Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Tiergottesdienst in Vegesack Der Heilige Geist und die Tiere

Eine Pfingstwunder-Lesung mit Bellgefecht – so etwas kann vorkommen, wenn Mensch und Tier gemeinsam Gottesdienst feiern wie am Pfingstsonntag auf der Wiese vor der Vegesacker Stadtkirche.
01.06.2020, 19:27 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Jörn Hildebrandt

Hunde legen ihre Schnauzen ins Gras, andere wedeln aufgeregt mit dem Schwanz. Neben den Vierbeinern sitzen ihre Frauchen und Herrchen auf Pappboxen, die mit weitem Abstand verteilt auf der Wiese stehen. Vor der Vegesacker Stadtkirche haben sich an diesem Pfingstsonntag neben rund 50 Menschen auch Hunde von der Französischen Bulldogge bis zum Golden Retriever und andere Tiere versammelt. Sogar eine Griechische Landschildkröte aus dem Bremer Tierheim ist dabei, die in einer Kiste genüsslich ihren Kopfsalat verzehrt. Gemeinsam feiern sie mit Pastor Volker Keller einen Tiergottesdienst unter freiem Himmel.

Der besondere Gottesdienst verknüpft das Pfingstfest mit Fragen des Tierwohls und der Verantwortung des Menschen für andere Geschöpfe. Mit Pfingsten, bei dem Christen die Ausgießung des Heiligen Geistes feiern, kommen auch die besonderen Gaben des göttlichen Geistes auf die Erde. Laut Volker Keller gehört dazu die stille Gabe der Treue. Gott habe sie in besonderem Maße, denn er sei immer für die Menschen da. Doch Treue zeichne auch Hunde aus.

Lesen Sie auch

Als herausragendes Beispiel nennt er Greyfriars Bobby aus Edinburgh. Der Terrier blieb nach dem Tode seines Herrchens 14 Jahre lang an dessen Grab – bis zu seinem eigenen Tod. „Lasst seine Treue und Ergebenheit uns allen eine Lehre sein“, steht auf seinem Grabstein, der von zahlreichen Touristen in Großbritannien besucht wird.

Bellgefecht zur Pfingstwunder-Lesung

Etwas unruhiger als sonst geht es schon zu bei diesem Tiergottesdienst. Als das Pfingstwunder vorgelesen wird, bei dem die Apostel in Jerusalem plötzlich in ihnen unbekannten Sprachen sprechen konnten, kommt es zu einem kleinen Bellgefecht. Ein Hund, der auf dem Bürgersteig vorbeigeht, reißt die teilnehmenden Vierbeiner aus ihrem andächtigen Lauschen und erntet lautstarkes Kläffen.

Biobauer Ulrich Vey, der in Bremen-Nord zahlreiche Flächen mit seinen Angus-Rindern beweidet und Biofleisch erzeugt, hat winzige Lebenwesen zum Gottesdienst mitgebracht. Sie stecken in einem Glas, das mit Erde aus seinen Grünlandflächen gefüllt ist. „In diesem bisschen Boden leben mehr Organismen als Menschen auf diesem Planeten“, sagt Ulrich Vey. Er erinnert damit an die Verantwortung des Menschen gegenüber den natürlichen Ressourcen. Seine Art der Landwirtschaft schone den Boden, belaste ihn nicht mit Pestiziden, die Grasnarbe verhindere die Erosion. „Meine Tiere sind 365 Tage im Jahr draußen und dürfen in der Herde leben", sagt der Biobauer, mit dieser Form der Rinderhaltung für das Tierwohl sorgen will.

Lesen Sie auch

Das anschließende Lied wirft Fragen auf: „Wer sagt der Maus, wie man Löcher gräbt? Wer bringt dem Dackel das Knurren bei?" und kommentiert dann im Refrain: „Das sieht alles so selbstverständlich aus und ist doch so ein Wunder." Dass Gott mit der Schöpfung Wunder vollbrachte, steht für Pastor Volker Keller außer Frage: „Zu Pfingsten feiern wir den Geist dieser Schöpfung. Die Energie Gottes treibt die Evolution an. Sie ist eine Energie, die auch alle anderen Geschöpfe hervorgebracht hat, und deshalb sind Menschen wie auch Tiere Mitgeschöpfe, die vom Heiligen Geist beseelt sind."

Der Pastor zitiert den Bergsteiger Reinhold Messner, der in der Wüste Gobi auf Nomaden traf, die ihre Tiere genau kennen und denen jedes von ihnen heilig ist. „Um vor den Tieren Respekt zu haben, müssen wir zunächst lernen, sie genau zu beobachten“, sagt Keller, und erinnert an das gegenwärtige Artensterben, das sich auch vor der eigenen Haustür besonders drastisch bei der Insektenwelt zeigt. „Wenn die Insekten sterben, ist es nur noch ein kleiner Schritt, bis die Menschen sterben“, meint der Pastor.

Tierheim öffnet wieder

Ein weiterer Gast beim Tiergottesdienst ist Karin Hensmanns, zweite Vorsitzende des Bremer Tierschutzvereins. Sie erzählt, dass Hunde oder Katzen ausgesetzt werden, weil zum Beispiel die Besitzer die Tierarztrechnungen nicht mehr bezahlen können. Oft landen die Vierbeiner dann im Tierheim. Hensmanns freut sich, dass das Tierheim nach der Schließung wegen der Corona-Pandemie ab Mittwoch, 3. Juni, wieder seine Türen öffnen darf – wenn auch mit eingeschränkten Zeiten.

Für die Fürbitte am Ende des Gottesdienstes holt sich Volker Keller passende Worte von seinen geladenen Gästen. Biolandwirt Ulrich Veys Plädoyer lautet: „Jeder kann entscheiden, ob er Fleisch kauft, bei dem das Tierwohl eingehalten wurde oder nicht." Karin Hensmanns vom Tierschutzverein wünscht sich, dass die Tierquälereien, die mit den Massentierhaltungen einhergehen, endlich ein Ende haben.

Lesen Sie auch

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)