Eine Ambulanz für Parkinson-Patienten gibt es zwar mittlerweile am Klinikum Nord, doch im Grunde ist sie Matthias von Mering und Per Odin zu wenig. Der Bremer Chefarzt und der schwedische Forscher wollen mehr – und am Krankenhaus an der Hammersbecker Straße fortsetzen, was sie in Bremerhaven begonnen haben. Auch dort waren sie ein Team. Auch dort beschäftigten sie sich mit Menschen, deren Nervenzellen nach und nach absterben. Zusammen wollen sie jetzt das Klinikum zu einem Therapiezentrum für die zweithäufigste neurologische Krankheit machen.
Odin nennt Zahlen von aktuellen Statistiken und Zahlen von Prognosen. Er spricht von rund 2000 Parkinson-Patienten, die es momentan in Bremen gibt – und davon, dass es in den nächsten drei Jahrzehnten wahrscheinlich doppelt so viele sein werden. Dafür gibt es ihm zufolge zwei Gründe: Zum einen kann die Krankheit immer leichter und damit früher diagnostiziert werden als noch vor Jahren, zum anderen erreichen die Menschen ein immer höheres Alter. Nach seinen Worten gibt es mehr ältere Parkinson-Patienten als jüngere. Genauso wie bei Alzheimer, der häufigsten neurologischen Erkrankung.
Auch wenn die Zahl der Betroffenen gestiegen ist und immer weiter steigt, ist die Klinik für Neurologie am Nordbremer Krankenhaus vergleichsweise neu. So neu, dass Chefarzt von Mering den Monat und das Jahr, in dem sie eingerichtet wurde, auf Anhieb nennen kann: Dezember 2017. Der Grundstein für sie war, wenn man so will, die sogenannte Stroke-Unit, die ein Jahr zuvor kam – eine Einheit, die auf die schnelle Behandlung von Patienten mit Schlaganfall oder Verdacht auf Schlaganfall spezialisiert ist. Erst gab es zwei Behandlungsplätze für sie in Nord, jetzt gibt es dreimal so viele. Und Pläne für zwei weitere.
Sie gehören zu Odins und von Merings Konzept für ein Parkinson-Therapiezentrum. Genauso wie mehr Betten, mehr Mediziner, mehr Therapeuten. Momentan gibt es nach ihrer Rechnung zwei Neurologie-Stationen mit 34 Betten, zwölf Ärzten und 30 Fachkräfte, die sich um die Förderung von Patienten kümmern. Im nächsten Jahr will von Mering auf 40 Betten kommen und – wenn der Klinikverbund Gesundheit Nord sie denn tatsächlich finden sollte – auf ein halbes Dutzend zusätzliche Physio-, Ergo- und Sprachheiltherapeuten. Nicht irgendwelche, sondern die sich mit Parkinson-Patienten auskennen.
Immer mehr Kliniken und Praxen schicken ihre Patienten nach Nord
Seit Anfang September, seit Odin da ist, gibt es eine Ambulanz für sie. Patienten mit Parkinson hatte die Neurologie auch schon vorher, aber nicht so viele wie jetzt. Chefarzt von Mering sagt, dass immer mehr Kliniken und Praxen ihre Patienten nach Nord schicken. Sie kommen inzwischen aus Cuxhaven, Oldenburg, Bremerhaven und anderen Krankenhäuser der Stadt. Der Mediziner führt das zum einen auf die Eröffnung der Ambulanz zurück, zum anderen auf den Mann, der sie leitet: Odin gehört laut von Mering zu den renommiertesten Parkinson-Experten, nicht bloß in Skandinavien, sondern weltweit.
Der Neurologe ist mal in Schweden, mal in Bremen. Er forscht an der Universitätsklinik von Lund. 150 Mediziner beschäftigen sich dort mit der Frage, warum bei Parkinson immer mehr Bewegungsstörungen auftreten und wie der Prozess des Nervenzellensterbens verlangsamt beziehungsweise gestoppt werden könnte. Die meisten Kollegen von Odin arbeiten experimentell, er nicht. Seine Forschung beruht auf klinische Untersuchungen. Etwa eine Woche pro Monat ist Odin am Krankenhaus an der Hammersbecker Straße, um Fachkräfte zu schulen und Patienten zu behandeln. Das ist sozusagen seine Praxiszeit. Auch an den Kliniken Mitte und Ost gibt es Neurologen und Parkinson-Patienten. Aber nach von Merings Worten haben sie nicht, was das Nordbremer Klinikum hat: sämtliche Fachdisziplinen, die die Neurologie unterstützen – sowohl eine kardiologische, als auch eine geriatrische Abteilung.
Und neuerdings zusätzlich eben eine Ambulanz, weil Menschen mit Parkinson in einem bestimmten Stadium oftmals nicht stationär behandelt werden müssen. Aber regelmäßig. Laut Odin kommen viele für Stunden in die Klinik. Mal geht es um Therapiesitzungen, mal ums Einstellen der Patienten auf bestimmte Medikamente. Oder darum, ein Mittel für manche wieder verträglich zu machen.
Weil Präparate irgendwann zu Beschwerden führen können, setzt Odin nicht nur auf Tabletten, sondern auch auf Sonden, die eine Arznei permanent in einer geringen Dosis in den Körper leiten. Odin sagt, dass Parkinson bisher nicht heilbar ist und es unterschiedliche Formen gibt – auch solche, bei denen Medikamente nicht anschlagen. Er sagt aber auch, dass es vielversprechende Therapieansätze gibt. Er spricht von einer Komplexbehandlung, bei der alles auf den Patienten abgestimmt wird. Und davon, dass es die künftig auch in Nord geben soll.
Therapiezentrum in den nächsten fünf Jahren
Er und von Mering gehen davon aus, dass es ein Therapiezentrum für Patienten mit Parkinson am Klinikum in den nächsten fünf Jahren geben wird. Auch Timo Sczuplinkski glaubt das. Der Sprecher des Klinikverbunds sagt, dass die Neurologie in Nord noch Potenzial hat und darum weiter ausgebaut werden soll. Nach seinen Zahlen hatte sie anfangs zwei Ärzte, mittlerweile hat sie 14. Er schließt nicht aus, dass die Zahl der Betten in den nächsten Jahren auf 50 aufgestockt wird. Wie schnell das geht, macht Sczuplinski letztlich davon abhängig, welchen Erfolg der Klinikverbund hat, weitere Fachkräfte zu finden.
Dass Betten im Krankenhaus leer bleiben müssen, weil zu wenig Pfleger da sind, die sich um die Patienten kümmern, hat es bisher nur auf einigen Stationen gegeben. Künftig könnte es mehr Abteilungen treffen. Ab 2020 gelten die sogenannten Personaluntergrenzen, die festschreiben, dass Klinikbetten aus Mangel an Mitarbeitern nicht belegt werden können, auch für die Neurologie.