Was an den Ölgemälden von Ansgar Skiba sofort ins Auge springt, ist ihr extrem pastoser, bewegter Farbauftrag: Er verleiht den Gemälden eine dreidimensionale Struktur und drückt zugleich die Energie von Natur aus, die ständig in Bewegung ist, auch wenn viele Prozesse extrem langsam ablaufen. „Der dicke Farbauftrag entsteht, weil ich mit allen zehn Fingern male und keine Pinsel benutze“, sagt Ansgar Skiba.
Unter dem Titel „Natur“ zeigt das Overbeck-Museum Ölbilder und Zeichnungen des 1959 in Dresden geborenen Künstlers. Blumen und Gärten, aber auch kaum vom Menschen beeinflusste Natur, wie die Nordseeküste oder Landschaften auf Island oder in Norwegen, bilden die wichtigsten Motive der Bilder dieser Ausstellung.

Zwei Besucherinnen schauen sich das Bild "Garten bei Nacht" aus 2010 von Ansgar Skiba an.
In den Werken von Ansgar Skiba wird die Natur nicht abgebildet, sondern kommt in ihrer Bewegtheit zum Ausdruck: So werden die Dahlien zu einem Gewoge aus Rot, Grün und Weiß, bildet pastose Farbe das Gewoge der Wellen eines Bergsees und Strukturen der schneebedeckten Gipfel nach. Wie in der Natur entstehen Durchdringungen, Verschmelzungen und Separationen. Und wenn das Sonnenlicht durch die Fenster der Galerie fällt, leuchten die farbenfrohen Bilder noch stärker auf.
„Die Bilder von Ansgar Skiba passen hervorragend zu unserem Haus, weil er wie Fritz Overbeck ein Freilichtmaler war und außerdem am selben Ort studiert hat“, sagt Katja Pourshirazi, Leiterin des Overbeck-Museums. Ansgar Skiba absolvierte zunächst an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden sein Studium und setzte es nach seiner Ausreise in die BRD an der Düsseldorfer Kunstakademie fort, an der knapp 100 Jahre zuvor auch Fritz Overbeck die Malerei erlernt hatte.
Augenblick im Wandlungsprozess
„Man ist überwältigt von der Wucht und Dynamik der Bilder, die Werden und Vergehen zeigen – so ist Natur“, sagt Katja Pourshirazi bei der Eröffnung der Ausstellung und geht dabei mit tiefsinnigen Gedanken dem Verhältnis zwischen Natur und Kunst nach: Metamorphosen, ständige Verwandlungen seien für die Natur, zu der wir Menschen schließlich gehören, charakteristisch. Auch in der Gesellschaft drücke sich dieses Geschehen aus, indem wir ständig Platz machen für neue Themen. „Dass alles, was wir sehen, ständig in Bewegung ist, erkennt die Kunst von Ansgar Skiba an und drückt es in Bildern aus“, sagt die Leiterin des Museums, „denn er schafft keine statischen Werke, sondern zeigt den Augenblick innerhalb eines Wandlungsprozesses: Dinge verlieren ihre Festigkeit, sie schäumen oder spritzen.“ Damit hätte die Kunst von Ansgar Skiba Verwandtschaft mit der von Lovis Corinth (1858 bis 1925), bei dem die Bewegtheit der Bilder jedoch aus dem Wechselspiel von Maler und Motiv entstehe. „Bei beiden Künstlern herrscht eine Dynamik wie auf der Oberfläche eines bewegten Gewässers“, sagt Katja Pourshirazi.
Eine Demutshaltung, die aus der Erkenntnis erwächst, dass die Natur etwas Größeres ist als wir, hat Skiba wiederum mit Fritz Overbeck gemeinsam. Und in dem Gefühl der Erhabenheit, das die Natur vermitteln kann, komme es zu einer Selbstüberschreitung, bei der auch der Tod seine Bedeutung verliert. Paradox gehe von den Bildern Ansgar Sikbas zugleich Großzügigkeit, Bewegtheit und Üppigkeit, aber auch eine große Ruhe aus – vielleicht, weil die Werke selbst an den ständigen Metamorphosen der Natur teilhaben, zu der Stillstand durch den Tod notwendig dazugehört – er macht die ewige Verwandlung der Formen und Gestalten erst möglich.

Eine Besucherin schaut sich das Bild "Blumen" aus 2014 von Ansgar Skiba an.
In seinen Zeichnungen, die mit Tusche und Silberstift entstehen, arbeitet der Künstler ausschließlich mit Linien, die sich jedoch verdichten oder überlappen und zum Beispiel bei der Ansicht eines Sonnenuntergangs räumliche Tiefe und Dynamik schaffen.
Die zeitgenössische Kunst könne nicht mehr bloß abbilden, so Katja Pourshirazi, sondern sie bringe die Dynamik der Natur zum Ausdruck, in die auch der Wunsch einer Gesellschaft nach Wandlung eingebettet ist. „Unter der Oberfläche ist alles in Bewegung“, sagt Katja Pourshirazi – und dies gelte für Kunst wie Gesellschaft gleichermaßen. Der Künstler Ansgar Skiba habe das Wesentliche an der Natur, die unsere Gegenwart, aber auch unsere Zukunft sei, in seinen Bildern festgehalten.
Ansgar Skiba berichtet während der Ausstellungseröffnung, dass ihn die Natur seelisch stabilisiert habe, zum Beispiel als er zu DDR-Zeiten der einzige Schüler in der Klasse gewesen sei, der den Kriegsdienst verweigert hat. Was ihm die Natur bedeutet – Versenkung, Selbstfindung und heilsame Berührung mit der Welt - versuche er in einem Verinnerlichungsprozess zum Ausdruck zu bringen: „Meine Bilder sollen leuchten, als würde ein Licht von innen kommen“, sagt er.