Grohn. Der privaten Jacobs University fehlt weiter Wohnraum für Studenten. Zurzeit wohnen 170 Studenten in Hotels oder Studenten-Wohnungen. Den lange angekündigten Plänen für einen College-Neubau mit über 500 neuen Betten erteilte Uni-Präsident Antonio Loprieno in einem Gespräch mit der NORDDEUTSCHEN jetzt vorerst eine Absage. „Große Sprünge können wir uns aktuell nicht leisten. Und auch bei den Investitionen gilt: Vorsicht und Maß halten. Wir müssen unsere Zukunft planen.“
Hintergrund sind die Finanzen der Uni. Die Institution gilt als chronisch klamm. Aktuelle Zahlen, die das belegen, liegen nicht vor. Die Fakultät hat diese Woche erst ihren Geschäftsbericht von 2018 veröffentlicht. Dieser weist ein operatives Ergebnis von minus 800 000 Euro aus (2017: minus 0,7 Millionen Euro). Durch diverse Sondereffekte wie die Übernahme eines Darlehens aus den ersten Jahren der Universität über 45,9 Millionen Euro durch die Freie Hansestadt Bremen gibt es jedoch einen Überschuss von 27,8 Millionen Euro. Auch die Gesamterlöse für 2018 liegen mit 93,1 Millionen Euro ebenfalls erheblich über dem Vorjahreswert (50,2 Millionen Euro). Das Eigenkapital der Privathochschule belief sich vor zwei Jahren auf 39,4 Millionen Euro (im Vorjahr: 11,6 Millionen Euro).
„Es sind aber nicht 45 Millionen Euro in cash gekommen. In diesem Sinne ist die landläufige Erwartung, wir seien reich geworden, nicht zutreffend“, sagt Antonio Loprieno im Interview mit unserer Zeitung. Ein Gutteil der Erlöse sei für die Zukunftsvorsorge zurückgestellt worden.
Zwar haben Bremen und erneut die Jacobs Foundation die Uni 2018 unterstützt. Die Hochschule konnte ihre Gesamterlöse in dem Jahr allerdings auch selbst steigern, beispielsweise im Bereich Forschung und Lehre (von 27,8 Millionen Euro auf 28,6 Millionen Euro). Ohne Zuschüsse gehe es dennoch kaum.
Wie die Uni langfristig überleben kann, will der Präsident ab März bei einem Workshop mit Regierungsvertretern und weiteren Entscheidungsträgern auf dem Campus erörtern. Die Steigerung der Studentenzahlen gilt für Loprieno weiterhin als Eckpfeiler der neuen Wachstumsstrategie. Zurzeit lernen mehr als 1500 Studierende aus 120 Nationen auf dem Campus. Antonio Loprieno hofft, dass der Uni-Betrieb irgendwann für 2000 Studierende ausgerichtet werden kann. „Ich hätte liebend gern auch mehr deutsche und europäische Studierende“, so der Präsident.
Studenten sollen unter anderem mit einem neuen Modell der Studienfinanzierung gewonnen werden: Die hat die Jacobs University 2019 an eine Fremdfirma ausgelagert. Die Brain Capital GmbH mit Sitz in Vallendar bemisst die Rückzahlung der Studiengebühren am Jahresgehalt, sobald nach Studienabschluss eine Einkommensschwelle erreicht wurde. Antonio Loprieno: „Abgesehen davon, dass ohnehin 70 Prozent der Studierenden zumindest ein Teil-Stipendium erhalten, können wir aufgrund des neuen Finanzierungsmodells sagen, dass es jedem Studierenden ermöglicht wird, an der Jacobs Universität zu studieren, der es wünscht und der die Qualifikation hat. Ohne jegliche Form von finanzieller Diskriminierung.“
Ob die Uni ihren selbst gesetzten Wachstumszielen folgen kann, ist auch davon abhängig, ob es gelingt, hinreichend und fristgerecht Unterbringungen fertig- und sicherzustellen. So steht es zumindest im Chancen- und Risikobericht der Uni von 2018. Damals begannen Beiräte und behördliche Gremien, die planungsrechtlichen Voraussetzungen für einen College-Neubau nördlich des Campus zu schaffen. Jetzt vollzieht Loprieno beim College-Neubau auf finanziellen Gründen vorerst eine Kehrtwende.
Wie sieht sein Plan für eine Unterbringung aus? „In unserer unmittelbaren Zukunft sehe ich eher einen Ausbau der bestehenden Colleges als etwas Neues. Wir wollen bis 2021 die vorhandenen Dachgeschosse ausbauen und so bis zu 200 zusätzliche Betten schaffen. Auch der Bau neuer Stockwerke auf bestehende Häuser ist eine Option." Allein für den Ausbau der insgesamt zehn Dachgeschosse der älteren Wohngebäude auf dem Campus kalkuliert die Universität ein Gesamtbudget von knapp sieben Millionen Euro.
Vom Tisch seien die College-Pläne zwar nicht gänzlich, Gespräche mit Investoren würden weiter geführt, trotzdem denkt Uni-Präsident Antonio Loprieno zurzeit auch darüber nach, die Vorschriften bei der Unterbringung auf dem früheren Kasernengelände zu lockern. Es sei durchaus vorstellbar, dass Studenten außerhalb des Campus wohnen. „Mit dieser neuen Flexibilität könnten wir die Studierenden enger an Bremen binden.“