sozialbehörden-Sprecher. Das Angebot für Wohnungslose im Bremer Norden ist indes derzeit sehr eingeschränkt bis nicht vorhanden. Die Fachstelle Wohnen, bei der Betroffene, die von Obdachlosigkeit betroffen oder bedroht sind, Hilfe bekommen, ist seit Monaten unbesetzt. Frühestens Mitte März wird wieder ein Ansprechpartner in Vegesack zur Verfügung stehen. Notunterkünfte gibt es im Bremer Norden überhaupt nicht und als einzige Streetworkerin, die sich unter anderem um Wohnungslose kümmert, ist Gimmy Wesemann am Szenetreff im Einsatz. Der Schwerpunkt anderer Streetworker liegt im Bereich aufsuchende Jugendarbeit.
Die Forderungen des Aktionsbündnisses Menschenrecht auf Wohnen betreffen einerseits die akute Hilfe in Notsituationen, um eine würdevolle Lebenssituation für die Betroffenen zu schaffen. So wollen die Akteure beispielsweise das sogenannte Housing First durchsetzen, bei dem oberstes Ziel ist, Obdachlose in einer Wohnung unterzubringen und sie dann weiterhin bei der Bewältigung ihrer Probleme zu unterstützen. Andererseits geht es den Akteuren des Aktionsbündnisses auch um das mittel- und langfristige Ziel, dass ausreichend bezahlbare Wohnungen für alle zur Verfügung stehen.
Joachim Barloschky, der mehr als 20 Jahre als Quartiersmanager in Tenever gearbeitet hat und als Lehrbeauftragter an der Hochschule Bremen im Studiengang „Soziale Arbeit“ unterrichtet, sieht einen Lösungsansatz in einem zusätzlichen kommunalen Wohnungsbauprogramm. Dadurch könnte sozialer geförderter Wohnraum entstehen, der bezahlbar ist und bleibt, weil die Bindung nicht nach einem bestimmten Zeitraum ausläuft, erläutert er.
Weitere Maßnahmen, die das Aktionsbündnis fordert, sind die Stärkung stadteigener Wohnungsbaugesellschaften und von Genossenschaften sowie die Einführung einer wirksamen Mietpreisbremse. „Mietsteigerungen sind ein riesiges Problem“, sagt Barloschky. Der 68-Jährige betont: „Das betrifft Hunderttausende Menschen in Bremen, die sich ihre Wohnung bei einer Mieterhöhung plötzlich nicht mehr leisten könnten. Das kann ganz schnell gehen.“
Nicht zuletzt müsste auch das Wohngeld angehoben werden, fordert Barloschky. Zur Begründung sagt er: „Ich kenne viele Menschen, die einen Teil der Miete von ihrer Grundsicherung bezahlen, weil sie den Wohngeld-Satz übersteigt. Auch dieses Problem betrifft natürlich auch Nordbremer.“
Menschenrecht auf Wohnen
Das öffentliche Treffen des Aktionsbündnisses Menschenrecht auf Wohnen findet am Montag, 2. März, um 17 Uhr in den Räumen des Konsul-Hackfeld-Hauses, Birkenstraße 34, statt. Neben aktuellen Fragen der Wohnungspolitik stehen ein Gespräch mit Susanne Ahlers, Staatsrätin bei der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa sowie die Kampagne „Wohnungen und Würde für Wohnungslose“ und der Aktionstag gegen Wohnungsnot für Mieten-Stopp (28. März) im Vordergrund. Auch die Situation von Wohnungslosen in Bremen-Nord wird thematisiert. Interessierte sind eingeladen. Mehr Informationen zum Aktionsbündnis gibt es im Internet unter www.menschenrecht-auf-wohnen.de.