Die grüne Wathose reicht dem Umweltbiologen Matthias Hein bis zur Brust. So steht er gut isoliert im Wasser, denn er betreibt ein nicht ungefährliches Unterfangen: Mit einem Käscher bringt er bis zu 500 Volt Stromspannung und eine Stromstärke von 25 Ampere in den Bach.
Im Rahmen der Reihe „Hafenwärts – Naturerkundungen im Hinterland des Vegesacker Hafens“ hatte die Ökologiestation zu einer Untersuchung des Fischarten-Vorkommens in der Schönebecker Aue eingeladen. „Der Vegesacker Hafen blickt auf eine lange Geschichte von 400 Jahren zurück, doch das ist vergleichsweise wenig, wenn man bedenkt, wie alt dieser Geestbach ist“, sagt Matthias Hein. „Denn das Gewässer ist bereits in der vorletzten Eiszeit, der Saale-Eiszeit, vor rund 200.000 Jahren entstanden.“
Es dauert nur ein paar Minuten, dann zappeln silbrig blinkende Fische im Netz: viele kleine Gründlinge, ein Flussbarsch, eine Plötze, ein großer Aland, aber auch ein Aal und sogar ein Hecht. Nicht zuletzt wimmelt eine Strecke des Bachs von jungen Fischen, die erst vor kurzem geschlüpft sind.
Zuverlässige Ergebnisse durch Elektrofischen
Durch den elektrischen Strom werden sämtliche Fische im Bach zwar nicht getötet, aber betäubt oder zumindest irritiert, ohne dass sie dabei Schaden nehmen. Zwar könne man auch mit Angeln, Käschern, Netzen oder Reusen Fische erbeuten, doch um verlässliche Zahlen über den Fischbestand eines Gewässers zu erhalten, seien diese Methoden nicht zuverlässig, so Matthias Hein. „Mit dem Elektrofischen, für das man eine Genehmigung braucht, weist man auch Fische nach, die verborgen unter Steinen oder Wurzeln leben. Denn sie werden von dem Strom angelockt und erhalten gleichsam eine Elektro-Narkose. Bis zu 90 Prozent der Fische eines Gewässers lassen sich mit dem Elektrofischen erfassen“, sagt Matthias Hein, der an der Hochschule Bremen studiert hat und ein eigenes Gutachterbüro betreibt.
Unter den Teilnehmern sehen vor allem die Kinder begeistert zu, wie Matthias Hein die Wanne voller Fische unter einen roten Sonnenschirm bringt und die Tiere anschließend in Aquarien überführt, danach die Arten bestimmt und ihre Körperlängen ausmisst, um den Altersaufbau der Populationen zu ermitteln. „Dadurch finden wir heraus, wie viele Babys, Jugendliche und Erwachsene im Gewässer leben“, sagt Matthias Hein – wichtige Indizien, um den Fortpflanzungserfolg zu beurteilen.
2007 wurde große Hürde beseitigt
Über eine Länge von rund 18 Kilometern fließt die Schönebecker Aue überwiegend durch Geest und damit an vielen Äckern entlang, bis sie in Vegesack in der Weser mündet. Eine abwechslungsreiche Gewässerstruktur mit Prall- und Gleithängen, vielen Kurven und unterschiedlichen Bodensubstraten wie Kies oder Sand sorgen für den Fischreichtum der Aue. Flachwasserzonen am Rande bilden wichtige Kinderstuben für Fische. Begradigte Fließgewässer dagegen sind dieser Strukturvielfalt beraubt und gleichen monotonen Kanälen.
Doch lange bedeutete das Schönebecker Schlosswehr eine Art Endstation für Fische, wenn sie von der Weser durch den Vegesacker Hafen in die Schönebecker Aue schwimmen wollten: „Denn um im Oberlauf des Baches zu laichen, mussten sie springen können, weil an dem Wehr rund zwei Meter Höhenunterschied zu überwinden waren“, sagt Matthias Hein. Im Jahre 2007 wurde am Wehr des Schönebecker Schlosses eine Fisch-Aufstiegstreppe in Form eines Umgehungsgerinnes eingebaut - seitdem ist eine große Hürde für Fische beseitigt.
Natürlicher Uferbewuchs würde Sandeintrag minimieren
Matthias Hein, der seit dem Jahre 2003 regelmäßig die Schönebecker Aue untersucht, hat inzwischen rund 30 Arten von Fischen und Rundmäulern nachgewiesen. Als er mit seinem Käscher sogar die Larve eines Neunauges fängt, hat er den Beweis, dass die Fischtreppe am Schönebecker Schloss wirkt: Diese wandernde, europaweit geschützt Art - kein Fisch, sondern zu den Rundmäulern gehörend – hat sich offenbar in der Schönebecker Aue erfolgreich fortgepflanzt und den Aufstieg in den Oberlauf des Baches geschafft.
Doch die Schönebecker Aue ist trotz Fischtreppe nicht frei von Belastungen: Vor allem aus den Ackergebieten der Geest kommen erhebliche Sandfrachten vor allem durch Niederschläge ins Gewässer. „Ein natürlicher Uferbewuchs aus Erlen könnte den Sandeintrag erheblich vermindern, weil das dichte Wurzelwerk der Bäume solche Sedimente festhält“, sagt Matthias Hein, und fordert deshalb, entlang der Schönebecker Aue verstärkt Randstreifen anzulegen.