Frau Vogt, das Areal der früheren Gläsernen Werft ist ein Lost Place, die Strandlust seit einem halben Jahr geschlossen, der Schulschiff-Verein denkt über seinen Umzug nach. Die Maritime Meile verliert massiv an Substanz. Was werden Sie dagegen tun?
Kristina Vogt: Wir unterstützen seit Jahren Projekte auf der Maritimen Meile, etwa die Erweiterung des öffentlichen WLAN-Netzes oder das neue Orientierungs- und Leitsystem in Vegesack. Investiert haben wir zum Beispiel in die Gezeitenstation, den Hafenspeicher, das Schulschiff und auch in den Vegesacker Hafen selbst. Allein die Mittel für Vegesack Marketing belaufen sich inzwischen auf rund 260.000 Euro jährlich. Insgesamt haben wir in den vergangenen drei Jahren Mittel in Höhe von rund einer Million Euro eingesetzt.
Müsste nicht die Maritime Meile als Ganzes betrachtet werden? Und wenn ja, wie sieht Ihr Konzept dafür aus?
Selbstverständlich betrachtet auch mein Ressort die Maritime Meile als Ganzes. Daher arbeiten wir insbesondere mit Vegesack Marketing und der WFB zusammen, um hier Projekte zu unterstützen. So hat Vegesack Marketing gerade in Kooperation mit Studierenden der Hochschule Bremen aus den Bereichen Angewandte Freizeitwissenschaften und Tourismus-Management eine Projektarbeit initiiert. Sie ist eine Vorstufe einer neuen Standortstrategie mit der Maritimen Meile als zentralem Thema.
Wie geht es auf dem BBV-Areal weiter, nachdem Lürssen Interesse an der Fläche signalisiert hat. Was ist dort geplant?
Das BBV-Areal ist eine strategisch wichtige Fläche zur Sicherung und Weiterentwicklung des Werftstandortes im Bremer Norden. Ein konkretes Nutzungskonzept für dieses Grundstück liegt seitens des Unternehmens noch nicht vor. Die Gespräche über den Verkauf des im Besitz der WFB befindlichen Areals befinden sich in den letzten Zügen. Derzeit werden die künftigen Zufahrtsmöglichkeiten zwischen dem Unternehmen und dem Bauamt Bremen-Nord abgestimmt.
Wird die Gläserne Werft wieder öffnen?
Es bestehen keine Pläne, die Gläserne Werft neu zu eröffnen.
Gibt es Interessenten für eine Wiedereröffnung der Strandlust?
Den Verlust der Strandlust Vegesack bedaure ich sehr. Die Verwertung des Grundstücks liegt allerdings in den Händen des Insolvenzverwalters. Nach meinem Kenntnisstand gibt es aber noch keine Entscheidung, und aktuell sieht die Bauordnung den Erhalt des Gastgewerbes an diesem Standort vor. Auch der Beirat Vegesack hat sich klar zum Erhalt des Gastgewerbes positioniert.

Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt.
Welche Chancen räumen Sie dem Tourismus und Tagestourismus in Vegesack ein?
Insbesondere für Tagestouristen sehen wir erhebliches Potenzial in Vegesack und für den Bremer Norden. Vegesack ist für mich nicht nur mit der Maritimen Meile, sondern auch mit seinen Parks und Gärten ein attraktives und vielseitiges Ausflugsziel, das aber noch verschiedene Chancen zum Ausbau bietet. Natürlich wollen wir auch künftig Rad- und Busreisetourist*innen ansprechen. Dafür sind ausreichende Kapazitäten mit Gästebetten und gastronomische Angebote wichtig. Dort wird auch das neue Stadtquartier am Vegesacker Hafen neue Impulse und Angebote setzen, unabhängig von der zukünftigen Entwicklung am Standort der Strandlust.
Wie weit sind die Pläne für eine E-Fähre zwischen Bremen und Bremen-Nord gediehen?
Grundsätzlich liegt der Fährbetrieb im Bremer Norden im Verantwortungsbereich meiner Kollegin, Senatorin Dr. Claudia Schilling. Mein Haus hat jedoch aktuell in enger Abstimmung mit dem Häfenressort eine Machbarkeitsstudie beauftragt. Im Rahmen dieser Studie soll unter anderem auch eine Schnellfähre von Bremen-Mitte in den Bremer Norden im Hinblick auf den Bedarf, die technische Umsetzbarkeit sowie die Wirtschaftlichkeit untersucht werden. Ergebnisse sollen Anfang 2022 vorliegen.
Kommendes Jahr steht in Vegesack der 400. Hafengeburtstag an. Wie sieht Ihre Unterstützung für das Event aus?
Die Gespräche hierzu sind unter Federführung der Akteure vor Ort angelaufen. Die Mittel zur Finanzierung werden in Abhängigkeit von der jeweiligen Maßnahme aus diversen Fonds kommen. Wichtig ist hierbei jedoch zunächst die Definition eines genauen Programms. Die WFB stimmt sich dazu eng mit dem Vegesack Marketing ab und unterstützt auf allen Kanälen.
Noch befindet sich im Hafenbecken jede Menge Giftschlamm. Der Boden enthält PCB, Pestizide und Zinnverbindungen. Wo wird der Hafenmüll entsorgt und bleibt es bei der ersten Kostenschätzung von drei Millionen Euro?
Für die Realisierung der Ausbaggerung als Maßnahme zum Erhalt des Vegesacker Hafens rechnen wir mit Gesamtkosten in Höhe von rund drei Millionen Euro. Grundlage dieser Gesamtkosten ist die veranschlagte Menge des Baggergutes, die mit 20.000 Kubikmeter kalkuliert wurde. Die tatsächliche Menge wird sich erst während der Baggerarbeiten ergeben, sodass sich erst im Anschluss an die Ausbaggerung die tatsächlichen Kosten ermitteln lassen. Für die Entsorgung arbeiten wir voraussichtlich mit Bremenports zusammen, um das Baggergut zur Integrierten Baggergutentsorgung Seehausen zu transportieren.
Wird das Ausbaggern rechtzeitig zum Hafengeburtstag stattfinden?
Auch für mich hat das Ausbaggern des Vegesacker Hafens vor den Feierlichkeiten oberste Priorität. Derzeit wird zunächst die Statik der Kajen überprüft, bevor mit den Maßnahmen begonnen werden kann. Unter der Voraussetzung, dass auf Basis dieser Prüfung keine Probleme im Zuge der Baggermaßnahmen zu erwarten sind, steht einer Umsetzung in 2021 nichts im Wege. Andernfalls müsste der bislang geplante Umfang der Maßnahmen überprüft werden. Dabei wird der 400. Geburtstag des Vegesacker Hafens berücksichtigt.
Wie beurteilen Sie zurzeit die Chancen, dass das Schulschiff in Vegesack bleibt?
Das Schulschiff Deutschland ist ein besonders bedeutsames maritimes Kulturdenkmal. Ich bin überzeugt, dass es durch einen Ausbau der bestehenden Angebote und durch neue zeitgemäße Formate die Chance gibt, das Schulschiff in und für Vegesack zu erhalten. Wir haben dem Schulschiffverein angeboten, eine Potenzialanalyse für den Standort zu erstellen. Aktuell werden die Ausschreibungsunterlagen vorbereitet. Wir haben damit deutlich gemacht, dass wir den Verein am Standort Vegesack unterstützen werden. Die Entscheidung für einen langfristigen Liegeplatz liegt in der Hand der Mitglieder des Schulschiffvereins. Der Vorstand hat deutlich gemacht, dass er hierzu eine Mitgliederbefragung durchführen lässt. Als im vergangenen Jahr die Ausbaggerung der Liegewanne für das Schulschiff beschlossen wurde, haben wir die Zusage des Vorstands bekommen, dass das Schiff zumindest bis zum Hafengeburtstag in Vegesack bleibt. Ansonsten hätten wir damals diese Investition nicht getätigt. Ich gehe davon aus, dass der Vorstand diese Zusage jetzt nicht infrage stellt.
Das Interview führte Patricia Brandt.
Kristina Vogt
ist seit 2019 Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa im Senat Bovenschulte. Die ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte ist Mitglied der Linkspartei, stammt aus Münster und hat ein Kind.
Weitere Informationen
Kostenpunkt Liegeplatz
Regelmäßig hat Bremen in der Vergangenheit den Liegeplatz des Schulschiffs an der Lesummündung von Sand befreien lassen, damit der Rumpf des Dreimasters nicht beschädigt wird. Dabei wurde der Sand aus dem Unterwasser-Spundwandkasten gesaugt, in dem das Schiff mit seinen gut fünf Metern Tiefgang liegt. Für Vermessungs- und Ingenieurleistungen sowie die Ausbaggerarbeiten sind im Durchschnitt laut Wirtschaftsressort seit 2007 rund 80.000 Euro pro Jahr angefallen. Allerdings fanden diese Arbeiten nicht jährlich statt. Im Vorfeld der Ausbaggerungsarbeiten im vergangenen Jahr gab es laut Wirtschaftssressortsprecherin Kristin Viezens einen Schriftverkehr mit dem Schulschiff-Verein, der auch den Verbleib des Schulschiffs am Liegeplatz in Vegesack zum Inhalt hatte.