Herr Jäger, einige Mitglieder des Schulschiffvereins setzen sich für den Verbleib in Vegesack ein und haben Vorschläge gemacht, wie die Einnahmesituation auch an diesem Standort verbessert werden kann. Wie stehen Sie zu dieser Initiative?
Claus Jäger: Dass Mitglieder sich Gedanken machen, wie man die Situation verbessern kann, das ist erstmal positiv. Wir haben als Vorstand volles Verständnis dafür, wenn Menschen für den Verbleib des Schulschiffes in Bremen-Nord kämpfen. Ich lebe ja selbst in Bremen-Nord und habe vor 25 Jahren mit dafür gesorgt, dass das Schiff an die Lesummündung verlegt wurde. Als Vorstand eines gemeinnützigen Vereins sind wir aber in der Pflicht, die beste Lösung für die Zukunft des Schiffes zu finden – auch wenn das emotional schwerfällt. Die Situation in Bremen-Nord hat sich in den letzten Jahren verschlechtert. Darunter leiden ja auch andere Einrichtungen. Trotz einer exzellenten Zusammenarbeit mit der Bremer Tourismuszentrale und vieler guter Ideen: Es kommen leider zu wenig Touristen nach Vegesack. Corona hat die Probleme noch verschärft. Alle Aktivitäten müssen daran gemessen werden, was unter dem Strich als Ertrag übrig bleibt. Bremerhaven bietet die Chance, mehr Menschen auf das Schiff zu locken und die Einnahmen zu verbessern. Es ist auch im Sinne der Steuerzahler, wenn dieses Denkmal möglichst ohne öffentliche Mittel erhalten werden kann.
Was müssen Sie für eine Schwarze Null erwirtschaften?
Wir haben seit Jahren einen Umsatz von etwa 100.000 Euro. Manchmal etwas mehr, manchmal etwas darunter. Wenn man die Kosten gegenrechnet, dann kommen wir – wenn wir Glück haben – auf eine Schwarze Null. In den meisten Fällen reicht es aber nicht und wir mussten Defizite durch Spenden kompensieren. Wir sind als gemeinnütziger Verein gehalten, wirtschaftliche Aktivitäten nicht mit einem Minus abzuschließen. Unterdeckungen gefährden also unsere Gemeinnützigkeit.
Sie schreiben in einem Brief an die Mitglieder, dass der Senat Ihnen finanzielle Hilfe verweigere. Es steht auch im Raum, dass dem Verein Angebote unterbreitet worden wären.
Das ist schlicht falsch. Wer das behauptet, möge es nachweisen. Es gab lediglich vage Inaussichtstellungen, keine konkreten Zusagen.
Was hätten Sie denn erwartet?
Der entstandene Verlust aus den Jahren 2018, 2019 und 2020 summiert sich auf 220.000 Euro. Das haben wir mitgeteilt und um Hilfe gebeten. Wir haben nicht verlangt, dass uns diese Summe gegeben wird. Es geht um den Verlust, der entsteht, wenn wir bis zu einem bestimmten Zeitpunkt bleiben. Außer durch Corona wird der Standort durch die Bautätigkeit weiter geschwächt. Auch der Vegesacker Beirat hat eine finanzielle Unterstützung gefordert.
Sie meinen den Hafengeburtstag im kommenden Jahr?
Ja, es gab den Wunsch, dass wir bis zum Hafengeburtstag in Vegesack liegen bleiben. Diesem Wunsch wollten wir gerne entsprechen, auch weil wir hofften, dadurch einen für beide Seiten akzeptablen Kompromiss zu finden. Unter der Prämisse, dass dieser zusätzliche Verlust ausgeglichen wird, stand die Bereitschaft bis zum Hafengeburtstag zu bleiben.

Claus Jäger.
Gilt Ihr Wort noch?
Die Prämisse dafür ist nicht erfüllt.
Und deshalb fühlen Sie sich an Ihr Wort nicht mehr gebunden?
Wir können als Vorstand nicht sehenden Auges neue Verluste entstehen lassen, wenn es eine überzeugende Lösung gibt, diese Verluste zu vermeiden.
Wie geht es jetzt weiter?
Eine Hängepartie schadet allen. Deshalb holen wir uns nun das Votum aller Mitglieder ein. Der Vorstand wird dieses Votum respektieren. Die Beteiligung aller Mitglieder ist die demokratischte Form der Entscheidungsfindung. Eine Mitgliederversammlung, an der im Wesentlichen die Mitglieder aus der näheren Umgebung teilnehmen, ist das nicht. Für den Fall, dass die Mitglieder für Bremerhaven votieren, müssen wir detailliert abklären, wie schnell eine Verlegung der „Schulschiff Deutschland“ nach Bremerhaven erfolgen kann. Es müsste in Bremerhaven auch erstmal der Liegeplatz hergerichtet werden. Der Zeitpunkt ist dann aber noch abzuklären, wie das passt.
Passt das dann mit der „lütten Sail“ zusammen oder mit dem Hafengeburtstag?
Der Hafengeburtstag ist durch die mangelnde Unterstützung durch den Senat aus der Diskussion genommen worden. Die „lütte Sail“ wäre attraktiv, weil dort viele Besucher zu erwarten sind. Aber ob die wegen Corona stattfindet, ist noch offen.
Mit welchem Konzept wollen Sie in Bremerhaven das Besucherpotenzial für sich nutzen?
Bremerhaven hat angeboten, uns als Bestandteil des Tourismuskonzeptes mit einzubeziehen. Damit gewinnen wir zusätzliche fachliche Kompetenz und können die touristische Attraktivität des Standortes für uns nutzen.
Reicht das schon?
Auch, wenn wir von der geringsten Annahme für mögliche Besucherzahlen ausgehen, dann reicht das. Das U-Boot in Bremerhaven hat über 80.000 Besucher im Jahr. Schon die Hälfte davon würde genügen. Auch unsere 62 Betten an Bord wären sicher begehrt und gut ausgelastet. Wir wollen die Verantwortung für das Schiff behalten und die erforderlichen Mittel aus eigener Kraft erwirtschaften. Nach unserer Überzeugung sind die Voraussetzungen im Lande Bremen dafür am Besten im Neuen Hafen in Bremerhaven gegeben.
Sie sind seit 1996 im Amt. Wird es in Bremerhaven auch noch den Vorsitzenden Claus Jäger geben?
Was hier geschieht, ist für uns alle eine einschneidende Zäsur. Emotional fände ich es schöner, wenn das Schiff hier bliebe. Aber wir müssen die Notwendigkeit erkennen. Wir haben gemeinsam als Mannschaft mit vielen ehrenamtlichen Helfern erreicht, dass das Schiff in einem sehr guten Zustand ist. Nach 25 Jahren liegt es nahe, die Aufgabe in andere Hände zu geben. Dieser Vorstand sieht sich aber noch in der Verantwortung, die Weichen für eine gesicherte Zukunft der „Schulschiff Deutschland“ zu stellen.
Das Interview führte Björn Josten.
Claus Jäger
wurde im Januar 2014 ehrenamtlicher Geschäftsführer des Deutschen Schulschiffvereins. Seit Mitte Oktober 1996 ist er auch Vorsitzender des Vereins.