Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

4. Bremer Armutskonferenz Armut in Bremen-Nord besonders groß

Während in Grohn 58,5 Prozent aller Kinder und Jugendlichen unter 15 Jahren von Arbeitslosengeld II leben, sind es in Borgfeld nur ein Prozent. Um die Armut in Grohn zu bekämpfen, gibt es verschiedene Projekte.
06.02.2020, 17:20 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Armut in Bremen-Nord besonders groß
Von Aljoscha-Marcello Dohme

In keinem anderen Bundesland ist die Einkommensarmut so groß wie in Bremen. Das macht sich besonders in den nördlichen Stadtteilen bemerkbar, wie die vierte Bremer Armutskonferenz am Mittwoch im Konsul-Hackfeld-Haus gezeigt hat. Während 2018 in Grohn 58,5 Prozent aller Kinder und Jugendlichen unter 15 Jahren von Arbeitslosengeld II lebten, waren es in Borgfeld nur ein Prozent. Dieses Bild setzt sich auch bei der Bildung fort.

In Grohn machten 2018 6,4 Prozent aller Schüler Abitur, im Schwachhauser Ortsteil Bürgerpark lag die Quote bei 77,2 Prozent. „Trotz aller Anstrengungen des Senats und teilweise positiver Tendenzen in einigen Teilen Bremens hat sich in der Summe aller Ortsteile die soziale Spaltung in Bremen seit 2010 weiter verschärft. Wir sehen eine zunehmende Polarisierung zwischen dem Bremer Norden und Westen einerseits und dem Bremer Süden und Osten andererseits“, sagt René Böhme vom Institut für Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen.

Lesen Sie auch

Zu den Referenten zählte auch Heike Binne, die seit 30 Jahren als Quartiersmanagerin in Lüssum tätig ist. Sie verwies insbesondere auf die Situation in Kindergärten und Schulen im Ortsteil. „Wir haben seit 2013 650 Kinder und Jugendliche mehr dazubekommen, weil ab Ende 2014 der große Zuzug begann und es in Lüssum freie Wohnungen gab“, sagt Binne. „Da muss die Infrastruktur mit Kitas und Schulen mitwachsen.“ Bei den Kindergärten sei das Quartier auf einem guten Weg, die Zahl der Plätze würde an vielen Orten steigen. Anders sehe es bei den Schulen aus.

Statt eine neue Grundschule zu bauen, wie sie gemeinsam mit Carola Schulz, Quartiersmanagerin in Blumenthal, gefordert habe, würden nun die Klassen vergrößert. „Wenn man diese Koppelung von Wohnquartier und Bildungserfolg durchbrechen will, dann muss eine gescheite Kita-Ausstattung mit ausreichend Personal da sein, damit die Kinder auch integriert werden können. Außerdem sind so große Klassen mit so vielen Kindern aus so vielen Nationen und ohne Deutschkenntnisse auch nicht so gut, zumal, wenn Lehrer fehlen“, kritisiert Binne.

Lesen Sie auch

Da unter den 200 Teilnehmern der Konferenz auch viele Politiker waren, richtete Heike Binne einen direkten Appell an die Landesregierung. „Wir wünschen uns für das neue Programm 'Lebendige Quartiere' eine Sockelfinanzierung von 50 000 Euro pro Jahr für alle Quartierzentren. Dass wir unsere Arbeit machen, funktioniert nur, weil wir zum Beispiel jedes Jahr 17 Anträge an Programme schreiben, um das Personal halten und Angebote bereitzustellen zu können“, sagt Binne. „Diese Kraft würden wir lieber in Begegnungen und andere Dinge stecken.“

Getreu dem Motto der diesjährigen Konferenz, „Blick in die Quartiere“, fand das Symposium nicht nur im Konsul-Hackfeld-Haus statt, sondern auch an 17 weiteren Orten, verteilt über die ganze Stadt. In Bremen-Nord wurden verschiedene Perspektiven der Armut im Haus der Zukunft in Lüssum, im Quartierstreff Blumenthal und im Bewohnertreff Grohner Düne diskutiert und dabei auch Projekte vorgestellt.

In Grohn gibt es verschiedene Angebote, die sich mit dem Thema Gesundheit beschäftigen. „Im Prinzip sind die Faktoren, die die Gesundheit beeinflussen, fast äquivalent mit Faktoren, die Armut beeinflussen. Insofern ist die Bekämpfung von Armutsfolgen auch eine Gesundheitsförderung“, sagt Lea Oesterle, die das Projekt Kontextcheck als Fachreferentin in der Grohner Düne betreut. Das Programm hat es sich zum Ziel gesetzt, die „Lebensqualität von Kindern und deren Familien in Grohn zu verbessern“. Dabei wird analysiert, welche Angebote es im Ortsteil gibt, um dabei gegebenenfalls auch Lücken zu identifizieren, die mit entsprechenden Angeboten geschlossen werden können.

Lesen Sie auch

Dass die Grohner Düne nicht nur von Armut geprägt ist, sondern auch Chancen bietet, macht Nada Alsultan deutlich. Gemeinsam mit ihrer Familie ist sie vor fünf Jahren von Syrien nach Deutschland gekommen. „Meine Tochter studiert Pharmazie in Münster, mein Sohn Betriebswirtschaftslehre in Bremen“, erzählt sie. Drei weitere Kinder gehen noch zur Schule.

Sie alle besuchen das Gymnasium und wollen ihr Abitur machen. „Das ist mir sehr wichtig. Haben meine Kinder eine gute Arbeit, haben sie auch eine gute Zukunft“, sagt Alsultan. „Wir wollen nicht vom Jobcenter leben, sondern selbst arbeiten. Wir haben die Chance bekommen, in Deutschland zu leben, und die nutzen wir.“

Nada Alsultan hat genau wie ihr Mann studiert. In Syrien war sie als Lehrerin tätig, ihr Mann als Rechtsanwalt. Auch wenn sie in Deutschland nicht in ihrem eigentlichen Beruf arbeiten kann, einen Job hat sie sich trotzdem gesucht. Fündig wurde sie beim „Arbeit und Lernzentrum“, direkt in der Düne. Dort ist sie Mitarbeiterin des Frauencafés und betreut die Besucherinnen des Treffs.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)