Angesichts der sich zuspitzenden Trinkwassersituation will Bremen bis Ende 2020 die Grenzen für eine neue, größere Trinkwasserschutzzone in Vegesack festlegen. Ein hydrogeologisches Gutachten mit einem Abgrenzungsvorschlag für die Schutzzonen liege mittlerweile vor, sagt Jens Tittmann als Sprecher der Umweltbehörde. Doch die Lage des Schutzgebiets im urbanen Raum stellt nach seinen Worten eine besondere Herausforderung dar: „Das Schutzkonzept orientiert sich daher sowohl an den Erfordernissen des Grundwasserschutzes als auch an der Betroffenheit der Unternehmen in Bremen-Nord.“ Anders formuliert: Die Behörde versucht, einen Spagat hinzubekommen.
Der Schutz des Trinkwassers sorgt in Bremen-Nord seit Jahren für Diskussionen. Bereits 2018, als sich das hydrogeologische Gutachten in der Endabstimmung befand, hegten die Firmen Bedenken: Sie fürchteten strengere Auflagen und damit verbundene Kosten.
„Es wurden einige Gespräche mit Unternehmen geführt, die in besonderer Weise von der Einrichtung des Wasserschutzgebietes betroffen sein werden. Eine breite Ansprache der Vegesacker Unternehmen sollte eigentlich auch bereits starten – da hat allerdings die Corona-Pandemie einen Strich durch die Rechnung gemacht: Der gesamte Prozess der Ausweisung ist zunächst ins Stocken geraten“, berichtet Handelskammer-Präses Janina Marahrens-Hashagen.
Die Handelskammer setze sich dafür ein, dass Bremen-Nord ein attraktiver Wirtschaftsstandort bleibt: „Trinkwasserschutzgebiete, so wichtig sie auch sind, bedeuten für die dort ansässigen Unternehmen Einschränkungen. Wir engagieren uns dafür, dass diese Einschränkungen so gering wie möglich gehalten werden. So haben wir uns zum Beispiel dafür ausgesprochen, die geologischen Grundlagen des möglichen Schutzgebietes so genau zu ermitteln, dass das Gebiet wirklich nur dort ausgewiesen wird, wo es unbedingt zum Schutz des Trinkwassers erforderlich ist. Außerdem setzen wir uns für Kompensationen der entstehenden Belastungen für den Standort ein.“
Bestehende Unternehmen genießen Bestandsschutz
Wie hoch die Kosten für die Unternehmer sein werden, die durch neue Auflagen entstehen, ließe sich pauschal nicht beantworten. „Für eine große Zahl von Unternehmen wird sich auch nach Ausweisung des Schutzgebietes nicht viel ändern. Für diejenigen, die zum Beispiel mit wassergefährdenden Stoffen arbeiten, werden die Anforderungen natürlich steigen. Allerdings ist auch dort zu beachten: Bestehende Unternehmen genießen Bestandsschutz, das heißt, die gestiegenen Anforderungen gelten nur für Änderungen der bestehenden Substanz.“
Im Rahmen einer Informationsveranstaltung will das Umweltressort nun die künftigen Auflagen und Anforderungen im Detail mit den Unternehmern besprechen. Jens Tittmann: „Ein Ver- und Gebotskatalog der Verordnung für das Wasserschutzgebiet in Vegesack ist in Vorbereitung. Eine endgültig abgestimmte Verordnung wird es erst nach der Festsetzung des Wasserschutzgebietes geben.“
Auf der Basis einer Bohrdatenbank und eines Grundwasser-Strömungsmodells des geologischen Dienstes für Bremen sei eine Unterteilung des Wasserschutzgebietes in die Zonen I (unmittelbarer Fassungsbereich um die Brunnen an der Uhthoffstraße), Zone II (engere Schutzzone) und Zonen IIIa und IIIb möglich, erläutert Jens Tittmann. „Insbesondere die mögliche Unterteilung der Zone III (weitere Schutzzone) in die Zonen IIIa und IIIb ist eine wesentliche Erkenntnis des Gutachtens und führt zu einer deutlich geringeren Betroffenheit von Betrieben und Unternehmen in Vegesack im Vergleich zu den Flächen, die noch im Gutachten von 1997 ermittelt worden waren.“ Schon jetzt sei klar, dass das Bachbett der Schönebecker Aue in eine Schutzzone III aufzunehmen sei.
Abstimmung mit Niedersachsen
Bremen muss sich auch mit den Nachbarn in Niedersachsen abstimmen. Die neue Schutzzone dehnt sich laut Umweltbehörde bis in den Landkreis Osterholz aus: „Ähnlich wie beim Wasserschutzgebiet Blumenthal erstreckt sich die Schutzzone IIIb auf das Gebiet des Landkreises bis über die A 27 in nordöstlicher Richtung hinaus. Die Bearbeitung der grundstücksscharfen Abgrenzung der Schutzzonen ist zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen“, berichtet der Behördensprecher. Doch nicht nur Betriebe und die niedersächsischen Nachbarn wollen beim Trinkwasserschutz mitreden.
Streit gibt es unter anderem um ein geplantes Baugebiet in Vegesack: „Der BUND fordert für die weitere Planung einer Bebauung im Bereich In den Wellen ein Moratorium, solange die Ausweisung des Trinkwasserschutzgebietes nicht abschließend erfolgt ist. Denn erst wenn die Grenzen des Trinkwasserschutzgebietes final feststehen, die uns derzeit aber noch nicht bekannt sind, können wir etwaige Auswirkungen einer Bebauung des Grundstücks auf das Trinkwasserschutzgebiet beurteilen“, so Bernd Quellmalz, Sprecher des BUND Landesverband Bremen.
Nach den Worten von Behördensprecher Tittmann werden die vier geplanten Häuser nicht in der Zone II, sondern in der Zone III a stehen. „Hier ist eine Bebauung mit Wohnhäusern nach WSG-Verordnung unter Auflagen erlaubt.“ Die Bebauung In den Wellen werde sich, sofern wasserwirtschaftlich verträglich, den Anforderungen des Wasserschutzgebietes unterordnen. Es sei daher jetzt auch nur noch eine sehr geringe bauliche Ausnutzbarkeit im Vergleich zu der noch in den Jahren 2016 und 2017 angedachten Reihenhausbebauung zugelassen.
Noch schärfer sind die Auflagen in Zobe II. Jens Tittmann: „Genauso wie es das hydrogeologische Gutachten vorsieht, werden in der Wasserschutzzone II keine baulichen Anlagen, auch keine Terrassen oder ähnliches zugelassen.“ Auch eine gärtnerische Nutzung werde im Sinne des Wasserschutzes mit Auflagen versehen.