Dort, wo sich in ein paar Tagen Menschenschlangen bilden und um Einlass zum "Sommer in Lesmona" begehren werden, ist es an diesem späten Vormittag sehr still. Auf der kleinen Brücke in Knoops Park kann Frank Suplie konzentriert seinem Tagwerk nachgehen: er malt den Hohlweg. "Hier bleiben die Lichtverhältnisse lange Zeit konstant. Licht und Schatten wechseln an anderen Stellen im Park sehr schnell." Der Berliner weiß, wovon er spricht. Er ist seit 2006 dabei und derzeit einer der acht "Norddeutschen Realisten", die die Farben und Bilder Nordbremens festhalten.
Die Norddeutschen Realisten, das ist ein loser Zusammenschluss von Künstlern, die sich ein oder zwei Mal im Jahr zu sogenannten "Pleinair-Symposien" treffen. "Zumeist auf Einladung einer kulturellen Organisation, einer Galerie oder eines Museums", erzählt Till Warwas. Der Bremer freut sich, dass in den mehr als 30 Jahren Pleinair-Symposien zum ersten Mal Bremen die Anlaufstelle ist. Der sich bei dem Symposium aufs Neue konstituierende Künstlerkreis dient dazu, im Freien nach der Natur zu arbeiten. Dieses Treffen gab es 1989 zum ersten Mal, vom Maler Nikolaus Störtenbecker initiiert.
"Wir müssen allerdings auch von etwas leben", macht Till Warwas deutlich. So übernehmen die Organisatoren Kost und Logis für die Maler. Dafür präsentieren die Künstler ihre Werke als Ausstellung in den Räumen der jeweiligen Organisatoren, wo sie dann auch käuflich erworben werden können. "Katja Pourhirazi war dieses Mal die treibende Kraft", macht Till Warwas deutlich, und lobt in diesem Zusammenhang den sehr angenehmen, unkomplizierten Kontakt sowie jetzt schon die gute Ausführung. Denn auf Einladung der Overbeck Stiftung wird es in diesem Jahr zwei Symposien in der Hansestadt geben. Bis zum 15. Juni noch in Bremen-Nord, im September dann in der Stadtmitte. Beteiligt sind neben dem Bremer Till Warwas und dem Berliner Frank Suplie auch Margreet Boonstra (Niederlande), André Krigar (Berlin), Corinna Weiner (Berlin), Meike Lipp (Hamburg), Mathias Meinel (Hamburg) und Lars Möller (Hamburg).
"Ganz grundsätzlich ähnlich wie in Hamburg", gibt Lars Möller auf Nachfrage, wie ihm denn Bremen-Nord so gefällt, zurück. "In Hamburg gibt es natürlich die sympathischeren Leute und die bessere Fußballmannschaft", frotzelt Möller und erntet von Warwas ein lautes Lachen. Beide haben sich auf dem Balkon in Knoops Park positioniert und halten die andere Lesumseite im Bild fest. Gegenseitiges Necken, aber auch der Austausch unter den Malern, "das gehört dazu". Sonst sei man ja eher ein "Einzelkämpfer", erzählt Warwas. "Aber während der Plenair-Symposien pflegen wir Kontakte, zu Malern, zu Galerien, zu Fans." Denn auch davon haben die Norddeutschen Realisten mittlerweile eine ganze Reihe. "Insbesondere in Schleswig-Holsten", erzählt Warwas.
Selbstverständlich seien alle froh, wenn sie mit ihren Werken auch Geld verdienen können. Doch das sei nicht das Hauptaugenmerk. "Wir verbringen Zeit mit anderen Künstlern, profitieren gegenseitig von unseren Arbeitsweisen, aber auch von unseren Kontakten", gesteht Warwas. Und Möller stimmt zu: "Man beeinflusst sich durchaus gegenseitig." Das hat auch Frank Suplie erfahren: "Als ich das erste Mal dabei war, habe ich ganz schön viel Kritik einstecken müssen", erinnert er sich. Suplie, der mit Eitempera malt, wusste nicht, dass dieses auch draußen möglich ist. "Skeptisch waren anfangs auch andere." Mittlerweile klappe das wunderbar, habe er sich auf alles mögliche eingestellt. "Bei Regen werden die Farben abgedeckt, die Leinwand wird umgedreht, an der Staffel hängt ein schwerer Stein, so kann bei Sturm nichts wegfliegen – alles schon erlebt." Und Frank Suplie ist sehr froh über die vielen Tipps seiner Kollegen, auch gleich zu Beginn. "War bei meinem ersten Symposium schon beeindruckend, so beim gemeinsamen Abendessen, umringt von den vielen Werken, die über den Tag verteilt entstanden sind."
Gemeinsames Frühstück, dann Planung, wo wer malt, abends wieder gemeinsam Essen: "Das ist auch derzeit unser Tagesablauf", erzählt Warwas. Auch die Nachfragen von Spaziergängern sind nichts Ungewohntes. "Die Menschen fühlen sich oft geradezu aufgefordert, uns zu begrüßen oder anzusprechen, wenn wir in der Natur malen. Manchmal sind sie allerdings irritiert, wenn wir aufgrund des konzentrierten Arbeitens nicht sofort antworten", sagt Warwas und lacht.
Unterdessen haben sich André Krigar, Corinna Weiner und Margreet Boonstra am Bunker Valentin ihren Platz gesucht. Corinna Weiner ist fasziniert, "von dem symbolträchtigen Ort". Die malerischen Reize sieht sie an einem Stück Decke der Bunkerwand, die deutlich durch ein Einschussloch einer Bombe gekennzeichnet ist. "Da erkennt man, wie ein System zerfällt, aber auch Neues entsteht – durch die Pflanzen, die sich ihren Weg bahnen. Somit ist das doch auch ein positiver Ort", ist sie überzeugt. Am anderen Ende dieses für U-Boote angelegten Flutgrabens hat sich ihr Vater, André Krigar positioniert, und blickt durch Gitter, nimmt Licht- und Schattenverhältnisse auf. Derweil steht Margreet Boonstra auf dem Deich, hat Staffel und Malutensilien aufgebaut – und cremt sich erst einmal das Gesicht ein. "Denn das ist auch wichtig, den ganzen Tag draußen konzentriert arbeiten, da kann man sich leicht die Haut verbrennen", erzählt sie von Problemen, die schon mal einen Malkollegen ins Krankenhaus brachten.