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Nordbremer Wirte: hohe Kosten "Mehr arbeiten, um weniger zu verdienen"

Die Preise fürs Bier werden anziehen. Das bekommen auf jeden Fall die Gastronomen zu spüren, nachdem Brauereien eine Preiserhöhung angekündigt haben. Wirte könnten die Mehrkosten an ihre Gäste weiterreichen.
29.08.2022, 18:00 Uhr
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Von Ulrike Schumacher

Das Beck's vom Fass wird demnächst teurer. Auf jeden Fall für die Gastronomen, die das Bier in ihren Kneipen und Restaurants anbieten und sich dafür liefern lassen müssen. Die Brauerei AB-Inbev-Deutschland wird ab September von den Großhändlern pro Hektoliter Bier 20 Euro mehr verlangen. Der Grund: die gestiegenen Energiekosten. Für die Produktion von Bier wird Gas benötigt, erläutert der Deutsche Brauer-Bund. Es sei nahezu unmöglich, beim Bierbrauen Gas als wichtigsten Energieträger zu ersetzen. Nach der Chemie-Industrie sei man die Branche mit dem zweithöchsten Energieverbrauch.

Die Großhändler werden ihre gestiegenen Einkaufspreise an die Gastronomen weitergeben. Ob diese dem Prinzip folgen und ihrerseits die Bierpreise auf den Speisekarten anheben? Ob sie die Mehrkosten an die Gäste weiterreichen? "Bestimmt nicht in voller Höhe", lautet die Antwort einiger Gaststättenbetreiber in Bremen-Nord und Umgebung. "Wir können die gestiegenen Preise nicht voll umlegen", sagt Philipp Thiekötter, Inhaber des Hotels "Havenhaus" in Vegesack. Die Gäste würden sich ohnehin schon spürbar zurückhalten. Das habe er jüngst beim Festival Maritim beobachten können, berichtet der Gastronom. Im Übrigen seien es nicht nur die Preise für das Bier, die steigen. Insgesamt gehen die Preise beim Einkauf nach oben, sagt Philipp Thiekötter. Von den Energiekosten ganz zu schweigen.

Ein kleines Bier für fünf Euro will keiner haben.
Gerrit Funk, Gastronom

Die machen Gerrit Funk vom Biergarten samt Minigolf-Anlage "Am Wald" in Schwanewede auch keine Freude. Der Gastronom rechnet mit rund 8500 Euro Mehrkosten im Jahr für Energie und Wareneinkauf. "Viel machen können wir nicht", sagt er im Hinblick darauf, die Preissteigerung an die Gäste weiterzugeben. "Ein kleines Bier für fünf Euro will keiner haben." Er könne seine Preise allenfalls minimal erhöhen, sagt Funk. Wirklich auffangen könne das die zum Teil 25-prozentige Preiserhöhung bei den Lebensmitteln aber nicht. Die Speisekarte zu verändern - zum Beispiel weniger Fleischgerichte anzubieten und dafür auf mehr vegetarische Speisen umzusteigen – sei auch keine Option, "wenn die Gäste wegen der Speisekarte kommen". Hinzu komme, dass einige Betriebe noch das Problem hätten, kein Personal zu finden. Gastronomen, zieht Gerrit Funk ernüchtert Bilanz, "müssen jetzt mehr arbeiten, um weniger zu verdienen".

Das kann auch Uwe Rieckhoff bestätigen. Ihm fehlen für sein Lokal "Smidt's Restaurant und Café" auf der Lesumbroker Golfanlage Halbtagskräfte für das Mittagsgeschäft. Ebenfalls Carsten Köpke, Inhaber des Restaurants "Zum grünen Jäger" in Farge und Schriftführer des Dehoga-Fachverbands Bremen-Nord, nennt Personalmangel als ein Übel in der Branche, zu dem auch noch die hohen Energiekosten hinzukommen. Er habe für seinen Betrieb glücklicherweise in der Vergangenheit "energiemäßig schon gewaltig was gemacht" und in Alternativen investiert, erzählt Carsten Köpke. Die gestiegenen Bierpreise würden die Gastronomen seiner Information nach, nicht an die Gäste weitergeben, sagt der Dehoga-Schriftführer.

Von der Preiserhöhung für das Inbev-Bier merke er nichts, berichtet Uwe Rieckhoff, weil er einen anderen Lieferanten habe, der aber auch im Mai schon die Preise erhöht habe. "Mir machen die gestiegenen Lebensmittelpreise mehr Sorgen", sagt der Gastronom. "Die Preise für Fleisch gehen wie verrückt nach oben." So habe er im Juli beim Einkauf von Burger-Patties einen Kostenanstieg von 55 Prozent erlebt. Mit der Folge, dass Uwe Rieckhoff die Preise für seine Burger um zwei bis 2,50 Euro erhöht habe. Und die Energiekosten seien dabei noch gar nicht berücksichtigt, blickt der Gastronom mit Bangen auf Herbst und Winter. Die Speisekarte zu verändern, sei keine Lösung. "Unsere Gäste möchten gern Fleischgerichte haben", weiß der Wirt. Sie würden "kräftig-deftig" dem Vegetarischen vorziehen. Das Risiko, mit einer geänderten Speisekarte die Kundschaft zu verprellen, geht man – nicht nur hier – lieber nicht ein.

Fleisch und Fisch stehen auch beim italienischen Restaurant "Salento Classico" in Vegesack auf der Speisekarte. Produkte, für die das Lokal inzwischen einiges mehr bezahlen muss, erzählt Inhaberin Corinna Bosch. "Wir passen die Preise an", fügt sie hinzu. Um ein bis zwei Euro seien sie angehoben worden. "Unsere Gäste haben dafür Verständnis." Unwägbar bleibe die Situation dennoch. Was Herbst und Winter allein wegen der Energiepreise an Mehrkosten bringen werde, sei noch gar nicht abzusehen. Trotzdem versuche sie, zuversichtlich zu bleiben, sagt Corinna Bosch. Nach einem zuversichtlichen Ansatz klingt es auch im "Havenhaus". "Wir müssen jetzt genauer kalkulieren und beim Einkauf genauer hinschauen", sagt Philipp Thiekötter. Zumal das Lokal viele seiner Produkte frisch einkaufen müsse. Er denke darüber nach, ob er bei der Lagerung der Produkte etwas verändern könne, blickt der Gastronom voraus. Und über die Speisekarte könne das Havenhaus auch reagieren. "Die wechselt bei uns ohnehin regelmäßig."

Zur Sache

Die Preissteigerungen hätten inzwischen ein Niveau erreicht, das von den Gastronomen schwer aufzufangen sei, sagt Nathalie Rübsteck, Hauptgeschäftsführerin des Dehoga-Fachverbands Bremen. Vor allem mit dem gestiegenen Bierpreis sei es "extrem schwierig", weil die Preiserhöhung nicht für den Einzelhandel gelte. Das unterschiedliche Preisgefüge werde die Gäste vermutlich irritieren.

Gerade die Bierpreiserhöhung stoße bei den Gastronomen auf, lenkt Nathalie Rübsteck den Blick auf "Wirtschaftsnachrichten, nach denen die Brauereien im ersten Quartal einen Gewinn gemacht haben". Gastronomen müssten nun "regelmäßig gut und vernünftig kalkulieren", rät die Hauptgeschäftsführerin.

Carsten Köpke, Schriftführer des Dehoga-Fachverbands Bremen-Nord, blickt pessimistisch in die Zukunft, wenn er an "die kleinen Betriebe" denkt und nennt die Stichworte Energiekosten und Personalmangel. Schon jetzt sei die Gastronomie in Farge und Neuenkirchen ausgedünnt. Er befürchtet, "dass viele kleine Betriebe nicht weitermachen können". usch

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