Wenn inmitten der Woche mehr als 350 Besucher anlässlich einer konzertanten Veranstaltung in den Kulturbahnhof strömen, würde man wohl intuitiv ein Gastspiel ungewöhnlich prominenten Ranges als Anlass hierfür vermuten. Wenn diese Besucher zu etwa 85 Prozent weiblich sind und mindestens 95 Prozent des Publikums vom ersten bis zum letzten Takt jedes angestimmte Lied mitsingen, würde der intuitive Verdacht unmittelbar in Richtung eines Frauenschwarms vom Schlage eines Julio Iglesias oder zumindest Mike Singer tendieren.
Tatsächlich stehen aber mit Simon Bröker und Maximilian Saul zwei Männer auf der Bühne, denen in optischer Hinsicht durchaus eine gewisse „Boyband-Tauglichkeit“ sowie in instrumentaler Hinsicht mindestens sauberes Handwerk zu attestieren ist; deren Prominenzfaktor indes nicht unbedingt mit den oben genannten zu vergleichen ist.
Mehr als 100 Konzerte jährlich
Dennoch gelingt es dem „Team Bröker“, norddeutschlandweit alljährlich über 100 Konzerte überwiegend auszuverkaufen. Ihr offenes Erfolgsgeheimnis hierfür nennt sich „Rudelsingen“ und erlebt derzeit in zahlreichen kleineren und größeren Städten der Region eine beeindruckende Renaissance.
Dass der erste Versuch, das beliebte Veranstaltungsformat auch in Vegesack zu etablieren, so dermaßen aufgehen und selbst Besucher aus umliegenden Städten an einem Mittwochabend in die nordbremer Suburbia locken würde, überraschte selbst die Initiatoren und Organisatoren: „Beim nächsten Mal müssen wir auf jeden Fall mehr Sitzplätze aufstellen“ konstatiert Simon Bröker, während sich die Mitarbeiterinnen des Kulturbüros am Tresen notieren, für die nächste Veranstaltung dieser Art dringend mehr Weißwein bereitzustellen.
Denn Singen macht bekanntlich durstig – und genau aus diesem Grund waren schließlich alle Anwesenden hier und bekamen vom „Team Bröker“ diesbezüglich in jeglicher Hinsicht amtliche Vorlagen zum Mitmachen geboten. Wie bereits als allgemein bekannt vermutet werden dürfte, werden die jeweiligen Liedtexte per Beamer synchron zur gespielten Musik großformatig und weithin lesbar auf eine Leinwand projiziert – und schon geht es los: Abbas „Dancing Queen“, „Dschingis Kahn“ von der gleichnamigen Band, „Skandal im Sperrbezirk“ von der Spider Murphy Gang, Monty Python's „Alway Look on the bright side of Life“, „Griechischer Wein“ oder auch „Highway to Hell“ - ein Gassenhauer jagt den nächsten und wird aus hunderten Kehlen ebenso begeistert wie bisweilen lautstark mitgesungen.
Ein bisschen „Konzertfeeling“ ist dennoch dabei: Was die beiden Herren auf der Bühne mit zwei Gitarren und einem kleinen Drumset live umsetzen können, spielen sie auch live; weitere Teile der verwendeten Instrumentals haben die studierten Musikpädagogen im eigenen Studio eigenhändig vorproduziert – für die beiden Vollblutmusiker Ehrensache, zumal Simon Bröker mit der Durchführung von über 100 Veranstaltungen im Raum Norddeutschland im Dienste der in Münster ansässigen „Rudelsingen“-GmbH gewissermaßen ein familiäres Erbe fortführt, mit dem er bereits 2014 begann – damals noch gemeinsam mit seinem Vater Dirk „Kuddel“ Bröker, welcher vielen Nordbremern als Frontmann der Oldieband „Tenders“ in Erinnerung geblieben sein dürfte, deren Neujahrskonzerte im Bürgerhaus regelmäßig für ausverkaufte Säle sorgte.
„Als mein Vater 2018 überraschend verstarb, musste ich mich natürlich entscheiden, ob ich das Rudelsingen fortführe oder nicht“, konstatiert Bröker. Da das Format zu diesem Zeitpunkt in Bremen und Umgebung jedoch bereits eine große Fanbasis hatte und dessen Fortführung zudem auch gewissermaßen das väterliche Andenken in Ehren hält, entschied sich Bröker für eine Fortsetzung – und nutzte gemeinsam mit seinem damaligen Kommilitonen und jetzigen Kollegen Maximilian Saul die „rudelsingfreien“ Coronajahre, um das Veranstaltungskonzept sowohl in technischer als auch inhaltlicher Hinsicht zu optimieren.
Repertoire umfasst 230 Lieder
„Unser Repertoire umfasst derzeit etwa 230 Lieder, dementsprechend können wie pro Veranstaltungsort locker versprechen, dass es mindestens ein bis zwei Jahre dauert, bis ein Lied wiederholt wird“, sagt Bröker. Den eigenen Musikgeschmack stellen beide dabei hintenan: „Die Lieder müssen allgemein bekannt und natürlich vor allem gut singbar sein“, benennt Bröker die einzig relevanten Kriterien.
Aus diesem Songfundus selektierte das „Team Bröker“ zur Vegesack-Premiere eine Art „Best Of“: „Wir spielen heute fast nur Lieder, von denen wir wissen, dass sie eigentlich immer und überall funktionieren“. Das Konzept geht auf: Mit fortlaufender Spielzeit wird die ohnehin von Beginn an mitsingfreudige Atmosphäre im Saal immer gelöster, viele tanzen begeistert mit und für ein anwesendes Geburtstagskind wird das Programm sogar noch um ein spontanes Ständchen erweitert, welches ebenfalls natürlich von allen Anwesenden mitgesungen wird.
Nicht wenige Besucher hofften bereits vor Veranstaltungsende auf eine baldige Fortsetzung des Formats an selber Stelle – allerdings müssen sich diese noch ein wenig gedulden: Das nächste Vegescker „Rudelsingen“ im Kulturbahnhof wird am 29. Oktober stattfinden; Eintrittskarten sind bereits im Vorverkauf erhältlich. „Wir suchen uns bewusst Termine innerhalb der Woche, um nicht mit den Wochenendveranstaltungen vor Ort zu konkurrieren“, erklärt Bröker.