Das Vegesacker Geschichtenhaus verwandelte sich zur Premiere des Theaterstücks „Markheim“ in ein kleines Londoner Antiquitätengeschäft. Nach einer einwöchigen Verschiebung wegen eines Krankheitsfalls konnte die Erstaufführung unter der Regie von Hendrik Henjes und Helle Rothe nun stattfinden. Ein kleines Publikum wurde dazu in eine detailverliebte Kulisse eingeladen.
Das Theaterstück behandelt den Herren Markheim, der am Weihnachtstag ein Antiquitätengeschäft aufsucht. Nach erfolgreichen Börsengeschäften wolle er vom Händler ein Geschenk für eine Dame kaufen. Als dieser ihm einen Spiegel präsentiert, schreckt Markheim vor seinem eigenen Abbild zurück. In Wirklichkeit möchte er aber nichts kaufen, sondern den Händler ermorden und ausrauben. Doch weitere Kunden wollen den Laden besuchen und auch das angestellte Dienstmädchen droht, zurückzukommen und ihn bei seinen Taten zu erwischen. Plötzlich taucht dann auch noch ein „Besucher“ auf, der Markheim zu einer moralischen Auseinandersetzung anregt. Es ist ein „Kampf der doppelten menschlichen Natur“ zwischen Gut und Böse und „gegen die Zeit“, so Regisseur Hendrik Henjes.
Viele Interpretationsmöglichkeiten
Genau diese Thematik greift die von Henjes verfasste Theateradaption der 1885 erschienen Erzählung auf. So biete die Erzählung viele Interpretationsmöglichkeiten. Im Zentrum stehen ein Konflikt mit dem Selbst und die Frage nach der Natur des Bösen. Doch auch Religion und religiöse Werte und Traditionen werden aufgegriffen. Trotz seiner Verbindung zu Weihnachten sei es daher „kein typisches Weihnachtsstück“, so Henjes.

"Markheim", gespielt vom Ensemble des Vegesacker Geschichtenhauses, feierte am Wochenende Premiere.
Unter dem Motto „Weihnachten im Geschichtenhaus“ fand diese Veranstaltung statt. Helle Rothe, Co-Regisseurin der Aufführung und Leiterin des Hauses, freue sich, dass diese Tradition weitergeführt werden könne. Angefangen habe das Ensemble mit der „Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens, um „Weihnachtstheater für Erwachsene“ zu bieten. Auch in der Zukunft wolle man dies fortführen: „Wir lassen uns jedes Jahr etwas neues einfallen.“ Auch für das Ensemble sei es abwechslungsreicher, in andere Zeiten und Orte als das Vegesack der 1840er Jahre einzutauchen. Und die Unterstützung des Vegsacker Antiquitätengeschäfts „Laden 38“ habe hierbei erheblich geholfen.
Doch das Vegesacker Geschichtenhaus spielt nicht nur für ein erwachsenes Publikum, sondern auch für jüngere Menschen. Neben regulären Angeboten für Schulklassen gibt es zeitgleich zu „Markheim“ auch weihnachtliches Kindertheater. Dies stärke weiter die Rolle des Geschichtenhauses im Alten Speicher als kulturelles Zentrum der Gegend, so Rothe.
Und auch sozial spielt das Geschichtenhaus eine wichtige Rolle. Es ist Teil der „bras e.V.“, einem gemeinnützigen Bremer Beschäftigungsträger. Durch diese Theaterstücke biete der Verein Langzeitarbeitslosen und Migrantinnen und Migranten die Möglichkeit, einen Arbeitsplatz zu finden und einen strukturierten Weg in die Gesamtgesellschaft zu finden. Die Kreativität und das Selbstbewusstsein, die mit dem Theater einhergehen, seien laut Rothe hierfür ideal. Auch das Ensemble profitiere hiervon durch neue kreative Impulse.
Beifall mit Verzögerung
Das Publikum bedachte das Ende der Aufführung nach kurzem Zögern mit Beifall. „Dass Leute nicht wussten, ob es nun eigentlich zu Ende ist oder nicht“, habe man laut Henjes erwartet. Besucherin Heidi Büttner lobte insbesondere das Ambiente im Geschichtenhaus. Für sie sei das ganze Theaterstück ein Highlight gewesen. Harm Ridder war überrascht von der Rolle des personifizierten Gewissens und hob auch die Aufbereitung der Szenerie hervor. Besonders war auch, dass das Publikum später mit dem Ensemble im Geschichtenhaus über die Aufführung sprechen konnte. Die Erfahrung war „auf jeden Fall etwas besonderes“, so Ridder.
Nach der vergangenen Premiere stehen bis in den Januar nächsten Jahres weitere Aufführungen von „Markheim“ an. Die kleine detailreiche Kulisse biete hier eine „einzigartig persönliche“ und „intime“ Erfahrung – ein Erlebnis, „das sich wirklich lohnt.“