Die Zukunft des Programms „Schlichten in Nachbarschaften“, das vom Täter-Opfer-Ausgleich in der Grohner Düne angeboten wird, ist ungewiss. Bisher bekam die Initiative jährlich rund 13 000 Euro aus dem Fördertopf „Wohnen in Nachbarschaften“ (Win), um Streitigkeiten in Schlichtungsverfahren zu klären. Bewilligt sind die Gelder derzeit aber nur bis zum 31. März. Deshalb sollte der Fortbestand des Projektes eigentlich während der jüngsten Sitzung des Win-Forums gesichert werden, indem Fördergelder in Höhe von 8900 Euro für den Zeitraum April bis Dezember 2020 freigegeben werden. Doch die Entscheidung wurde vertagt.
Bewohner und Vertreter verschiedener Institutionen haben hitzig über die Notwendigkeit der Schlichtungsstelle diskutiert. Die Menschen, die in der Grohner Düne leben, halten das Projekt unter anderem deshalb für nicht förderungswürdig, weil sie von der Arbeit des Täter-Opfer-Ausgleichs in ihrem Quartier nichts mitbekommen würden. „Dass die Bewohner in das Projekt nicht eingebunden werden, liegt in der Natur der Sache. Es gibt so etwas wie Datenschutz. Wenn sich zwei Personen streiten, ist das nichts, was im Bewohnercafé besprochen werden kann. Das verbietet sich“, sagte Thomas Kötteritzsch, zuständig für den Kontaktdienst im Polizeikommissariat Nord. „Aus Polizeisicht kann ich nur sagen, dass wir das Projekt 'Schlichten in Nachbarschaften' für sehr wichtig halten, weil es hier um den niedrigschwelligen Bereich unterhalb von Straftaten geht, bevor Dinge eskalieren.“
Das Projekt war bereits Anfang des Monats Thema im Vegesacker Ausschuss für Soziales, Prävention und Integration. Während der Sitzung vor drei Wochen sagte Grohns Quartiersmanager Christian Ganske: „Die Idee hinter Win ist, Projekte zu fördern. Da ist auch eine innovative Komponente dabei.“ Deshalb sei es nicht möglich, „Schlichten in Nachbarschaften“ permanent mit Win-Geldern zu finanzieren. „Dementsprechend würde ich es sehr begrüßen, wenn das Ressort eine Regelfinanzierung übernehmen würde“, sagte Ganske.
Danach sieht es derzeit aber nicht aus, wie Vegesacks Ortsamtsleiter Heiko Dornstedt während der Sitzung des Win-Forums deutlich machte. „Der Beirat Vegesack hat bereits im vergangenen Jahr einen Antrag an den Haushaltsgesetzgeber gerichtet, dass die Förderung des Programms 'Schlichten in Nachbarschaften' über den Haushalt finanziert wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass das in den kommenden zwei Jahren passiert, ist leider sehr gering“, sagte Dornstedt. Deshalb sprach er sich dafür aus, dass die Schlichtungsstelle so lange, bis die Finanzierung nicht über den Haushalt der Stadt geregelt ist, weiter Gelder aus dem Win-Topf bekommen soll. „Das Projekt ist von großer Bedeutung für die Grohner Düne und deshalb unterstützen wir als Ortsamt die Schlichtungsstelle nachdrücklich. Ich möchte nicht erleben, wenn dieses Projekt nicht mehr durchgeführt werden würde, vor welcher Situation wir dann in der Grohner Düne stehen“, sagte Dornstedt.
Kritik vom Quartiersmanager
Quartiersmanager Christian Ganske kritisierte, dass es vonseiten des Täter-Opfer-Ausgleichs zu wenig Bewegung gäbe, um die Angelegenheit zu klären. „Ich bin für das Projekt, aber ich bin auch für Verhältnismäßigkeit“, machte Ganske deutlich. „Wir haben hier in der Grohner Düne 2000 Bewohner. In Lüssum-Bockhorn und in Kattenturm leben vier bis fünf Mal so viele Menschen, die Förderung ist aber identisch. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass es hier einen Kompromiss beziehungsweise ein Angebot vonseiten des Täter-Opfer-Ausgleichs gibt.“
„Wir haben bereits gut 1200 Euro als Eigenmittel eingebracht“, sagte Frank Winter, fachlicher Leiter des Täter-Opfer-Ausgleichs. „Wir können vielleicht noch auf 800 Euro verzichten.“ Allerdings sehe er keinerlei Zeichen für einen Konsens. „Wenn das hier nicht gewollt ist, ist es besser, diese Wahrheit auszusprechen, als dass wir uns hier gegenseitig die Zeit stehlen“.
Ob die Gelder für ein Projekt bewilligt werden, wird von den Teilnehmern des Win-Forums entschieden, das allen Bürgern offen steht. Einen Konsens, ob die Schlichtungsstelle auch über den 31. März hinaus mit Win-Mitteln gefördert werden soll, konnte trotz der Diskussion im Bewohnertreff nicht gefunden werden. Auf Vorschlag von Christian Ganske und Burckhard Radtke, Leiter des Sozialzentrums Nord, wurde die Entscheidung vertagt. „Ich biete an, dass wir uns bei mir im Amt für Soziale Dienste treffen und ich sämtliche Verantwortliche hinzuziehe. Ich werde mich bemühen, Mittel und Wege zu finden, um Bewegung in die Sache zu bringen“, versprach Radtke.
Anders als bei der Schlichtungsstelle kam es bei dem Projekt „All in Movie“ der Arbeiterwohlfahrt direkt zu einem Konsens. Das Forum bewilligte 2050 Euro, damit sonntags im Wechsel Filmnachmittage und Pokerturniere für Jugendliche im Jugendcafé Hafen Höft veranstaltet werden können. Für diese Einrichtung wurden zusätzlich Gelder in Höhe von 7500 Euro aus dem Fördertopf „Soziale Stadt“ freigegeben. Die Summe wird dem Wohlfahrtsverband aber nur dann zur Verfügung gestellt, wenn sie den gleichen Betrag noch einmal über Globalmittel einwerben können. Mit der Förderung will die Awo aus dem Jugendcafé ein Jugendhaus machen und unter anderem ein großes Tonstudio sowie einen Fitness- und Tanzraum für die Jugendlichen im Stadtteil anbieten.
Konflikte im Quartier lösen
Das Projekt „Schlichten in Nachbarschaften“ gibt es seit dem Jahr 2002 in Grohn. Bei dem Programm, das vom Täter-Opfer-Ausgleich angeboten wird, sollen Konflikte durch Mediationen gelöst werden. Durchgeführt werden die Gespräche von einem Volljuristen, dem für seine Arbeit in der Grohner Düne 6,6 Stunden pro Woche zur Verfügung stehen. Unterstützt wird er jeweils von einem Studenten, der sein Pflichtpraktikum in der Schlichtungsstelle absolviert. Nach Möglichkeit achtet der Verein darauf, dass die Gespräche jeweils von einer Frau und einem Mann geführt werden. Die Fälle kämen von Akteuren aus dem Quartier, der Polizei oder von den Betroffenen selbst. Die Schlichtungsstelle sorge unter anderem dafür, dass der soziale Frieden im Quartier gesteigert werde und das Sicherheitsgefühl der Bewohner steige. Im vergangenen Jahr hat die Schlichtungsstelle in der Grohner Düne nach eigenen Angaben 56 Fälle abgeschlossen.