Sie sind Akrobaten, Seiltänzer und Clowns: die Mädchen und Jungen des Kinder- und Familienzentrums Haus Windeck. Doch bevor sie sich in die Manege des Zirkus Charlie begeben konnten, haben sie eine Woche lang unter der Anleitung der Artistenfamilie Richter geübt. Während für die Kleinen der Spaß im Vordergrund steht, verfolgen die Erzieherinnen und Erzieher konkrete Ziele mit dem Projekt, die Teil der pädagogischen Arbeit sind.
Welchen Nutzen so eine Zirkuswoche für die Kinder hat, konnten die Einrichtungsleiterinnen Susanne Killing und Mareike Prigge bereits bei der ersten Auflage vor drei Jahren feststellen. "Es gab den unglaublichen Effekt, dass die Kinder viel selbstsicherer und selbstbewusster waren", erzählt Killing. Pandemiebedingt war es damals jedoch nicht möglich, eine Vorstellung vor Familie und Freunden zu organisieren. Das ist in diesem Jahr anders. "Dadurch ist der Anspruch noch mal höher", sagt sie. "Und der Druck natürlich auch." Trotzdem hat die Pädagogin beobachtet, wie die Kleinen strahlen. "Das gelingt uns sonst im pädagogischen Alltag so nicht", schildert Killing. "Es geht um das Erfahren des Selbstwertes: Wie fühlt es sich an, wenn ich bei dem Zirkusdirektor auf den Schultern stehe und sehe – ich kann das und habe überhaupt keine Angst."
Auch wenn das Projekt – mit Ausnahme der Krippenkinder – allen Mädchen und Jungen der Einrichtung offensteht, profitieren die Vorschulkinder ganz besonders davon. "Was muss ich tun, um ein Tiger zu sein, welche Bewegungsabläufe braucht es da: Diese Fokussierung auf die Konzentration kommt den Kindern schon sehr zugute", sagt die Einrichtungsleiterin.
"Die Kinder lernen aber auch, frei zu sprechen", ergänzt Mareike Prigge. "Das ist gerade bei unseren Kindern, die teilweise kein Deutsch können, etwas Aufregendes und etwas Schweres." Darüber hinaus gibt es in der Einrichtung einige Mädchen und Jungen, die unter einer Autismus-Spektrums-Störung leiden. "Bei ihnen sehen wir, dass sie ganz große Fortschritte machen", sagt die Pädagogin. "Die Kinder laufen zum Beispiel über ein Seil und sind dabei an der Hand einer fremden Person. Das ist schon ein toller Entwicklungsschritt." Und wer auf einem Seil steht, arbeitet zugleich auch an seiner Motorik. "Eigentlich werden alle Sinne und Förderbereiche geschult", erklärt sie.
Auch wenn der Zirkus selbst nur für fünf Tage auf dem Gelände des Kinder- und Familienzentrums gastiert, beschäftigt die Gruppen das Thema auch darüber hinaus. "Im Vorfeld haben wir uns entsprechende Literatur angeschaut und mit Kamishibai, einem japanischen Papiertheater, gearbeitet", berichtet Killing. So konnten sämtliche Details, etwa wie eine Ballerina aussieht, erarbeitet werden. Darüber hinaus gab es für die Kleinen erste Jonglage-Einheiten. "Nach der Zirkuswoche schauen wir uns Fotos und Videos an, die die Kolleginnen und Kollegen gemacht haben", schildert sie. Auf diese Weise werde das Projekt nachbereitet.
Die Zirkuswoche ist aber nicht das einzige Projekt, das es im Lauf des Kindergartenjahres im Kinder- und Familienzentrum Haus Windeck gibt. So steht im Herbst bereits das nächste an. "Einmal im Jahr kommen Miethühner zu uns", erzählt Prigge. Das Angebot läuft parallel zur Eingewöhnungsphase, die manche Kinder als Herausforderung erleben. "In dieser Situation ist es schon ganz schön für die Kinder, wenn sie Kontakt mit den Hühnern knüpfen können", sagt sie. "Das ist manchmal einfacher als mit Gleichaltrigen oder Erwachsenen." Darüber hinaus kümmern sich die Kleinen aber auch um die Pflege der Tiere und sammeln deren Eier ein. So lernen sie zeitgleich, wo Lebensmittel herkommen.
Um solche Projekte realisieren zu können, ist die Einrichtung allerdings auf Hilfe angewiesen, betont Killing. "Wir haben das große Glück, dass wir einen Sponsor haben, der uns unterstützt." Ohne ihn sei die Zirkuswoche in Grohn nicht möglich gewesen.