Konzerte und Abende im Bademantel, Revierkämpfe und Menschen aus aller Welt die Stammgäste wurden: Dies sind nur einige Eindrücke aus 15 Jahren Horizont, der Kneipe an der Alten Hafenstraße in Vegesack. Udo Schmidt gründete das "Hori", wie es seine Gäste liebevoll nennen, 2008 und übergab es Ende vergangenen Jahres an Mia Fricke. Gemeinsam können die beiden Wirte aus einem großen Pool an Erinnerungen schöpfen.
Prägend seien die Konzerte gewesen, findet Udo Schmidt. „Wir haben 'De fofftig Penns' groß gemacht. Nachdem sie hier gespielt haben, sind sie durchgestartet“, so Schmidt über die Nordbremer Band. Außergewöhnlich waren auch die Partys von DJ Tide. „Da kamen viele neue Leute, die so auch ins Viertel gepasst hätten“, erinnert sich Mia Fricke. Zu den eindrucksvollsten Konzerten gehörte für beide aber das des Udo Lindenberg Doubles Markus Krey. „Ich habe mich dafür selbst aus dem Krankenhaus entlassen, und als es dann im Gange war, fiel plötzlich die Technik aus. Also ging es unplugged weiter“, berichtet Udo Schmidt. „Bei „Hinter dem Horizont“ standen alle auf den Stühlen. Es war wirklich bewegend“, so Schmidt, der an diesem Abend nicht nur den vierten Geburtstag des Horizont, sondern auch den Sieg über den Krebs feierte.
Daneben lebte die Kneipe laut beider Wirte auch immer von den Menschen, die in der Gegend arbeiten. So gehörte Paul aus Kanada zur Stammkundschaft. „Paul war Eishockey-Weltmeister und arbeitete bei Thyssen. Mit Fußball konnte er nichts anfangen, nannte es einen Sport für Frauen und Kinder“, erzählt Mia Fricke. „Inzwischen hängt ein Werder Trikot in seiner Stammkneipe in Kanada“. Jahrelang war Paul Gast im Horizont, lernte dort Grünkohl kennen und sorgte für bleibende Erinnerungen. Sogar während einer Weltreise mit seiner Lebensgefährtin legte er einen Stopp im "Hori" ein. „Rom, London, Madrid und Vegesack“ zählt Mia Fricke die Reiseroute lachend auf.
Das Horizont kann auf treue Gäste bauen. „Es gibt einige, die schon immer da waren. Andere sind weggegangen oder verstorben“, berichtet Schmidt und erzählt von Ilse, die wollte, dass ihre Urne auf dem Tresen steht. „Wir haben noch Deckel von Gästen hier, die verstorben sind. Von Menschen, die immer da waren und plötzlich blieb der Stuhl leer“, so Schmidt. Es gibt aber auch Konstanten. „Pit und Andi saßen am Eröffnungsabend am Tresen und starrten mich nur an“, erinnert sich der Wirt an seine Stammgäste. „Später habe ich erfahren, dass Wetten abgeschlossen wurden, wie lange sich der Laden hält“. Auch mit Schutzgelderpressern hatte er zu tun. „Sie gaben aber auf, als sie merkten, dass es nichts zu holen gibt“. Für eine Gruppe Rocker war das Horizont schlussendlich ebenfalls uninteressant. „Es gibt hier einfach nicht genug Parkplätze“, so Schmidt schulterzuckend.
Generell war die Kneipe oft ein attraktives Ziel für verschiedenste Gruppen. Nicht immer zur Freude aller. In diesem Zusammenhang erinnert sich Udo Schmidt an einen Nachmittag im Sommer. „Ein paar Leute aus der rechten Ecke wollten uns zu ihrer Stammkneipe machen. Da hatten aber einige etwas dagegen. An diesem Nachmittag trafen sie vor dem Laden auf eine Gruppe Vegesacker Punks, die oft bei uns war. Es gab keine Handgreiflichkeiten, aber es lag etwas in der Luft und dann zogen sich Rechten zurück“, berichtet Udo Schmidt.
Handgemenge seien im Horizont generell selten, auch wenn man nicht immer eine Meinung ist. „Hierher kommen Leute aus allen Schichten. Es gibt kein Herab- und kein Raufblicken. Unterschiedliche Ansichten werden diskutiert, das geschieht aber, ohne dass sich jemand kloppt. Das ist schon beeindruckend“, findet Mia Fricke. Insgesamt sei das Horizont mehr als eine Kneipe. „Es ist ein sozialer Treffpunkt“, fasst Udo Schmidt zusammen. So gibt es die Gäste, die auf ein Feierabendbier oder eine Fußballübertragung vorbeikommen. Das Horizont ist auch die Basis und der Geburtsort des Kutterpull-Teams Horizont. Jeden Monat kommen zudem Menschen zusammen, um sich im Kneipenquiz zu messen. „Früher gab es auch Skat-Turniere und Tatort schauen. Legendär waren die Ditsche-Nächte, an denen alle in Bademänteln kamen, um die Sendung zu schauen“, erinnert sich Udo Schmidt. „Damals gab es keine ruhigen Abende, aber die Leute sind älter geworden. Die Stammgäste sind zwar geblieben, trotzdem haben wir uns mit Billard, Quiz und weiteren Angeboten breiter aufgestellt“, so Schmidt. Mia Fricke ergänzt: „Das ist wichtig, um auch jüngere Gäste zu erreichen, denn die Kneipenszene ist am Boden und braucht Nachwuchs, um zu weiterzuleben“.