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Vegesack Marketing: Jörn Gieschen im Gespräch „Es gibt einen Wunsch nach neuen Ideen“

Jörn Gieschen, neuer Geschäftsführer des Vegesack Marketings,spricht im Interview über den Stadtteil, die ersten Ideen und warum die Corona-Krise eine Chance sein kann.
24.09.2020, 07:20 Uhr
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Von Mario Nagel
Herr Gieschen, Sie sind jetzt seit Anfang September im Amt: Was haben Sie in diesem Zeitraum für Erfahrungen gesammelt?

Jörn Gieschen : Beim Vegesack Marketing bin ich extrem gut aufgenommen worden. Ich habe eine intakte Struktur vorgefunden, es herrscht eine sehr positive Stimmung im Team, verbunden mit einer großen Motivation. Extern bin ich noch dabei, die Akteure in Vegesack, die Attraktionen und das Angebot besser kennenzulernen.

Also bestanden die ersten Wochen größtenteils aus...

...Terminen, Terminen, Terminen (lacht). Und das wird auch so weitergehen. Vegesack hat einfach so viel zu bieten und so viele engagierte Akteure. Ich habe längst noch nicht alle getroffen und auch noch nicht alle Orte gesehen.

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Wie haben Sie den ersten Kontakt mit den Mitgliedern empfunden?

Wir hatten vor wenigen Tagen unser Mitgliederfest. Das wurde extrem gut angenommen, wir hatten sogar mehr Besucher als in den Vorjahren. Es waren ungefähr 60 Leute da, darunter auch interessierte Nicht-Mitglieder. Da hatte man das Gefühl: Es sind die Macher aus Vegesack da. Menschen, die auch Lust haben, etwas zu verändern, die Ideen haben und konstruktiv sind. Wir haben super Gespräche geführt und konnten auch gleich ein paar neue Mitglieder gewinnen.

Nachdem Sie Vegesack nun ein bisschen kennenlernen konnten - inwieweit sind Ihre Ideen mit dem, was der Stadtteil zu bieten hat, kompatibel?

Ich habe gar nicht so furchtbar viele Ideen mitgebracht, um ehrlich zu sein (lacht). Ich wollte den Kopf freihaben und erst mal eine Bestandsaufnahme machen, was die Herausforderungen und die Gegebenheiten hier sind. Ich habe vorher meist in größeren Städten gearbeitet, wo andere Strukturen, Möglichkeiten und Budgets vorhanden waren. Das, was ich in Kopenhagen oder Madrid gesehen hab, brauchen wir ja nicht unbedingt in Vegesack (lacht). Aber es kristallisieren sich jetzt natürlich die ersten Ideen und Ansätze heraus.

Welche zum Beispiel?

Ein Gedanke, den wir prüfen wollen, ist zum Beispiel die Schaffung einer Online-Plattform, über die unsere Mitglieder mit möglichst wenig Aufwand ihr Angebot bewerben können. Da müssen wir aber noch schauen, wie wir das finanziell und technologisch auf die Beine stellen können.

Ist die Digitalisierung ein großes Thema?

Ja, denn viele Mitglieder sind noch nicht so in der digitalen Welt angekommen, wie das nötig wäre. Da gibt es teilweise noch viele Hemmschwellen.

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Mit welchen Themen kommen die Unternehmer noch auf Sie zu?

Neben den strategischen Themen wie der Digitalisierung geht es auch viel um kurzfristige Herausforderungen, die durch Corona aufgetreten sind. Da ist zum Beispiel die Frage, wie wir mit dem größer werdenden Leerstand umgehen. Es gibt zurzeit leider einige Geschäftsaufgaben. Nicht nur die Strandlust, sondern auch in der Fußgängerzone oder im weiteren Stadtteil. Wenn ich überall in leere, schlecht abgeklebte Schaufenster gucke, dann trägt das nicht gerade zur gemütlichen Einkaufsatmosphäre bei. Hier werden wir mit den Eigentümern in einen Dialog treten, um das Besuchererlebnis attraktiv zu halten und den Händlermix, soweit das möglich ist, mitzugestalten.

Vor allem viele junge Menschen zieht es in die Shopping-Center, von Bremen-Nord aus ist das vor allem die Waterfront. Wie können Sie diese Zielgruppe wieder für Vegesack gewinnen?

Wir müssen uns im Klaren sein, dass wir diese Menschen nicht aus der Waterfront abziehen wollen. Ich habe aber gerade erst eine Studie gelesen, laut der viele junge Menschen wieder ein persönliches und emotionales Erlebnis beim Shoppen haben wollen. Und da haben wir auf jeden Fall eine Chance, durch viele inhabergeführte Geschäfte, ein regionaleres und individuelles Angebot zu punkten. Das gelingt uns durch einige Aktionen, wie zum Beispiel den Wintermarkt oder das Vegefest, schon recht gut. Erlebnisse, aber auch die individuelle Beratung und der richtige Mix an Händlern müssen das Profil des Einkaufens in Vegesack schärfen. Das kann ich in der Waterfront nicht so gestalten. Diese Shopping-Center sind austauschbar und werden von großen Ketten dominiert, die ich überall finde.

Viele Ihrer Mitglieder stecken wegen der Corona-Krise in Schwierigkeiten. Gibt es auch Unternehmen, die durch die Pandemie profitiert haben?

Bei den Mitgliedern war jetzt keiner dabei, der gesagt hat: Super, tolle Chance. Was positiv ist: Es ist ein Wunsch nach neuen Ideen da, natürlich auch aus der Not heraus. Ohne Leidensdruck fehlt oft die Bereitschaft für Veränderung. Ein Beispiel ist die Gläserne Werft: In den letzten zwei Wochen sind zwei Interessenten mit ihren Ideen an uns herangetreten. Einmal in Richtung Gastronomie, einmal mehr in Richtung Event-Location. Genauso gibt es Ideen für die kurzfristige Wiederbelebung der Strandlust oder das neue Quartier am Hafen. Es gibt also Mitglieder, die jetzt gerade etwas wagen wollen. Und das signalisiert: Hier werden neue Ideen geboren, hier geht etwas.

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Die Corona-Pandemie kann also als Chance begriffen werden?

Das tun wir, ja. Wir müssen konstruktiv damit umgehen. Es sind in den letzten Monaten viele Erstnutzer beim Online-Shopping registriert worden, es gibt auch nachhaltig starke Verschiebungen. Da begreift aktuell auch der Letzte im stationären Handel, dass es kein „Weiter so“ geben kann. Hier wollen wir mit Ideen unterstützen und begleiten. Trotzdem trifft uns die Krise derzeit vor allem in negativer Hinsicht.

Was lässt Sie, trotz der angesprochenen Herausforderungen, positiv in die Zukunft blicken?

Vieles, zum Beispiel der konstruktive erste Austausch mit den Mitgliedern. Es hätte ja auch sein können, dass ich auf eine große Gruppe von Betonköpfen treffe, die nur sehr kurzfristig denkt. Aber das ist nicht der Fall. Auch die aktuellen Studienergebnisse, dass jüngere Käufer wieder offline kaufen wollen, sofern ein emotionales und individuelles Einkaufserlebnis geboten wird, macht Hoffnung. Mit einer stärkeren Besinnung auf die eigene Region haben wir hier definitiv etwas zu bieten, insbesondere wenn möglichst viele Akteure vor Ort mit an einem Strang ziehen.

Das Interview führte Mario Nagel.

Zur Person

Zur Person

Jörn Gieschen (48) ist seit dem 1. September neuer Geschäftsführer des Vegesack Marketings. Der studierte Diplom-Betriebswirt arbeitete zuvor für Bahlsen, Tui und eine Tourismusberatung in Barcelona. Seit 2011 arbeitete er als selbstständiger Tourismusberater für mehrere Städte und Länder. Nun leitet er gemeinsam mit vier Angestellten das Vegesack Marketing, in dem unter anderem 85 Unternehmen organisiert sind.

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