Die Aktion "Kindgerecht" um den Kinderarzt im Ruhestand Jürgen Bachmann kämpft weiter. Sie möchte sich an der geplanten wissenschaftlichen Bewertung der Frühchenversorgung im Land Bremen beteiligen. Die Initiatoren wollen ihr Engagement für den Erhalt der Frühchenversorgung am Klinikum Bremen-Nord fortsetzen.
SPD, Linke und Grüne haben eine wissenschaftliche Überprüfung der Frühchenversorgung im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt. Nun setzt sich auch die Bürgerschaftsfraktion der CDU für eine neue Gesamteinschätzung der Situation ein. Unter der Überschrift "Wie wird die perinatologische Zukunft im Klinikum Bremen-Nord zukünftig sichergestellt?" haben die Christdemokraten eine Reihe von Fragen an den Senat formuliert. Die Perinatologie ist ein Teilgebiet der Medizin, das sich mit den Gefährdungen für Mutter und Kind in der Zeit vor der Geburt beschäftigt.
Hintergrund ist das Vorhaben, die Versorgung von frühgeborenen Babys im Eltern-Kind-Zentrum am Klinikum Bremen-Mitte zu konzentrieren. Wie berichtet, hatten sich die Initiative "Kindgerecht", der Regionalausschuss der Nordbremer Beiräte und der Wirtschaftsrat Bremen-Nord gegen diesen Plan gestellt, weil er den teilweisen Abzug der Frühchenversorgung vom Klinikum Bremen-Nord mit sich bringen würde.

Jürgen Bachmann
Die Verringerung der neonatologischen Versorgung am Klinikum Bremen-Nord sowie am Klinikum Links-der-Weser war vor allem mit einer Steigerung der medizinischen Versorgungsqualität, einer Verbesserung des Personaleinsatzes sowie der geburtshilflichen Versorgung mit Kreißsälen begründet worden.
Die Aktion "Kindgerecht" hatte Unterschriften für eine Petition gesammelt. Knapp 9600 waren zusammengekommen – innerhalb von nur vier Wochen. Auch nach Abschluss der Aktion sind laut Bachmann weitere Unterschriftenlisten eingegangen, sodass es mittlerweile mehr als 10 000 Menschen sind, die sich für den Erhalt der Frühchenversorgung am Klinikum Bremen-Nord einsetzen. Zu den Unterzeichnern gehörten neben Nordbremern auch Eltern, Mediziner und Pflegekräfte aus Lemwerder, Ritterhude und Schwanewede.
In diese Woche haben sich Jürgen Bachmann und seine Mitstreiter getroffen und über die Agenda für die nächsten Monate gesprochen. Zunächst will sich die Initiative mit der neuen Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) und deren Stellvertreterin, Staatsrätin Silke Stroth, in Verbindung setzen und sie über die Forderungen von "Kindgerecht" informieren. Des Weiteren steht die Vorbereitung auf die Verhandlung im Petitionsausschuss an. Bachmann rechnet mit einem Termin im Herbst.
Sollte es zu einer wissenschaftlichen Bewertung der Frühchenversorgung in Bremen kommen, würden die Initiatoren von "Kindgerecht" gerne daran mitwirken, so Bachmann. Es sei beispielsweise wichtig, darauf zu gucken, ob die Geburtenzahl am Klinikum Bremen-Nord durch eine Reglementierung beeinflusst wird. Nach Angaben von Timo Sczuplinski, Sprecher der Krankenhausgesellschaft Gesundheit Nord, gibt es bei der Zahl der Geburten für das Klinikum Bremen-Nord kein festes Kontingent. Im Jahr 2018 kamen dort insgesamt 2196 Kinder auf die Welt, im Jahr 2017 waren es 2213, 2016 wurden im Nordbremer Krankenhaus 2096 Kinder geboren und 2015 insgesamt 1805 Kinder.
Ein gewisser Anteil, etwa 30 Prozent, der schwangeren Frauen komme ohnehin unangemeldet ins Krankenhaus und werde dann natürlich auch versorgt. "Keine Frau, die mit Wehen kommt, muss sich Sorgen machen, weggeschickt zu werden", betont Sczuplinski. Lediglich die Zahl der Voranmeldungen, die angenommen werden, sei festgelegt – auf 120 Geburten pro Monat. Davon ausgenommen seien jedoch Risikoschwangere, die sich laut Sczuplinski immer anmelden können. Genau das, befürchtet, Bachmann, könnte sich jedoch ändern, wenn im Klinikum Bremen-Nord keine sogenannten Level-II-Kinder mehr versorgt werden.
In der Einteilung der Frühgeborenen umfasst der Level II Schwangere, die ein Baby mit einem Gewicht zwischen 1250 und 1499 Gramm erwarten, meist von der 29. bis zur 31. Schwangerschaftswoche. Level I bezeichnet die Babys unter 1250 Gramm, Level III über 1500 Gramm. Im Jahr 2018 wurden im Klinikum Bremen-Nord 34 Kinder in der 29. bis 31. Schwangerschaftswoche geboren, fünf in einer noch früheren Schwangerschaftswoche. Insgesamt 16 Kinder wogen zwischen 1250 und 1499 Gramm (Level II), 15 Kinder weniger als 1250 Gramm (Level I).
Bei Schwangeren, die beispielsweise Diabetes oder eine schwangerschaftsbedingte Erkrankung wie das Hellp-Syndrom haben, das betont Jürgen Bachmann, besteht das hohe Risiko, dass ihr Kind zu leicht oder zu früh auf die Welt kommt. In diesen Fällen wird das Kind automatisch als Level-II-Kind eingruppiert – ganz unabhängig von Woche und Gewicht. "Derzeit können sich diese Frauen im Klinikum Bremen-Nord zur Geburt anmelden. Sollte die Level-II-Versorgung hier nicht mehr angeboten werden, müssten sie nach Bremen-Mitte gehen. Das bedeutet für die Frauen großen Stress, obwohl Stressreduktion in dieser Situation besonders wichtig ist."
Auch das vorgesehene Kontingent an Versorgungsplätzen für Frühgeborene am Klinikum Mitte muss nach Meinung von Bachmann noch einmal genau betrachtet werden. Sie gehen davon aus, dass weder die Zahl der geplanten Plätze reichen wird, noch die der Kräfte, die sich um die Kinder kümmern sollen. Als Beispiele für Städte, die eine weitaus größere Kapazität bereithalten, nennt Bachmann Oldenburg, Münster und Hannover. "Das Argument uns gegenüber lautete immer wieder, diese große Kapazität werde nicht benötigt."
Die CDU nimmt in ihrer Anfrage dieselben Themen in den Fokus. Die Christdemokraten verweisen darauf, dass durch steigende Geburtenzahlen einerseits und eine sinkende Zahl an Kliniken im niedersächsischen Umland andererseits insbesondere am Klinikum Bremen-Nord in den vergangenen Monaten eine neue Situation entstanden sei.