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HSG Schwanewede/Neuenkirchen "Der letzte Tanz" ist absolviert

Thomas Hannemann beendet seine viel beachtete und gewürdigte Tätigkeit als Hallensprecher der "Schwäne"
13.06.2023, 15:00 Uhr
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Von Olaf Kowalzik

Licht aus, Spot an. Thomas Hannemanns Finger eilen über die Tastatur. Schon wird der Regler für die Musik hochgedreht, aus den Boxen wummert ein satter Sound. Die Einlaufzeremonie der HSG Schwanewede/Neuenkirchen beginnt. Es ist das letzte Heimspiel der Verbandsliga-Handballer in dieser Saison, und für Thomas Hannemann „der letzte Tanz“, wie er sagt. Denn er macht nach 20 Jahren als Hallensprecher bei den „Schwänen“ Schluss. „Ich will diese dauerhaften Verpflichtungen nicht mehr. Möchte nicht schon im August wissen, wann ich nicht kann“, erklärt er.

Noch einmal umarmt er sich in der Kabine oben über dem Feld mit seinem gefühlt ewigen Sprecherkollegen Jan-Peter Lemke, dann brechen seine finalen 60 Moderationsminuten an. Sie laufen professionell ab wie immer, auch wenn ihm am Spieltagsmorgen erstmals seit Ewigkeiten flau im Magen war, wie er gesteht. „Alles, was wir hier an Event-Technik sehen, ist durch Thomas‘ Hände gegangen. Die würde es hier sonst nicht im Ansatz geben“, betont Jan-Peter Lemke bei seiner Laudatio. Die Show, die die beiden regelmäßig in der „Heidehölle“ abliefern, hat ebenfalls hohen Unterhaltungswert und spornt die Zuschauer zum Anfeuern an. Es kennt sie fast jeder, der die Halle betritt – die Gegner mit eingeschlossen.

Dass Thomas Hannemann Elektroingenieur ist, sieht man an allen Ecken – manchmal ist die Technik aber auch in Kabelkanälen gut versteckt. Alles wird in der Halle hochmodern über die Sprecherkabine gesteuert, die einzelnen elektronischen Bauteile sind top aufeinander abgestimmt. Die Sponsoren können sich dem Publikum selbst an einem strahlend sonnigen Tag via Hochleistungsbeamer mit Werbefilmen an einer dafür besonders reflektierend bemalten Hallenwand präsentieren.

„Er hat Lösungen gefunden, wo keine zu sehen waren“, lobt Jan-Peter Lemke und erinnert sich an eine WhatsApp, die ihm Thomas Hannemann mal morgens um 3.45 Uhr geschickt hatte. „Jan, ich habe eine Lösung gefunden. Jan, ich bin fertig!“, lautete die Nachricht. Damals war es darum gegangen, Videosequenzen von Spielern mit deren Wunschliedern so zu kombinieren, dass sie im Match als Torjingle via Beamer abgespielt werden können. Jan-Peter Lemke sei nach der WhatsApp ebenfalls fertig gewesen, „weil ich deshalb nur fünf Stunden Schlaf bekommen hatte“, amüsiert er sich im Nachhinein.

Apropos Jingles: Hannemann verfügt mittlerweile über ein Potpourri von rund 900 Liedfragmenten und hat damit für jede Spielsituation die passende tonale Untermalung parat. Alles wurde akribisch in Handarbeit zusammengeschnitten, „in jedem Jingle stecken im Schnitt 15 Minuten Arbeit“, so der 60-Jährige. Vor den Tücken der Technik war er über die Jahre dennoch nicht gefeit, wie bei der Einweihung der neuen HSG-Nebelmaschine im August 2004 erlebt. Beim ersten Test des frisch angeschafften Gerätes wurde die Halle in der Heideschule derart eingewabert, dass sich die Nebelschwaden kaum aus der Arena verzogen. Am darauffolgenden Tag im Freundschaftsspiel gegen den damaligen Regionalligisten ATSV Habenhausen lief es beim Einlaufen der Mannschaften besser. „Wir hatten die Maschine auf Handbetrieb umgestellt und den Nebelausstoß verringert“, erinnert sich Thomas Hannemann. Trotzdem musste in der „Heidehölle“ noch die Klimaanlage angeworfen und die Türen geöffnet werden, um nach einigen Minuten Wartezeit endlich wieder klare Sicht zu haben.

Das Freundschaftsspiel der „Schwäne“ im Januar 2011 gegen den Bundesligisten TBV Lemgo beförderte das längst auch privat befreundet Duo Hannemann/Lemke auf die Bundesliga-Bühne. Vielleicht auch deshalb, weil Thomas Hannemann die einzige Zeitstrafe des Spiels gegen den Lemgoer Ex-Nationalspieler Florian Kehrmann mit dem Jingle „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“ untermalte.

„Da ist mir fast das Herz in die Hose gerutscht“, lacht Jan-Peter Lemke. Den Lemgoern war die Art der Spielmoderation offenbar derart nachhaltig in Erinnerung geblieben, dass sie das Schwaneweder Duo bei den Ausfällen ihres Stamm-Hallensprechers über die Jahre mehrfach engagierten. „“Flo“ Kehrmann wollte als Ersatz unbedingt die beiden Verrückten aus Schwanewede haben“, schmunzelt Thomas Hannemann. Der erste Soundcheck in der Lemgoer Arena begeisterte ihn jedoch nicht, was er den TBV-Verantwortlichen prompt aufs Brot schmierte. Typisch Thomas Hannemann eben: immer gradewegs heraus mit seiner Meinung: „Ein halbes Jahr später hatten sie 100 000 Euro in eine neue Anlage investiert. Ich war begeistert.“

Und so kamen die beiden auch zufällig in den Genuss, 2012 Finn Lemkes ersten Bundesligatreffer gegen die HSG Wetzlar verkünden zu dürfen. „Das war ein besonderer Gänsehautmoment“, denkt Vater Jan-Peter Lemke immer noch gerne an das Ereignis zurück, mit dem der Höhenflug seines Sohnes bis in die Nationalmannschaft begann.

Der Ausflug ins Lipperland blieb nicht der einzige auf der großen Bühne. Bei einem Frauen-Bundesligaspiel des VfL Oldenburg stand das HSG-Duo plötzlich alleine vor der Hallentechnik, weil der dafür Verantwortliche abhandengekommen war. „Thomas hat die Anlage zum Laufen gebracht“, staunt Jan-Peter Lemke auch heute noch.

Ins Laufen, ja eher noch ins Fahren kam Thomas Hannemann im August 2015 bei einem Freundschaftsspiel der HSG Stedingen gegen den Bundesligisten MT Melsungen. 140 Minuten vor dem Anpfiff knallten an den Lautsprechern die Hochtöner durch, weshalb sich Hannemann ins Auto setzte und flugs Ersatz aus der Bremer Innenstadt herbei schaffte.

„Thomas ist ein Teamplayer, er hat sich nie in den Vordergrund gedrängt“, betont Jan-Peter Lemke. Der Angesprochene verspricht, dass er „bei technischen Fragen weiter zur Verfügung steht.“ Das ist auch gut so, wie Jan-Peter Lemke verrät: „Denn diejenigen wenigen Male, in denen Thomas nicht da war, lief bei mir auch gleich etwas schief.“ Offen ist zurzeit noch die Nachfolge von Thomas Hannemann in der HSG-Sprecherkabine.

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