Es brauchte seine Zeit, viel Selbstreflexion und eine Reihe von Schlüsselerlebnissen. Sie führten dazu, dass Burak Yilmaz sich heute entschieden gegen Rassismus, Diskriminierung und Nationalismus wendet, insbesondere gegen Judenhass. Das machte er Sonnabendabend im Kito deutlich. Hier las der 34-Jährige aus seinem im September erschienenen Buch "Ehrensache. Kämpfen gegen Judenhass“.
Yilmaz stammt aus Duisburg und wuchs dort als Sohn türkisch-kurdischer Eltern auf. In Duisburg machte er sein Abitur und arbeitete ehrenamtlich in einem Jugendzentrum. Nach dem Abitur studierte er Deutsch und Englisch auf Lehramt. Yilmaz lebt heute als selbstständiger Pädagoge und Autor in Duisburg. Er initiierte das Projekt "Junge Muslime in Auschwitz" und leitet die Theatergruppe "Die Blickwandler“.
Die Gruppe inszenierte nach einer gemeinsamen Fahrt nach Auschwitz das Stück "Benjamin und Muhammed". Für sein vielfältiges Engagement gegen Rassismus und Antisemitismus sowie für eine „inklusive Erinnerungskultur“ bekam Yilmaz von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier persönlich das Bundesverdienstkreuz verliehen.
Der 34-Jährige begann die Lesung mit seinen Gefühlen und Erfahrungen zum 11. September 2001. Da sei die Stimmung in Deutschland im Hinblick auf Muslime gekippt, habe er wahrgenommen. Muslime seien als Terroristen beleidigt und als Ölaugen beschimpft worden. In dem Zusammenhang hätten seine Eltern ihn gefragt: „Warum beschäftigst du dich nicht mit der Geschichte des Landes, in dem du geboren wurdest?“ Sein Vater reagiere allergisch darauf, wenn Religion benutzt werde, um Menschen aufzustacheln oder gar um Menschen zu töten, so Yilmaz.
In der zwölften Klasse auf dem Gymnasium kam es ihm zufolge aufgrund eines fundierten Geschichtsunterrichtes zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Dazu kam ein Erlebnis im Jugendzentrum. Vier Jugendliche, die er kannte, zeigten den Hitlergruß. Er wirft sie raus und rennt hinterher. Die Jugendlichen rufen ihm zu: „Wir sind Antisemiten, daran kannst du nichts ändern.“ Wie könne es sein, dass diese Jugendlichen mit so einem Selbstbewusstsein ins Jugendzentrum kommen und so volksverhetzend sind, habe er sich damals gefragt?
Laut Yilmaz hat der Antisemitismus unter Muslimen meist zwei Wurzeln. Er könne religiös begründet sein, dass man Jüdinnen und Juden als etwas Teuflisches oder Dämonisches sehe. „So ähnlich wie wir eine antisemitische Tradition im Christentum haben, haben wir das auch im Islam“, so Yilmaz. Auf der anderen Seite könne er aber auch durch den Konflikt mit den Israelis und den Palästinensern politisch aufgeladen sein. „Islamismus und Nationalismus spielen eine Rolle.“
Sowohl in der Lesung als auch in der sich anschließenden Diskussion ging es um ein „toxisches Männerbild“ unter Muslimen. Dies rühre aus der Erziehung im Rahmen häuslicher Gewalt. So habe ein Jugendlicher einmal zu ihm gesagt: „Schläge haben uns zu Männern gemacht.“ Eben bestimmte Männlichkeitsideale haben laut dem 34-Jährigen mit Judenhass zu tun.
Für ihn ist Judenhass weiter auf verschiedene Art lebendig. Er habe einmal mit anhören müssen, wie ein Jugendlicher in Gegenwart seiner Lehrerin gesagt hat: „Der Lockdown ist schlimmer als ein KZ.“ Wieso hat die Lehrerin darauf nicht reagiert, fragte der Duisburger.
Weiter kommen ihm zufolge die sozialen Medien wie Facebook, Instagram und Tiktok in Betracht. Auf sie bezogen zeigte Yilmaz kein Verständnis dafür, dass auf ihren Portalen menschenfeindliche Parolen unkontrolliert durchliefen. „Wenn dazu aufgefordert wird, Menschen zu töten, ist das keine Meinungsfreiheit mehr.“
Die Lesung und Diskussion fand im Rahmen der Aktionswochen gegen Ausgrenzung und Diskriminierung 2021 statt. Die Aktionswochen werden von der Partnerschaft für Demokratie Bremen im Rahmen des Bundesprojekts "Demokratie leben!" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.