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Historie Wie Vegesack vor 400 Jahren seinen Hafen bekam

Bremen brauchte einen neuen Hafen. Grund dafür war unter anderem, dass die Weser immer mehr versandete. Wir blicken zurück auf die Jahre, in denen Vegesack zum Hafenstandort wurde.
13.05.2022, 14:18 Uhr
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Wie Vegesack vor 400 Jahren seinen Hafen bekam
Von Aljoscha-Marcello Dohme

Die Bremer Schiffergilde stand vor rund 400 Jahren gleich vor zwei Problemen: Zum einen gab es weder an der Schlachte noch an der Balge einen Winterhafen, zum anderen versandete die Weser zunehmend. Dadurch kam es immer wieder zu Problemen in der Schifffahrt. Deshalb entschied sich die Stadt dazu, einen neuen Hafen bauen zu lassen. Der entstand zwischen 1618 und 1622 in Vegesack. Der älteste künstlich angelegte Hafen Deutschlands ist er damit allerdings nicht.

"Der Hafen musste natürlich auf bremischem Territorium gebaut werden, und da gab es nicht so viele Möglichkeiten", sagt Ulrich Weidinger. Der Historiker hat sich ausführlich mit der Geschichte des Vegesacker Hafens beschäftigt und ein Buch darüber geschrieben. Bei seinen Recherchen hat er herausgefunden, dass neben Vegesack noch zwei weitere Standorte in der engeren Auswahl standen. "Das waren Blumenthal und Lesumbrok", erzählt der Wissenschaftler. "Aber es hat sich schnell herauskristallisiert, dass Vegesack der günstigste Standort ist."

Denn Vegesack hatte damals nicht die Probleme, die es in der Stadt gab. "Die Fahrwassertiefe in Bremen erreichte teilweise nicht einmal mehr einen Meter, in Extremfällen unterschritt sie sogar die Marke von 80 Zentimetern", sagt Konrad Elmshäuser, Leiter des Staatsarchivs Bremen. "Damit war Bremen als Hanse- und Hafenstadt nicht mehr von seegängigen Schiffen, die voll beladen waren, erreichbar."

Doch der Zustand der Weser war nicht der einzige Grund, warum die Schiffergilde sich für die Gründung des Vegesacker Hafens aussprach. In Bremen fehlte damals nämlich eben ein Winterhafen. Deshalb mussten die Schiffe entlang der Unterweser abgestellt werden. Doch dieser Zustand war für die Schiffer unhaltbar. "Erstens waren die Schiffe damit nicht an einem Ort, sodass man sie nur schlecht bewachen konnte", sagt Ulrich Weidinger. "Zweitens verursachte der Weg zwischen dem Hafen und dem Liegeplatz zusätzliche Kosten."  

Aus diesen beiden Gründen fiel 1618 der Entschluss, den Vegesacker Hafen zu bauen. "Mindestens 30 Jahre zuvor gab es dafür aber schon die ersten Pläne", sagt Weidinger. "Es hat immer wieder Besichtigungsfahrten nach Vegesack gegeben. Hierbei hat man untersucht, ob der Standort der richtige für den Hafen ist." Außerdem hat der Historiker Belege dafür gefunden, dass der Bürgermeister sich zu dieser Zeit gemeinsam mit Bremer Ratsherren auf den Weg in die Niederlande gemacht hat. Zu den Hintergründen dieser Reise ist nichts überliefert. "Es spricht aber vieles dafür, dass man sich dort Häfen angeschaut hat, die ähnliche Probleme hatten wie der Bremer", sagt der Wissenschaftler. "Eventuell wurden damals auch schon Kontakte zu Ingenieuren in den Niederlanden geknüpft." Schließlich waren es Fachkräfte aus dem Nachbarland, die den Hafenbau maßgeblich unterstützten. 

Wie viel der Hafenbau damals gekostet hat, ist nicht bekannt. Dennoch ist die Finanzierung ein interessantes Thema für den Historiker. "Ein Großteil der Kosten hat das Haus Seefahrt übernommen", sagt er. Die gemeinnützige Stiftung wurde von der Bremer Schiffergesellschaft getragen und hatte sich zur Aufgabe gemacht, notleidende Schiffer finanziell zu unterstützen. "Ein Großteil des Vermögens ist in den Bau des Vegesacker Hafens geflossen", sagt Weidinger. "Eigentlich war das eine Zweckentfremdung der Gelder." Neben dem Haus der Seefahrt hat auch die Reederkasse einen Teil der Kosten übernommen. Wer wie viel bezahlt hat, ist aber unklar.

Nur wenige Erkenntnisse gibt es heute über die Bauphase und den Hafenalltag. "Das liegt daran, dass nur die Überlieferung des Rates vorliegt", sagt Konrad Elmshäuser. "Das sind zum Beispiel Ordnungen, Gebühren und Strafen." Weil sowohl der Bau als auch der Betrieb offenkundig problemlos verliefen, haben diese Ereignisse keine Spuren hinterlassen. 

Ende des 17. Jahrhunderts versandete die Weser auch zwischen Vegesack und Elsfleth. Damit wurde es für große, seegängige Schiffe immer schwieriger, den Vegesacker Hafen anzulaufen. Deutlich besser war die Situation ab Elsfleth und Brake. "Der Oldenburger Graf wollte diese Situation ausnutzen und den ganzen Seeschiffsverkehr, der nach Vegesack ging, an sich ziehen", erzählt Ulrich Weidinger. Die Pläne des Oldenburger Grafen, den Hafen in Brake als Konkurrenzhafen zu Vegesack auszubauen, erreichte auch das Bremer Rathaus. "Dieses Vorhaben wäre das Ende für Vegesack gewesen, weil die Fahrwasserbedingungen in Brake einfach günstiger waren", berichtet er.

Bremen sah sich daraufhin in Zugzwang und entschied sich dazu, die Stadt Bremerhaven zu gründen. "Das war im Bremer Hafensystem die nächste historische Zäsur", sagt Konrad Elmshäuser. "Zunächst gab es die stadtbremischen Häfen Balge und Schlachte. Anschließend kam der Vegesacker Vorhafen." Mit der Gründung des Hafens in Bremerhaven hat der Anleger in Vegesack seine ursprüngliche Funktion verloren. Fortan wurde er anderweitig genutzt, unter anderem als Standort für Werften und Heringslogger.

Bei ihren Recherchen haben Ulrich Weidinger und Konrad Elmshäuser aber auch noch etwas anderes herausgefunden: Der Vegesacker Hafen ist definitiv nicht der älteste künstlich angelegte Hafen Deutschlands. Ihnen zufolge ist der Schiffsanleger im schleswig-holsteinischen Tönning auf jeden Fall älter. Er wurde bereits 1611 gebaut.

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Info

Das Buch "Der Vegesacker Hafen von 1622. Vegesacks Hafengeschichte von den Anfängen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts" (ISBN: 978-3-95494-260-2) von Ulrich Weidinger ist eine Veröffentlichung aus dem Staatsarchiv Bremen. Es ist in der Edition Falkenberg erschienen und kostet 24,90 Euro.

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