„Halt, ich bin doch lila!“ „Ach, ich dachte, du bist orange.“ Man lacht und schiebt die Spielfiguren auf die richtigen Positionen zurück. Die Stimmung im Gemeindesaal der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde St. Michael ist gut. „Bremen-Nord spielt“ heißt es dort zum zweiten Mal. Nach der Premiere im November sind auch zum zweiten Termin viele Spiele-Fans erschienen. Schon bald sind acht Tische besetzt. Was gespielt wird und welche Gruppen sich zusammenfinden, bleibt den Besuchern überlassen. Auf zwei Tischen stapeln sich Spiele. Eine Vierergruppe hat sich für „Iki“ entschieden, ein Strategiespiel. Konzentriert wird die Anleitung studiert.
„Ina ist Commander, Marcel hat verteilt, also komm' ich raus.“ Am Nebentisch wird das Kartenspiel „Die Crew“ gespielt. 50 kosmische Missionen müssen absolviert werden. Und das ist gar nicht so einfach: „Wenn ich aber kein Grün hab' – muss ich dann die Rakete abwerfen?“ „Auf jeden Fall nicht die Acht, dann ist die Mission gescheitert!“
Einige Spielfreunde haben auch eigene Spiele von zu Hause mitgebracht – um andere dafür zu begeistern oder um diese Spiele einfach mal wieder zu spielen. Die Stimmung im Raum ist gleich sehr vertraut. Wenn ein Neuankömmling zunächst noch etwas ratlos im Raum steht, wird er sofort an einen der Tische eingeladen: „Magst du vielleicht bei uns mitspielen?“
Organisator des Spieletreffs ist Dimitrios Barbas, unterstützt von der Bremer Volkshochschule. Er ist schon lange begeistert von Gesellschaftsspielen. „Als Jugendliche haben wir ,Hero Quest‘ gespielt – stundenlang.“ Im jungen Erwachsenenalter gab es dann eine Spiele-Pause. Aber nachdem er Vater geworden war, erinnerte er sich daran, wie viel Spaß ihm das Spielen gemacht hat.
Das wollte er auch seinem Sohn vermitteln. „Ich fing an, mich wieder mit Gesellschaftsspielen zu beschäftigen und war erstaunt, wie riesig die Spiele-Welt geworden ist.“ Die frühere Faszination und die Spielbegeisterung waren wieder da. In Corona-Zeiten begann er, ein Spiele-Blog zu schreiben. Unter www.boardgamegreek.de rezensiert er Spiele und teilt Termine für Spiele-Treffs.
Und er beschloss, in Bremen-Nord einen Spieletreff anzubieten. Bei der Suche nach einem Veranstaltungsort sprach er die Grohner St.-Michaels-Gemeinde an. Dort war man gleich sehr angetan von dieser Idee. Vierteljährlich soll der Treff jetzt stattfinden, die nächsten Termine stehen schon. Der nächste Spiele-Treff am 4. Mai wird unter dem Motto „Spielend für Toleranz“ stehen.
„Das Gesellschaftsspiel ist ein Kulturgut, das die Menschen zusammenbringt. Alle können mitspielen, für alle gelten die gleichen Regeln, alle sind gleichberechtigt“, betont der Spiel-des-Jahres-Verein und stellt Spielepakete zur Verfügung. Die Pakete enthalten „Dorfromantik“, das aktuelle Spiel des Jahres, sowie weitere Brett- und Kartenspiele, die ohne viele Worte auskommen und ohne tiefere Deutschkenntnisse spielbar sind. Das Spielepaket kann anfragen, wer mit einer Gruppe, einem Spielekreis, einer Organisation oder Einrichtung eine öffentliche Veranstaltung durchführt und ein Team von sachkundigen Spieleerklärerinnen und -erklärern zusammenstellen kann.
Wie gut es funktionieren kann, spielerisch Sprach-Barrieren zu überwinden oder Kontakte aufzubauen, hat auch Manfred Schlüter festgestellt. Der 69-Jährige besucht regelmäßig ein Sprach-Café und nimmt kleine, kommunikative Spiele mit dorthin. Zum Beispiel „Story Cubes“. Das Spiel besteht aus einer Handvoll Bilder-Würfeln. Anhand der gewürfelten Symbole gilt es, eine kleine Geschichte zu erzählen, die alle gewürfelten Symbole sinnvoll miteinander verknüpft. „So kommt man ins Gespräch. Und wenn jemand mit der Sprache noch nicht so sattelfest ist, hilft man beim Finden der richtigen Begriffe und bei der Aussprache. Spaß macht das auch, das ist überhaupt das Wichtigste“, so Manfred Schlüter.
Der Grohner Spiele-Treff zeigt, dass Brettspiele auch im digitalen Zeitalter nichts von ihrer Bedeutung für das gesellige Miteinander verloren haben. Fast alle Altersgruppen sind vertreten: Kinder, Senioren und die Generationen dazwischen. Im Treff spielen Familien, Bekannte und auch Menschen miteinander, die sich gerade eben noch nicht kannten. Gerade das fasziniert auch Sabine Kobbe an den Gesellschaftsspielen: „Ich spiele leidenschaftlich gern“, sagt sie. „Ich kann mich wunderbar dabei entspannen. Man kann zusammen mit Menschen spielen, die eben noch Fremde waren – Spielen verbindet.“