Bleibt das „Schulschiff Deutschland“ in Vegesack oder wandert es nach Bremerhaven ab? Mit dieser Frage haben sich Vertreter der Wirtschaftsbehörde, der Senatskanzlei und des Schulschiff-Vereins Ende Januar im Rahmen eines Arbeitstreffens befasst. Eine offizielle Stellungnahme zu den Ergebnissen der Gespräche gibt es bisher von keiner Seite. Wie DIE NORDDEUTSCHE allerdings aus Verhandlungskreisen erfahren hat, soll es eine Potenzialanalyse für den Standort Vegesack geben.
Die Gesprächspartner haben sich nach Informationen dieser Zeitung auf eine Vereinbarung verständigt. Im Anschluss an das Arbeitstreffen habe es Nachbesserungswünsche von Seiten des Schulschiff-Vereins gegeben, die gänzlich in die Vereinbarung eingeflossen seien. Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) und Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) hätten am Dienstag dieser Woche ihre Zustimmung zu dem Papier signalisiert.
Inhalt des Schriftstückes ist demnach, dass es eine Potenzialanalyse geben soll. Mithilfe der Studie soll herausgefunden werden, wie die Potenziale des Standortes Vegesack vor dem Hintergrund des geplanten Stadtquartiers einzuschätzen sind. Auf dieser Grundlage solle der Schulschiff-Verein entscheiden, ob er sich eine Zukunft im Bremer Norden vorstellen kann.
Die Analyse würde der Senat in Zusammenarbeit mit dem Schulschiff-Verein in Auftrag geben. Die Kosten dafür trage die Landesregierung, die mit Ergebnissen Ende August rechnet. Es solle allerdings vermieden werden, dass die Analyse zu einem zeitlichen Verzug führt, die dem Verein finanziell schadet. Gegebenenfalls wolle man schauen, wie mögliche Verluste ausgeglichen werden können.
Zukunft ohne Zuschüsse
Die beteiligten des Arbeitstreffens seien sich einig gewesen, dass das touristische Potenzial in Bremerhaven höher sei, als in Vegesack. Deshalb sei diese Frage auch nicht Gegenstand der Diskussion gewesen. Vielmehr sei es um die Zukunft der Maritimen Meile gegangen und ob das „Schulschiff Deutschland“ dort in den kommenden Jahren liegen kann, ohne dabei dauerhaft auf Zuschüsse des Senats angewiesen zu sein.
Die Standortfrage des Schulschiffs beschäftigt auch immer wieder die Politik im Stadtteil. Auf Initiative von Ortsamtsleiter Heiko Dornstedt hatte der Beirat im September vergangenen Jahres über einen gemeinsamen Antrag zum Verbleib des Traditionsseglers im Bremer Norden diskutiert. Das Gremium verständigte sich darauf, das Thema für weitere Debatten in den Ausschuss für Stadtentwicklung, Tourismus, Kultur und Wirtschaft zu verweisen. Dort sollte gemeinsam mit dem Schulschiff-Verein und dem Wirtschaftsressort über konkrete Maßnahmen diskutiert werden, um die finanzielle Situation des Schulschiffes am Standort Vegesack nachhaltig zu verbessern.
Diese Beratungen fanden im vergangenen Monat statt. Während der Sitzung informierte Claus Jäger, Vorsitzender des Deutschen Schulschiff-Vereins, die Mitglieder des Ausschusses darüber, dass die Einnahmen des Vereins nicht ausreichen würden, um die Kosten zu decken. „Diese strukturellen Probleme bestehen bereits seit einigen Jahren. Im Grunde genommen ist zu keinem Zeitpunkt der letzten 25 Jahre das Maß an Besuchern und Gästen erreicht worden, das man sich ursprünglich mal vorgestellt hatte“, sagte Jäger im Januar. In der Vergangenheit seien die Deckungslücken etwa durch Spenden geschlossen worden. Seit 2018 gebe es allerdings ein Defizit von etwa 60.000 Euro pro Jahr. Pandemiebedingt rechne der Verein für 2020 sogar mit einem noch höheren Fehlbetrag. Um das Schiff dauerhaft erhalten zu können, sei eine nachhaltige Steigerung der Einnahmen nötig.
Neben Politikern machen sich auch Vereine für den Verbleib des Schulschiffes in Vegesack stark. Der Vorstand des MTV Nautilus etwa sprach von einem Verlust für das Vegesacker Weserufer und seine Promenade, sollte das Schulschiff nach Bremerhaven abwandern. Schließlich sei der Segler die Hauptattraktion an der Maritimen Meile.
Doch nicht nur der Schulschiffverein zeigt Interesse an Bremerhaven, sondern auch umgekehrt. In seiner Mitgliederbroschüre „Logbuch“ hatte der Verein im vergangenen Jahr darüber informiert, dass die Seestadt 147.000 Euro bewilligt hätte, um die nötige Infrastruktur für das Schulschiff in Bremerhaven herzustellen. Zusätzlich wolle der Magistrat auch die Kosten für die Überführung übernehmen, die auf rund 70.000 Euro geschätzt werden.
Die Geschichte des Schulschiffs
Das „Schulschiff Deutschland“ gilt als das letzte deutsche Vollschiff. Erbaut wurde der 86 Meter lange Traditionssegler 1927 auf der Tecklenborg-Werft in Geestemünde. Im Laufe der Jahre wurde er als Ausbildungsschiff, Jugendherberge und Schule genutzt. Im Januar 1996 kam das Schulschiff schließlich nach Vegesack, wo es seitdem in der Mündung der Lesum liegt.