Beobachter sprechen von "Frust“, „hausinternen Problemen“ und sogar von einem „Management-Problem“. Offiziell heißt es: Wladimir Pauker, Chefarzt der Geburtsklinik, möchte sich beruflich verbessern, wechselt deshalb an ein Klinikum nach Rotenburg an der Wümme. „Wir schätzen uns sehr und gehen im Guten auseinander. Wir wollen Doktor Pauker nicht im Weg stehen und wünschen ihm alles erdenklich Gute auf seinem weiteren Lebensweg“, so Timo Sczuplinski, Sprecher der Klinik-Dachgesellschaft Gesundheit Nord.
„Das ist wie im Fußball“, sagt Wladimir Pauker. „Jürgen Klopp war bei Borussia Dortmund auch glücklich und hat den Verein trotzdem verlassen. Er wollte sich weiterentwickeln. Und so ist es bei mir auch.“ Der Wechsel sei ein beruflicher Aufstieg für ihn. Die Klinik in Rotenburg habe mehr Patienten und damit auch mehr Behandlungen. „Dadurch kann ich meine Fachlichkeit weiter ausbauen und sogar in den Bereich Forschung gehen“, sagt der Mediziner.
Nachfolger schon im Gespräch
Als Nachfolger soll nach Informationen der NORDDEUTSCHEN der Klinikdirektor der gynäkologischen Abteilung am Klinikum Mitte im Gespräch sein, der damit für zwei Stationen zeitgleich zuständig wäre. Dem widerspricht Timo Sczuplinski allerdings vehement. „Von einem Aderlass kann nicht die Rede sein.“ Die Stelle sei seit Anfang des Monats ausgeschrieben. „Es gibt bereits einige interessante Bewerbungen“, sagt Sczuplinski. Das ist auch ein Zeichen für den guten Ruf der Frauenklinik als eine der großen und wichtigen Fachkliniken in Norddeutschland in diesem Bereich.“
Laut Sczuplinski haben sich weitere Ärzte der Geburtsklinik neue Aufgaben gesucht. „Das sind allerdings ganz normale Vorgänge. Es ist Usus, dass Mitarbeiter auch mal wechseln, um durch neue Aufgaben, neue berufliche Eindrücke gewinnen zu können. Das hat nichts mit dem Weggang von Doktor Pauker zu tun“, so Sczuplinski.
Für andere, die sich mit der Geburtshilfe in Bremen-Nord beschäftigten, ist der Weggang Paukers und weiterer Mediziner hingegen „ein schwerer Schlag“. Viele Mitarbeiter zeigten sich schwer erschüttert über diese Nachricht, und immer öfter drehe sich das Zwiegespräch der Kollegen – auch auf der Geburtshilfestation – um die allgemeine Situation im Klinikum Bremen-Nord. Namentlich genannt werden möchte mit diesen Aussagen niemand, dennoch ist die Rede auch von veralteten Materialien; von innovativen Ideen, die ausgebremst würden; von Material-Anforderungen für die Geburtenklinik, die zumeist abschlägig beschieden würden.
Als Vergleich wird von den Kritikern dazu das Klinikum Links der Weser angeführt, in dem Materialanforderungen ohne Probleme bewilligt würden. „In der Geburtenhilfe herrscht im Klinikum Links der Weser ein völlig anderer Geist“, bestätigt dazu eine Hebamme. Bei entsprechenden Anforderungen werde im Klinikum Links der Weser meist zugestimmt, im Klinikum Bremen-Nord „beißen die Mitarbeiter auf Granit“.
Früchenversorgung weiterhin gesichert
Das führe letztendlich zu Frust, schließlich tauschen sich die Mitarbeiter im Klinikum Links der Weser und im Klinikum Bremen-Nord untereinander aus. Denn es gibt ein Abkommen zwischen den beiden Kliniken. Frauen mit Spontangeburten werden laut Gesundheit Nord sofort, rund um die Uhr versorgt. Da dieses keine der beiden Kliniken ständig anbieten kann, teilen sie sich die Bereitschaftszeiten. Eine Woche im Klinikum Bremen-Nord, eine Woche im Klinikum Links der Weser. „Keine Frau, die mit Wehen kommt, muss sich Sorgen machen, weggeschickt zu werden“, betonte Sczuplinski schon im August, als es um die geplante wissenschaftliche Bewertung der Frühchenversorgung im Land Bremen ging.
Dabei gibt es neben dem Kampf um den Erhalt der Frühchenversorgung am Klinikum Bremen-Nord mit dem Weggang des Chefarztes der Geburtenklinik in Bremen-Nord zum Ende diesen Jahres ein weiteres Problem. „Er ist ein hervorragender Arzt mit vielfältigem Wissen, der sich zu jeder komplizierten Geburt einfand, um zu helfen. Es gibt nicht so viele Ärzte mit dieser Erfahrung und diesem Engagement“, heißt es seitens eines Mitarbeiters der Geburtenklinik in Bremen-Nord.
„Das ist ein großer Verlust für Bremen-Nord“, macht auf Nachfrage auch der Kinderarzt im Ruhestand, Jürgen Bachmann, deutlich. „Doktor Pauker genießt einen sehr guten Ruf“, weiß Bachmann, der auch schon persönlich mit der ruhigen und versierten Art des Facharztes in Kontakt gekommen sei. „Auf jeden Fall möchte ich mit ihm noch einmal ein persönliches Gespräch führen“, kündigt Bachmann im Gespräch mit unserer Zeitung, denn auch er argwohnt, dass der Wechsel nicht allein aufgrund persönlicher Belange geschehe. „Inwieweit dieses die Aktion ,Kindgerecht‘ berührt, möchte ich natürlich im persönlichen Gespräch klären“, hat sich Jürgen Bachmann vorgenommen.
Die Initiative setzt sich vehement für den Erhalt der Frühchenversorgung in Nord ein. Sollten tatsächlich die vermuteten Gesundheits- oder Personalprobleme im Hintergrund eine Rolle spielen, dann wolle auch die Initiative dazu beitragen, kritische Punkte zu beleuchten und kreativ und konstruktiv an Veränderungen mitzuwirken. „Damit nicht der nächste Chefarzt der Geburtenklinik frustriert das Haus verlassen muss.“
Wladimir Pauker verlässt das Klinikum Bremen-Nord mit einem lachenden und einem weinenden Auge. „Ich habe viel entwickeln können und sehe meine Zeit hier nur positiv“, sagt er. Dazu zähle etwa, dass er die Zahl der stationär behandelten Patienten binnen weniger Jahre verdoppeln konnte. „Außerdem haben Patientenbefragungen ergeben, dass wir die beste Frauenklinik im Land Bremen sind“, berichtet Pauker. „Die Klinik hat Potenzial nach oben“, sagt Pauker aber auch. Sein Nachfolger könne übernehmen, was er aufgebaut hat.
Ein großes Team
Zum Team der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe gehören 20 Ärztinnen und Ärzte, teilt Timo Sczuplinski, Sprecher des Klinikums Bremen-Nord mit. Darüber hinaus gehören dazu 85 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestehend aus Gesundheits- und Krankenpflege, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, Hebammen, Pflegehelfern und Medizinischen Fachangestellten.