Vegesack. In diesem Jahr hat die „BV 2 Vegesack“, das Flaggschiff des Vereins MTV Nautilus, einen ganz besonderen Geburtstag. Am 29. April wurde der ehemalige Heringslogger 125 Jahre alt. Eigentlich sollte das mit einem Fest gefeiert werden; das verhinderte jedoch die Corona-Pandemie. Auch Ausfahrten mit dem schwimmenden Denkmal sind zurzeit nicht möglich. Die aktuelle Ruhephase ist jedoch nur ein Kapitel in der bewegten Geschichte des heutigen Segelloggers.
Die „BV 2“ war der erste auf der Bremer Vulkan-Werft gebaute Logger. Insgesamt vier hatte die damals neu gegründete Bremen-Vegesacker-Fischerei-Gesellschaft in Auftrag gegeben. 1895 lief die „Vegesack“, die mit „BV 2“ das Fischerei-Kennzeichen ihres Heimathafens im Namen trägt, vom Stapel. Bis 1914 ging der eiserne Heringslogger bis zu fünfmal im Jahr auf der Nordsee auf Fangreise. Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs wurde der Logger aufgelegt – also außer Betrieb gesetzt.
1921 erfolgte der Umbau der „BV 2“ zum Frachtsegler. Sie erhielt eine Maschine und wechselte diverse Male den Besitzer. 1939 schließlich wurde sie nach Schweden verkauft, wo sie den Zweiten Weltkrieg überstand. Dort wurde sie ebenfalls mehrmals veräußert. In all den Jahren änderten sich nicht nur die Eigentümer, das Schiff trug auch verschiedene Namen. So hieß es „Lilli“, „Monika Harrsen“ und „Nostra“, bevor es 1989 seinen Taufnamen „BV 2 Vegesack“ zurückerhielt.
Der Weg in seinen Geburtshafen führte das Traditionsschiff über Hamburg. Nachdem es lange ungenutzt in Schweden gelegen hatte, wurde es von Joachim Kaiser bei Recherchen zu einem Buch wiederentdeckt. Das Vorstandsmitglied der Stiftung Hamburg Maritim motivierte unter anderem die Textilfabrikanten-Erbin Friederike Laar aus Münster dazu, das Schiff zu kaufen. So gelangte der Logger 1979 zurück nach Deutschland.
Von Hamburg aus segelte das Schiff zwei Jahre für das „Rauhe Haus“ im Mittelmeer. Doch das Hamburger Projekt, das der Resozialisierung auffällig gewordener Jugendlicher dienen sollte, scheiterte. Genauso wie die von den Besitzern angepeilten Pläne, die Welt zu umrunden. Die notwendigen Umbauten hätte immense Kosten mit sich gebracht und die Organisatoren des Sozialprojektes mussten einsehen, dass ihr Ansatz nicht zum gewünschten Erfolg führte. Also zog die „Nostra“ in den Museumshaven Övelgönne und lag dort vier Jahre fast unbewegt.
Auf einer Veranstaltung erfuhren Mitglieder des neu gegründeten Vereins MTV Nautilus von dem Schiff und beschlossen, es nach Hause zu holen. Ein Unterfangen, bei dem es viele Hürden zu bewältigen gab. Die Größte war die Finanzierung, denn die Besitzerin wollte rund 1,4 Millionen Mark. Eine Summe, die der Verein nicht in der Kasse hatte. Doch Vorstandsmitglied Norbert Lange-Kroning ließ sich nicht entmutigen, und entwickelte gemeinsam mit anderen Vereinsmitgliedern Ideen, wie man das Projekt finanzieren könne. Außerdem verhandelte er mit der Eignerin, bis man sich auf 600 000 Mark einigte. Diese trug der Verein durch Spendengelder, Zuschüsse und verschiedene Aktionen zusammen.
Seit 30 Jahren zu Hause
Seit mehr als 30 Jahren ist die „BV 2 Vegesack“ nun wieder zu Hause und verdient sich ihren Unterhalt durch Charterfahrten. Zudem nimmt der Logger an Veranstaltungen wie dem Hamburger Hafengeburtstag, der Kieler Woche, der Hanse Sail und dem internationalen Seefest in Brest teil. Dabei geht nicht immer alles glatt, wie ein Vorfall aus dem Jahr 2016 zeigt. Anfang August wollte das Schiff von Bremerhaven aus mit einem Schlenker über Helgoland zur Hanse Sail in Rostock aufbrechen, kam jedoch nicht weit. Völlig unvermittelt brach der Besanmast und stürzte auf das Steuerrad. „Zum Glück hatten wir die seekranke Passagierin, die genau an dieser Stelle gesessen hatte, kurz vorher unter Deck gebracht“, erinnert sich Kapitän André Hübner. Auch die Crew hatte sich, vom schwankenden Mast irritiert, rechtzeitig in Sicherheit gebracht. „Das war das schlimmste Erlebnis meines Lebens“, fasst Hübner zusammen.
Der Segellogger wurde abgeschleppt und fuhr nach ein paar Notreparaturen in Bremerhaven wie geplant nach Rostock. Denn die Charterfahrten dieser Events sind die Haupteinnahmequelle des Loggers. Der aktuelle Ausfall der geplanten Veranstaltungen ist laut Tham Körner daher ein großes Problem. „Wir hatten einen guten Finanzplan für diesen Sommer aufgestellt“, erklärt der für die Finanzen der Betreibergesellschaft ehrenamtlich tätige kaufmännische Geschäftsführer. Für den vergangenen Werftaufenthalt habe man Geld vorgeschossen und auch die regulären Kosten laufen weiter. „Wir entwickeln gerade einen Plan für den Fall, dass wir in diesem Jahr keine Einnahmen generieren“, sagt Körner.
Ein Szenario, das eintreten könnte, denn als Mischung aus Gastronomie und Hotellerie fällt der Tätigkeitsbereich der „BV 2“ in den durch die Einschränkungen besonders betroffenen Wirtschaftssektor. „Wir hoffen trotzdem, dass wir im Sommer wieder fahren dürfen, ansonsten könnte es kritisch werden“, so Tham Körner. Dieses Problem betreffe allerdings nicht nur die „BV 2 Vegesack“, sondern alle Traditionsschiffe.