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Nordbremer Ausstellungsort Der letzte Abend in der Havengalerie

Nach mehr als sieben Jahren ist Schluss: Am vergangenen Wochenende hat Diana Nukic den Betrieb ihrer Havengalerie eingestellt. Was die Gründe dafür sind.
03.10.2022, 16:46 Uhr
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Von Christian Pfeiff

„Ich dachte, wenn ich Corona überstehe, kann es nicht schlimmer kommen – doch leider kam es schlimmer“ verkündet ein Text auf einem unauffälligen DIN-A4-Ausdruck neben der Eingangstür der – nunmehr ehemaligen – Havengalerie. Die Verfasserin des Texts ist Betreiberin Dijana Nukic, die Vegesack zuvor mehr als sieben Jahre lang als Galeriestandort für Cartoonausstellungen etablierte, dieses Projekt nun jedoch spürbar schweren Herzens aufgibt.

Den Grund verrät der unauffällige Zettel ebenfalls: Die Energiekosten für die Beheizung der hohen Räume seien schon vor der aktuellen Energiekrise ein echter „Geldfresser“ gewesen; das finanzielle Risiko durch gestiegene Energiepreise mithin zukünftig nicht mehr tragbar. Die Alte Hafenstraße wird somit um eine Kulturstätte ärmer, denn eine Wiederaufnahme des Galeriebetriebs scheint unwahrscheinlich – zumindest in den angestammten Räumlichkeiten. „Ich habe mich schweren Herzens entschieden, hier keine Kosten mehr zu verursachen“, schreibt Nukic.

Die Aufgabe des Standorts bedeute indes nicht zwingend das Ende der Galerie als solches: Das Kulturbüro habe bereits Kooperationsbereitschaft signalisiert, auch der in Oldenburg ansässige Lappan-Verlag ernannte Nukic bereits zur Jurorin kommender Karikaturpreisverleihungen: „Ich werde der Cartoonwelt also wahrscheinlich auf die ein- oder andere Weise erhalten bleiben“, verspricht Nukic.

Allerdings künftig nicht mehr in der Alten Hafenstraße. Statt einer großen öffentlichen Abschiedsveranstaltung entschied sich Nukic für einen Abschied im kleinen Kreis mit geladenen Gästen – hauptsächlich Nachbarn und Freunde der Galerie, aber auch Cartoonist Mario Lars, dessen ursprünglich nur bis Ende Juni geplante Ausstellung „Mein Gott, Alter“ noch immer die Galeriewände ziert, sowie Dieter Schwalm, Mitbegründer des Lappan-Verlags.

Beide nutzten den Anlass, um Nukic für ihr Engagement für die deutschsprachige Cartoon-Szene zu danken – und um auf etwas eigenwillige Weise Optimismus auszudrücken: „Zur Erinnerung: Ich komme aus einer Pleitefirma, dem damaligen Stalling-Verlag. Wir haben daraufhin den Lappan-Verlag gegründet, der heute der erfolgreichste Cartoon-Verlag in Europa ist – so etwas wünsche ich Dir auch“, wandte sich Schwalm an Nukic.

In den siebeneinhalb Jahren ihres Bestehens beherbergte die Havengalerie rund 21 Cartoon-Ausstellungen, diverse Buchpräsentationen und Signierstunden. „Bei Uli Stein haben sich die Leute bis auf die Straße gedrängt“, erinnert sich Nukic. Dass es allerdings überhaupt so gekommen ist, sei letztlich einer Verkettung glücklicher Umstände zu verdanken, resümierte Nukic in ihrer vorerst letzten Ansprache als Galeristin: „Als wir die Havengalerie im März 2015 eröffneten, hielt sich die Anzahl unserer Besucher in sehr überschaubaren Grenzen und wir haben uns vorgestellt, wie es wohl wäre, wenn Cartoonkünstler wie Til Mette oder Uli Stein bei uns ausstellen würden“, so Nukic über die Anfänge.

Ohne große Hoffnungen verfasste sie daraufhin eine E-Mail mit dem Betreff „Fragen kostet nichts“ an den in Hamburg ansässigen Til Mette. „Ein paar Tage später erhielt ich einen Anruf samt Einladung nach Hamburg – und hatte auf der Rückfahrt die erste Cartoon-Ausstellung der Havengalerie im Kofferraum.“ Diese entpuppte sich letztlich als Türöffner und überzeugte auch weitere renommierte Cartoonisten wie unter anderen Uli Stein, Martin Perscheid und Michael Holtschulte zu Werkausstellungen in Vegesack.

Neben den viel beachteten Ausstellungen namhafter Cartoonisten sind Nukic vor allem Gemeinschaftsprojekte über politische Zündstoff-Themen in bleibender Erinnerung geblieben, beispielsweise die begleitende Ausstellung zum Cartoon-Sammelband „Cartoons gegen Rechts“ im November 2018, aber auch die Ausstellung „Ansteckende Cartoons“ zum Thema Corona, in deren Rahmen die Galeristin erstmals selbst zur Buchverlegerin avancierte: „Von der heutigen Lappan-Verlagsleitung hieß es damals, das Thema würde in drei Monaten keinen Menschen mehr interessieren“, erinnert sich Nukic – und realisierte die Veröffentlichung eines entsprechenden Sammelbands auf eigenes Risiko, welches sich abermals auszahlte: Durch eine Meldung der Nachrichtenagentur Reuters avancierte das Buch zu einem bundesweiten Gesprächsthema.

Aufgeben kommt für Nukic nicht infrage: Ihre bis dato ebenfalls in der Havengalerie ansässige Werbeagentur „Kreative Fische“ will sie weiterhin betreiben; zunächst aus dem Homeoffice. Dort schreibt sie ebenfalls an einem ersten eigenen Buch, welches sie im kommenden Jahr zu veröffentlichen gedenkt. Auch eine Wiederaufnahme des Galeriebetriebs an anderer Stelle ist derzeit nicht völlig ausgeschlossen – so sangen alle Anwesenden zur Klavierbegleitung Ella Winkelmanns auf eine Melodie Udo Lindenbergs „Hinter der Galerie geht’s weiter“.

Die Frage nach dem „Wie“ lässt sich derzeit jedoch nicht beantworten: Bis zum Frühjahr 2023 wird der Galeriebetrieb in den „Winterschlaf“ gehen, wie der eingangs erwähnte Türzettel verkündet. Ob und wie es danach weiter geht, wird sich zeigen.

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