Torsten Pieke öffnet die kleine Luke an seinem Schleifautomaten. Ehe er sie wieder schließt, setzt er dort ein Stück Glas ein. Anschließend programmiert er das Gerät über einen Touchscreen. Wenige Sekunden später beginnt die Maschine damit, aus dem Rohling ein Brillenglas zu fertigen. Dabei wird nicht nur viel Wasser verbraucht, sondern es entsteht auch Mikroplastik. Um die Umwelt zu schonen, hat der Vegesacker Optiker eine neue Anlage angeschafft. Dadurch verbraucht er nur noch ein Bruchteil des Wassers, das normalerweise nötig wäre. Und die Schleifrückstände samt Mikroplastik landen nicht im Abwasser, sondern werden von einem Unternehmen abgeholt und aufbereitet. Später wird der Abfall zu neuen Produkten verarbeitet.
Die Anlage steht direkt unter dem Schleifautomaten und setzt sich aus drei silbernen Kisten zusammen. In ihnen werden zum Beispiel Schleifrückstände, die auch Mikroplastik enthalten, aufgefangen. Dadurch können die Partikel nicht ins Abwasser gelangen. Zwar verfügte auch seine alte Anlage über einen solchen Behälter. "Dennoch war es aber nicht auszuschließen, dass ein Teil des Mikroplastiks trotzdem im Abwasser landet", erzählt Pieke.
Dass bei der Herstellung einer Brille überhaupt Mikroplastik entsteht, liegt an der Beschaffenheit der Brillengläser. "Gläser aus Glas werden heute praktisch gar nicht mehr hergestellt", erklärt Mitarbeiter Hagen Höljes. "99,5 Prozent aller Gläser werden heute aus Kunststoff produziert."
Würde der Optiker die Partikel nicht selbst aus dem Abwasser herausfiltern, müsste der Abwasserentsorger diese Aufgabe übernehmen. "In Bremen gibt es zwei Systeme, das Mischsystem und das Trennsystem", sagt Oliver Ladeur. Während in einer Mischkanalisation sowohl Schmutz- als auch Regenwasser abgeleitet wird, werden die beiden Abwasserarten in einem Trennsystem separat voneinander behandelt, erklärt der Sprecher von Hansewasser.
In Vegesack und Blumenthal kommt das Mischwassersystem zum Einsatz. Über Schmutzwasserkanäle gelangt das Abwasser in die Kläranlage nach Farge. Aus aktuellen Studien weiß Ladeur, dass bis zu 99 Prozent des Mikroplastiks aus dem Abwasser herausgeholt werden. "Das Mikroplastik bleibt im Klärschlamm, der verbrannt wird", erläutert er.
Anders sieht es beim Trennsystem aus. Mikroplastik entsteht hauptsächlich im Straßenverkehr. Verantwortlich dafür ist nach den Worten von Oliver Ladeur der Reifenabrieb. "Über das Regenwasser gelangen die Teilchen in die Kanalisation und kommen so auch in Fleete und Gewässer", sagt er. Deshalb erarbeiten Hansewasser, die senatorische Behörde für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau sowie der Umweltbetrieb Bremen aktuell verschiedene Verfahren, um die Mikroplastikkonzentration in den Gewässern zu reduzieren.
Durch die neue Anlage kann Torsten Pieke zudem seinen Wasserverbrauch senken. "Das Wasser benötigen wir, um das Glas beim Schleifen zu kühlen", erläutert der gebürtige Farger. Je nachdem, wie das Glas bearbeitet werden muss, braucht er bis zu 15 Liter. "Jahr für Jahr kam ich so auf einen Verbrauch von etwa 20.000 Litern", sagt Pieke. Durch die neue Technik braucht der Optiker nun nicht mehr für jedes Glas frisches Wasser. Stattdessen wird das Wasser in der Anlage aufbereitet und kann so für mehrere Tausend Schleifvorgänge genutzt werden. Dadurch wird sich sein Wasserverbrauch auf etwa 100 Liter im Jahr reduzieren.
Doch wegen der Kostenersparnis hat er die Anlage nicht angeschafft. "Für 20.000 Liter plus Abwasserkosten zahle ich etwa 100 Euro", rechnet er vor. "Damit sich die Anschaffung lohnt, müsste ich die Anlage etwa 100 Jahre nutzen." Trotzdem hat er fast 10.000 Euro für das System ausgegeben. Pieke sieht das als eine Investition in den Umweltschutz. "Es gibt aber auch noch einen zweiten Grund", sagt er. "Wer weiß, vielleicht ist es irgendwann einmal Vorschrift, so ein System zu nutzen."
Die Entscheidung, die neue Anlage anzuschaffen, hat er gemeinsam mit seinen Mitarbeitern getroffen. "Es hätte ja auch sein können, dass meine Mitarbeiter es sinnvoller finden, das Geld beispielsweise in eine neue Beleuchtung zu investieren", sagt er. Doch seine Angestellten hätten die Idee von Anfang an unterstützt. "Wie wichtig Umweltschutz ist, wird einem immer bewusster", sagt seine Angestellte Joana Glade. "Viele versuchen, im privaten Bereich darauf zu achten. Warum sollten wir das dann nicht auch hier im Betrieb tun?"
Bisher wird das System allerdings nur von wenigen Optikern in Bremen genutzt. Wie Torsten Pieke vom Hersteller erfahren hat, gibt es neben ihm noch einen weiteren Betrieb in der Hansestadt, der aktuell auf dieses System setzt.