Vegesack. Nach dem Urlaub will Frauke Winter ganz neu durchstarten. Andere gehen zum Friseur, wenn etwas Neues beginnt, sie stellt gerade ihre Wohnung in Schönebeck komplett um. Ihr „kleiner Spleen“, wenn es Veränderungen in ihrem Leben gibt. Die 28-Jährige hat es beruflich geschafft. Sie hat beim Kulturbüro Bremen-Nord eine 40-Stunden-Stelle bekommen. 15 Stunden ist sie nach wie vor für den Senioren-Kreativ-Treff zuständig, der Rest ist für ihre Aufgabe als Assistentin der Geschäftsführung gedacht. Das wichtige Wort in diesem Zusammenhang ist: unbefristet. Die junge Frau ist rundherum glücklich, braucht nun nicht mehr zwei Jobs, um ihren Lebensunterhalt bezahlen zu können.
Das verschafft ihr Sicherheit. „Ich probiere zwar gern Neues aus, brauche aber auch Rückhalt, um meine Miete zahlen zu können“, sagt sie. Für Frauke Winter ist im Moment alles ideal. Sie ist rundherum zufrieden. „Ich habe meinen Platz gefunden.“
Den steuerte die gebürtige Nordbremerin nach dem Abitur in Lesum zunächst mit einem freiwilligen ökologischen Jahr bei der Deutschen Klimastiftung im Klimahaus Bremerhaven an. Da sie künstlerisch engagiert ist und gern malt, wollte sie danach freie Kunst studieren. Das Thema war für sie beim Vorstellungsgespräch mit ihrer Mappe unterm Arm erledigt. Die sehr exzentrisch wirkenden Studenten und Dozenten und die Inhalte des Studiums waren nicht das, was sie sich vorgestellt hatte. „Das hatte ich mir alles romantischer vorgestellt“, meint sie rückblickend. „Außerdem braucht man ein Dach über dem Kopf“, dachte sie dann sehr pragmatisch an ihre Zukunft.
Das Thema wurde zugunsten eines Studiums der Kulturwissenschaften im Haupt- und Kunst im Nebenfach ad acta gelegt. Hier lernte sie, Projekte und Veranstaltungen zu planen. Dies führte bereits in das Aufgabenfeld, das sie als Leiterin des Senioren-Kreativ-Treffs im Bürgerhaus übernommen hat und nun als Assistentin der Geschäftsführung beim Kulturbüro Bremen Nord – zuständig für das Bürgerhaus, das Kito, das Kuba und das Overbeck-Museum – ausbaut.
Erfahrungen sammelte sie zunächst noch im Antiquitätenladen 38 in Vegesack, bei der Planung von kulturellen Angeboten im Café Erlesenes. Auch bei großen Veranstaltungen in Bremen-Nord wie „Feuer und Wein“, dem Dixieland-Festival oder „La Strada“ war sie bei der Organisation dabei. „Ich bin durch Bremen-Nord getingelt“, sagt sie. Dann wurde sie quasi für die Leitung des Senioren-Kreativ-Treffs abgeworben.
Der Treff liegt ihr am Herzen. Im September 2017 ist sie in die Fußstapfen von Ingeborg Dörschel getreten, die ihn aufgebaut hat. „Ich habe schnell festgestellt, wie toll es ist“, sagt sie über ihre Aufgabe. 15 Stunden pro Woche organisiert sie Gruppenangebote, Tanzveranstaltungen, Vorträge, Lesungen und hält die Fäden in der Hand.
Nach vorwiegend Kinder- und Jugendprojekten ist sie damit für ein viel älteres Klientel zuständig– als 28-Jährige. Das klappt. Wer sie bei Veranstaltungen erlebt, dass sie respektiert und gemocht wird. Es ist auch umgekehrt. „Ich habe einen guten Draht zu den Senioren“, sagt sie. Sie führt das auf das gute Verhältnis zu ihrer verstorbenen Großmama zurück. „Ich hatte nie Berührungsängste. Ich kann mich gut einfühlen und verstehe ältere Menschen.“
Es ist ihr inzwischen gelungen, die Teilnehmerzahl der Gruppen zu erhöhen. Auch die Anforderungen, die vom Sozialressort zur Hochstufung des Treffs in ein Begegnungszentrum erforderlich sind – dann gibt es auch mehr Geld dafür – setzt sie nach und nach um. Verlangt wird unter anderem, dass mehr junge Alte, mehr Männer und mehr Menschen mit Migrationshintergrund die Angebote der Senioreneinrichtung in Anspruch nehmen.
15 Stunden waren zu wenig
Frauke Winter berichtet, dass der Treff inzwischen eine Kooperation mit dem Zentrum für Migranten und interkulturelle Studien hat und sich Frauen und Männer mit Migrationshintergrund im Bürgerhaus treffen. „Auch an den Tanznachmittagen haben muslimische Menschen teilgenommen“, erzählt sie. Ganz „süß“ empfand sie, dass drei türkische Herren bei einer Veranstaltung im Advent das Lied „Oh du fröhliche“ mitgesungen haben. Drei Männergruppen hat der Senioren-Kreativ-Treff inzwischen. Zudem registriert die Treff-Leiterin einen Generationenwechsel bei den Menschen, die die Gruppen leiten. „Da passiert gerade sehr viel.“
Von den 15 Stunden für den Seniorentreff pro Woche konnte sie aber nicht leben. „Also bin ich zweigleisig gefahren“, erzählt sie. Die junge Frau arbeitete zusätzlich im zweiten Job als Assistentin an einer Schule in Niedersachsen, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Sie hoffte dabei immer, dass aus dem Treff ein Begegnungszentrum wird und sie eine Vollzeitstelle bekommt. Aus dem Sozialressort war aber schon im vergangenen Jahr signalisiert worden, dass vor der Bürgerschaftswahl gar nichts passiert und erst Haushaltsberatungen erfolgen müssen.
Dennoch hat sich Frauke Winter nicht anderweitig orientiert. „Ich war nicht bereit, den Treff aufzugeben. Das habe ich nicht übers Herz gebracht“, erzählt sie. Dann kam vom Kulturbüro Bremen-Nord das Angebot, zuerst 30 Stunden zu arbeiten. Sie konnte so den Zweitjob in Niedersachsen aufgeben. Seit dem 1. Juli sind es nun sogar 40 Stunden – und die Stelle hat keine Befristung. Frauke Winter freut sich nun auf den Neuanfang. Sie geht von einer spannenden Phase aus, denn auch das Team des Kulturbüros Bremen-Nord „stellt sich gerade neu auf“. Mitarbeiter und die beiden Geschäftsführer sind aus den einzelnen Häusern aus- und alle ins Bürgerhaus Vegesack gezogen.
Fernweh kennt sie angesichts der Freude an diesen Entwicklungen nicht. Sie hat zwar mal mit dem Gedanken gespielt, für ein kulturelles Jahr in Ägypten zu verbringen und sie wäre auch an eine andere Universität in Deutschland gegangen, wenn die Inhalte des Studiums ihr gepasst hätten. Es sollte nicht sein. Sie steht dazu, Kindheit, Jugend und das Arbeitsleben in Bremen verbracht zu haben beziehungsweise zu verbringen. Sie hat ihre Familie und Freunde hier, singt im Popchor mit, hat eine schöne Wohnung in Nähe des Schlosses in Schönebeck und fühlt sich wohl. „Ich bin hier verwurzelt“, sagt sie und: „Es soll so sein.“