„Der Frust in unserem Arbeitsalltag ist groß“, sagt Christoph Bannert. So groß, dass sich der Vegesacker Apotheker ebenso wie nahezu alle seine Kolleginnen und Kollegen in Bremen-Nord sowie in Schwanewede mit ihrem Personal an einem bundesweiten Protesttag beteiligen, der für kommenden Mittwoch, 14. Juni, geplant ist. Damit wollten die Apothekeninhaber ihrer Kritik an Personalnot, überbordender Bürokratie, Lieferengpässen und andauernder Unterfinanzierung Nachdruck verleihen, sagt der stellvertretende Vorsitzende des Bremer Apothekerverbands, Thomas Real.
In Bremen und Bremerhaven gibt es nach Auskunft des Apothekerverbands 135 Apotheken, davon 23 in Bremen-Nord (Stand Ende 2021). Seit 2010 sind im kleinsten Bundesland 49 Apotheken geschlossen worden, davon neun in Bremerhaven und fünf im Norden der Hansestadt. Der Aderlass ist also unübersehbar und macht nach den Worten von Christoph Bannert sowie seines Schwaneweder Kollegen Tarek El Kharbotly die gegenwärtige Misere deutlich. Die Arzneimittelversorgung in Deutschland, heißt es auch in einer Pressemitteilung der Schwaneweder Tarek El Kharbotly und Martin Busse, stehe massiv unter Druck. Dafür sei das sich verstärkende Apothekersterben ein deutlicher Beleg. Im vergangenen Jahr habe täglich mehr als eine Apotheke in Deutschland ihre Tür für immer geschlossen.
Stagnierende Honorare bei steigenden Kosten
Thomas Real nennt dafür einen gewichtigen Grund: Seit zehn Jahren seien die Honorare für der Apotheker und Apothekerinnen unverändert geblieben, die Sach- und Personalkosten zum Beispiel für Energie und Tariflöhne aber erheblich gestiegen. Deshalb müsse das Apothekenhonorar (Fixum), das seit 2013 auf 8,35 Euro pro rezeptpflichtiges Arzneimittel festgelegt wurde, auf zwölf Euro erhöht werden. Dass die Vergütung der Apotheken in Deutschland von Inflation und Lohnentwicklung abgekoppelt sei, ist nach Reals Worten nicht nur unfair, sondern schade auch der wohnortnahen Arzneimittelversorgung. Ergänzt Christoph Bannert: „Allein unsere Personalkosten sind in den vergangenen Jahren um rund 40 Prozent gestiegen.“
Zusätzlich zum sogenannten Fixum fordert der Bremer Apothekerverband eine „Vorhaltepauschale“ für jede Betriebsstätte. Das sei unerlässlich, um den massiven Rückgang von Betriebstätten insbesondere in strukturschwachen Regionen zu stoppen. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Apotheken müssen aus Sicht ihrer Inhaber schließlich auch deshalb verbessert werden, um den Beruf des Apothekers wieder attraktiver zu machen und dem Fachkräftemangel wirksam zu begegnen, Dazu würde auch, sagt Thomas Real, eine schnellere Anerkennung ausländischer Ausbildungsnachweise beitragen.
Schließlich ist den Apothekerinnen und Apothekern die sogenannte Retaxierung ein Dorn im Auge. Dabei weigert sich eine Krankenkasse, der Apotheke die Kosten für ein Medikament zu erstatten, das der Kunde gegen Vorlage eines Rezeptes bereits erhalten hat. Das passiere bereits bei den kleinsten Formfehlern und bisweilen erst zwölf Monate nach Ausgabe des Medikaments, erläutert der Bremer Apothekerverband verlangt vor allem die völlige Streichung der Kostenerstattung. Die Krankenkassen verweisen hingegen auf die Arzneimittelpreisverordnung. Gründe für Retaxierungen seien oft fehlende Arztunterschriften, Missachtung von Rabattverträgen, Gültigkeitsüberschreitungen oder der Ausgabe eines Arzneimittels, das nicht im Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ausgewiesen sei.
Christoph Bannert, der in Lesum, Vegesack und Blumenthal insgesamt fünf Apotheken betreibt, rechnet damit, dass sich mehr als 90 Prozent der Apotheken in Bremen-Nord an der bundesweiten Protestaktion am 14. Juni beteiligen werden. Und sein Schwaneweder Kollege Tarek El Kharbotly ist sich mit seinem Ortskollegen Martin Busse einig, dass deren Apotheken Heidkamp und Schwan am kommenden Mittwoch geschlossen bleiben. Dem Streik anschließen wird sich auch die Hammersbecker Apotheke in der Georg-Gleistein-Straße 93, 28757 Bremen. Dagegen soll die Zentrum-Apotheke in der Blumenthaler Straße 5 geöffnet sein, weil sie an diesem Tag zum Notdienst auch für die Bürger in Bremen-Nord verpflichtet ist. Besser sei es jedoch, so El Kharbotly, nicht an diesem Tag zu kommen, sondern sich notwendige Medikament vor oder nach dem 14. Juni zu besorgen.