Wie klingt es, wenn Stücke wie „Born to be wild“ der Gruppe Steppenwolf statt mit E-Gitarre und Schlagzeug von Instrumenten aus Holz gespielt werden, sprich mit Blockflöte, Kontrabass und Gitarre und ohne Gesang? Das Trio Wildes Holz bewies, dass man nicht nur Rocksongs, sondern auch Ohrwürmer aus eingängigem Pop oder aus der Barockzeit in mitreißende Instrumentalstücke verwandeln kann. Im Kito in Vegesack zeigte die Gruppe ihr ganzes enormes Können in einer riesigen Bandbreite von Musikstilen.
„Und das Holzambiente passt wunderbar zu uns“, sagt Tobias Reisige, als er das Programm unter den vielen Balken im Obergeschoss des Kito einleitete. Denn die Gruppe spielte fast nur auf Holz, traute sich jedoch mit den traditionellen Instrumenten auch an Punk, Jazz oder Elektropop heran und gewann altbekannten Songs durch ungewöhnliche und ideenreiche Instrumentierung neue, nie gehörte Seiten ab. Die Gruppe, die seit 25 Jahren besteht und bisher zwölf CDs veröffentlicht hat, ließ es aber nicht bei Interpretationen bekannter Rock- und Popsongs bewenden, sondern brachte auch Eigenkompositionen in ihr umjubeltes Programm ein.
Humor und Spielfreude
Besonders die Blockflöte wird als Instrument, auf dem kleine Kinder oft ihre ersten Musikstücke üben, gern als simpel und leicht zu erlernend belächelt – doch Tobias Reisige zeigte mit seinem unglaublich virtuosen Spiel, was in einer Blockflöte steckt. Er ließ es jedoch nicht bei dem schlichten Stab mit Löchern und Mundstück bewenden: Der Diplom-Blockflötist spielte auch die Knickbass-Blockflöte und die Subgroßbassblockflöte, die ihn an Höhe sogar überragte – was ihn nicht daran hinderte, mit dem großen Instrument hin und her zu schwingen, als hätte er eine Wandergitarre um den Hals.
Der Humor und die Spielfreude, mit der Tobias Reisige an der Flöte, Johannes Beer an der Gitarre und Markus Conrads am Kontrabass dem Holz wildeste Töne und Rhythmen entlockten, begeisterten das Publikum im ausverkauften Kito sofort: begeistertes Klatschen während des Programms und nicht enden wollender Beifall zum Schluss.
Tobias Reisige spielte die Blockflöte in teils rasendem, kaum für möglich gehaltenen Tempo, und Markus Conrads konnte auch dem schwerfällig wirkenden Kontrabass eine entzückende Vielfalt an Tönen und ungewöhnlichen Klängen entlocken. Der Gitarrist Johannes Behr, der am Conservatorium in Amsterdam Jazz-Gitarre studiert hat, zeigte immer wieder atemberaubende Läufe und tauschte häufig die schlichte Gitarre aus Holz gegen eine halbakustische Jazz-Gitarre aus, mit der er noch mehr Vielfalt in die Sounds brachte.
Musikalische Phantasie
Ob die Titelmelodie aus einem „Star Wars“-Film oder der Song „The Final Countdown“ der schwedischen Hardrockband Europe – die drei Instrumentalisten wussten den Kompositionen so viel abzugewinnen, dass sie wie nie gehört in die Ohren kamen. Bei „Born to be wild“ der Gruppe Steppenwolf hielt es das Publikum kaum noch auf den Sitzen, wurde anschließend aber durch ruhige und bedächtige Eigenkompositionen überrascht. Nach einem Schwenk zur irischen Folklore folgte wieder Elektropop, der auf den Holzinstrumenten zu komplexen Kompositionen geriet.
Nie kam Langeweile auf: Tobias Reisige machte ein Stück von John Dowland aus dem 16. Jahrhundert zu einem polyphonen Konzert aus mehreren Flöten, Markus Conrads zeigte mit Flageolett-Tönen und Trommelschlägen aufs Holz, was in einem Kontrabass steckt, und Johannes Behr schöpfte die Klangvielfalt der Gitarre mit Fingerpicking, kurzen Hammerschlägen auf die Saiten oder schnellem Gleiten über die Bünde voll aus.
Luigi Boccherinis berühmtes Menuett aus dem Streichquarett E-Dur oder auch Wolfgang Amadeus Mozart boten gleichsam Sprungbretter, um sich in wilde und mitreißende Improvisationen zu stürzen. Doch selbst Kindermusik, wie sie in der Serie „Die Biene Maja“ ein Grashüpfer vorträgt, inspirierte die Gruppe zu einzigartigen Klängen. Diese verdanken sich vor allem der musikalischen Phantasie der drei Instrumentalisten: Markus Conrads, der eigentlich studierter Informatiker ist, gelang es zum Beispiel durch Schlagen auf die Seiten im unteren Teil des Griffbretts oder auf Holz dem Kontrabass Percussion-Töne zu entlocken und die Rhythmen der Musik hervorzuheben. Witzige Einlagen reicherten die musikalische Vielfalt an, als zum Beispiel Markus Conrads so tat, als müsse er am Kontrabass während seiner Diplomprüfung etwas vorspielen: Er hantierte zunächst unsicher am Instrument und folgte dann den Vorgaben des Studiengangs, indem er ein atonales Stück begann: Schabegeräusche und Knarzen, um plötzlich in wilde Rockrhythmen überzugehen und der akademischen Tradition ein Schnippchen zu schlagen.