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Verstecktes Gewässer Unter dem Bahnhofsplatz in Vegesack

Oben fahren Autos und Busse, unterirdisch plätschert die Schönebecker Aue. Regelmäßig wird der Tunnel unter dem Bahnhofsplatz in Vegesack kontrolliert. Unterwegs mit einem Bauwerksprüfer und einem -helfer
25.08.2022, 18:00 Uhr
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Unter dem Bahnhofsplatz in Vegesack
Von Julia Assmann

Es ist nicht viel los an diesem Vormittag auf dem Vegesacker Bahnhofsplatz. Einige Menschen warten auf den Bus, andere laufen in Richtung Zug. Dass wenige Meter unten ihnen, in einem etwa 125 Meter langen, beleuchteten Tunnel Fische schwimmen, wird nur den wenigsten bewusst sein. Ältere Nordbremer erinnern sich vielleicht an die Zeit, als die Schönebecker Aue noch unter freiem Himmel in den Hafen mündete. 1951 wurde das schmale Fließgewässer kanalisiert und mit Beton und Asphalt überdeckt. Busse, Autos und Lkw fahren seither über das an dieser Stelle versteckte Gewässer.

Tristan Beiersdorf und Bernhard Diers kennen jeden Meter des Tunnels. Der Bauwerksprüfer und der Bauwerkshelfer waren schon oft in dem Durchlassbauwerk. So heißt der Tunnel im Sprachgebrauch des Amts für Straßen und Verkehr (ASV). Regelmäßig überprüfen sie dessen Zustand, untersuchen Decke und Spundwände auf Abplatzungen und andere Schäden. Das ist wichtig, weil es das Gewicht schwerer Fahrzeuge tragen muss. Heute steht die Hauptprüfung an.

Obwohl ein Blick in die Aue zeigt, dass das Wasser gerade extrem niedrig ist, ziehen die Männer sich Wathosen über. Eine Vorsichtsmaßnahme, denn sie wissen: Im Tunnel gibt es Stellen, an denen der Boden ausgespült und das Wasser um bis zu einen Meter tiefer ist als an anderen. Eine steile Treppe führt zum Einlauf hinab. Vor dem Tunnel versperrt ein Grobrechen den Weg. Er soll verhindern, dass Äste und anderes Treibgut in den Kanal gelangen. Beiersdorf und Diers schlängeln sich an der Barriere vorbei – und stehen in einem der ältesten Teile des Bauwerks, einem Betongewölbe, das 1860 als gewöhnliche Brücke gebaut wurde. "Es ist ungefähr zur selben Zeit entstanden, wie der Bahnhof", sagt Beiersdorf.

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Sogar für den 41-Jährigen, der als Bauwerksprüfer sämtliche Brücken und Ingenieurbauwerke in Bremen kennt, ist der Durchlass etwas Besonderes. Während er die alten Mauern mit einer Taschenlampe ableuchtet und in Augenschein nimmt, erzählt er: "Das Bauwerk ist nach und nach entstanden. Im Laufe der Zeit waren unterschiedliche Behörden zuständig, die zum Teil inzwischen in andere überführt wurden. Da ist es nicht einfach und zum Teil unmöglich, Unterlagen zu bekommen." Vor einiger Zeit, so der Bauwerksprüfer, haben Mitarbeiter vom Landesamt Geoinformation das Bauwerk per Laser vermessen. "Wir haben jetzt ein digitales Modell."

An der Decke nimmt er einen Riss in Augenschein. "Den beobachten wir schon seit einiger Zeit und schauen, ob er sich verändert. An dieser Stelle ist das aber unkritisch, weil darüber nur Pkw fahren, keine schweren Busse." An den alten Gewölbeteil schließt sich der neuere Tunnelabschnitt an, der 1951 gebaut wurde. Mit einem Stab klopft Bernhard Diers auf die Stahl-Spundwände. Eine Rostplatte fällt herunter. "Das ist Blattrost", erläutert Beiersdorf, "der entsteht durch Oxidation mit Sauerstoff". Regelmäßig klopft das ASV-Team den Rost im Tunnel ab. Die Dicke der Spundwand kontrolliert Beiersdorf mit einem speziellen Ultraschall-Gerät.

Über lange Strecken ist der Boden ganz eben, an anderen müssen die Männer über Feldsteine klettern. "Die dienen vermutlich dazu, dass das Wasser aufgewirbelt und mit Sauerstoff angereichert wird", sagt der Fachmann, der auch weiß, warum der Tunnel bis zum Auslass am Hafenbecken beleuchtet ist: "Das Licht soll den Fischen helfen, den Weg zu finden." Weil das Wasser an diesem Tag sehr niedrig ist, sind jedoch nur vereinzelt Fische im Tunnel zu sehen. Dafür entdeckt Diers einen toten Krebs und zahlreiche Spinnen schaukeln in ihren Netzen. "Ratten gibt es hier nicht", versichert Beiersdorf. Das liegt daran, dass bei Hochwasser Wasser aus der Weser und der Lesum in den Tunnel strömt und ihn bis zu 1,60 Meter hoch flutet.

Kurz vor dem Auslauf ins Hafenbecken macht der Tunnel einen Knick. "Hier befinden wir uns noch einmal in einem alten Bauwerkteil von 1860", sagt der Prüfer. "Der Auslauf wurde in den 1970er-Jahren noch einmal angepasst, als der Hafen zum Museumshafen umgebaut wurde." Am Ende des Tunnels eröffnet sich den Männern eine ungewöhnliche Perspektive: Aus dem Auslauf heraus blicken sie auf die Schiffe im Hafen.

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