Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Pilgerreise Dreißig Kilometer am Tag

Der 59-jährige Oliver Tiebel aus Aumund hat Anfang Juni seine Pilgerreise gestartet. Er will anderthalb Monate lang 1300 Kilometer bis ins französische Taizé laufen. Was treibt ihn an?
10.06.2022, 11:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Dreißig Kilometer am Tag
Von Fabian Dombrowski

Um etwas zur Ruhe zu kommen, lässt es sich meditieren, durch den Park spazieren oder Entspannungsmusik hören. Oliver Tiebel aus Aumund allerdings hat sich dafür entschieden, 1300 Kilometer zu wandern. Besser gesagt: zu pilgern. Am 1. Juni ist er bereits aufgebrochen. Sein Ziel: Taizé, eine kleine Gemeinde im französischen Burgund. Wenn sein Plan aufgeht, nämlich jeden Tag rund 30 Kilometer zu wandern, wird er Mitte Juli dort ankommen.

Für die Strecke nutzt er die offiziellen Jakobswege, die auch durch Deutschland führen – aber unterwegs nicht immer leicht zu finden sind, wie Tiebel in den ersten Tagen seiner Tour bereits feststellen konnte. "Ich bin hier zwischendurch schon vom Weg abgekommen, weil die Ausschilderungen gefehlt haben", sagt der 59-Jährige am Telefon. Trotz der Widrigkeiten ist er eben, nach knapp einer Woche, in Osnabrück angekommen.

Lesen Sie auch

Nun geht es weiter in Richtung Köln. Bis dorthin hat er schon vor Antritt seiner Reise geeignete Unterkünfte gebucht. "Das hat mich dann doch etwas gestresst", gesteht Tiebel, vor allem, da die Adressen und Telefonnummern im Internet teils nicht mehr aktuell gewesen seien. Auf der weiteren Strecke von Köln nach Frankreich müsse er dann spontan etwas finden, vielleicht direkt bei den Pfarrhäusern nachfragen oder auch mal bei einem Bauern in der Scheune übernachten. In Vechta etwa konnten sie ihm keine Herberge anbieten. "Da haben sie mir einfach den Schlüssel für die Sporthalle in die Hand gedrückt", sagt Tiebel. "Dort habe ich dann übernachtet, ganz allein."

Frische Luft und viel Bewegung

Pilger sind eben "wahre Improvisationskünstler", sagt Tiebel, "jeder Tag ist anders." Dass die meisten Menschen, die er auf dem Weg oder abends bei den Herbergen trifft, aber nett und hilfsbereit seien – das konnte er schnell feststellen. "Ich war eine Nacht in einer Privatherberge, da wurde ich direkt zum Abendessen eingeladen", erzählt er. Solche Erlebnisse seien für ihn immer erst einmal eine Überwindung, da er eigentlich recht "menschenscheu" sei.

Ein Pilger-Anfänger ist Tiebel, der viele Jahre als Schlosser gearbeitet hat, aber nicht. Auch sonst läuft er viel: jeden Tag mehrere Stunden, wenn möglich. "Waldbader" nennt er sich selbst. "Ich brauche die Bewegung und die frische Luft", sagt er. Nachdem er im Jahr 2016 bei einer Wanderung eher zufällig auf den Jakobsweg gestoßen war, habe er eines Nachts von Jesus geträumt, so erzählt es Tiebel. Diesen Traum habe er als Einladung verstanden: Er meldete sich daraufhin bei seiner Gemeinde in Bremen-Nord, sei dort mit der Zeit "hineingewachsen", und pilgerte über den klassischen Jakobsweg von den Pyrenäen nach Santiago de Compostela. Da ihm der jedoch zu überfüllt gewesen sei, wolle er es nun noch einmal mit einer anderen Strecke probieren.

Lesen Sie auch

Für die jetzige Reise hat ihm der Vegesacker Pastor Volker Keller sogar den Reisesegen gegeben. "Das war natürlich aufregend", sagt Tiebel. "Dann hat der Pastor mir noch das Mikro in die Hand gedrückt und ich sollte der Gemeinde von meinem Vorhaben erzählen." Auch wenn ihm das Reden vor anderen Menschen manchmal schwerfällt, so hat Tiebel doch eine Botschaft: Hoffnung verbreiten. "Gerade in diesen Zeiten braucht es mehr Verständnis zwischen den Völkern", meint er. Die französische Gemeinde Taizé sei dafür auch ein Symbol. In Taizé befindet sich ein christliches Begegnungszentrum, zu dem Menschen aus aller Welt kommen. Vor allem Jugendliche sollen dort an Religion herangeführt werden.

Leben ohne Luxus

Wenn Tiebel in Taizé ankommt, möchte er noch eine Woche in der Gemeinde bleiben, gemeinsam mit seiner Verlobten, die per Zug anreisen wird. "Der Ort zeigt mir, dass der Mensch eigentlich keinen Luxus braucht." Alles sei dort einfacher und rustikaler gehalten. "Da ist der Kaffee auch mal lauwarm und mittags bekommt man eine Kelle Reis aufs Tablett gehauen", erzählt Tiebel und lacht. Doch fehlen würde ihm dort nichts.

Lesen Sie auch

Auch auf dem Pilgerweg hat Tiebel nur wenig Dinge dabei, er will seinen Rucksack so leicht wie möglich halten. Neben ein paar Kleidungsstücken hat er noch einen Erste-Hilfe-Beutel eingepackt, Blasenpflaster, Taschenmesser, eine Stirnlampe. Trotzdem habe er bereits Rückenschmerzen bekommen, auch seine Füße spüre er. "Ich bin abends so kaputt, dass ich oft schon um 20 Uhr einschlafe." Die Etappen startet er meist um sieben Uhr morgens, da habe er die meiste Energie. Andere Pilger hat er bisher kaum getroffen, er vermutet aber, dass es in Frankreich dann voller werde. "Das wird dann auch wieder Abenteuer pur", erzählt er. "Ich spreche weder Englisch noch Französisch." Doch er habe ein großes Grundvertrauen, dass am Ende alles gut gehen wird.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)