Auch so kann's gehen: Da werden von Investoren und Projektentwicklern reihenweise Fotovoltaik-Anlagen auf Neubauten installiert, so wie es Stadt und Umweltbehörde wollen, und trotzdem fließt kein nachhaltiger Strom. Die Technik, um Energie zu gewinnen, ist zwar da, aber nicht die Technik, um die Module quasi scharf zu schalten, damit sie ans Netz gehen können. Über Monate geht das bei manchen Bauvorhaben inzwischen so – aus mehreren Gründen.
Jan-Gerd Kröger hat es grob überschlagen. Seit Oktober sind die Fotovoltaik-Module auf dem Dach seines neuen Büro- und Geschäftshauses am Blumenthaler Bahnhof. Nach Rechnung des Rönnebecker Bauunternehmers hat die Anlage rund 100.000 Euro gekostet, nur Wert ist sie bisher nichts, weil sie noch kein einziges Kilowatt produzieren konnte. Dabei hatte die Baubehörde bei der Genehmigung darauf gedrungen, dass die Anlage kommt. Auch wegen eines Folgevorhabens, das jetzt genauso ruht wie die regenerative Stromgewinnung.
Carsharing-Stützpunkt ist der Neubaukomplex schon, jetzt sollte er auch für die Elektroflotte von Cambio hergerichtet werden. Mit einer Ladesäule, die von den Fotovoltaik-Elementen gespeist wird. Doch keine Energie aus Sonnenkraft bedeutet eben auch keinen grünen Strom für Autos ohne Verbrenner. Kröger sagt, immer wieder bei der Stadt angerufen zu haben, um endlich einen Termin für den Netzanschluss zu bekommen. Auch in dieser Woche hat er telefoniert. Ohne dass ihm jemand sagen konnte, wann es denn nun losgeht.
Olaf Mosel kennt die Probleme zur Genüge. Der Geschäftsführer des Vegesacker Bauträgers M-Projekt hat, wenn man so will, im Moment gleich fünf davon. So viele Vorhaben mit Fotovoltaik gibt es aktuell bei dem Unternehmen – und bei so vielen dauert das Prozedere, die Anlagen produzieren zu lassen, immer noch an. Mosel spricht von Monaten, die bei jedem Verfahren vergehen. Und von einem bürokratischen Aufwand, der enorm ist, bevor bei den Anlagen sozusagen der Schalter umgelegt werden kann.
Keiner weiß das bei M-Projekt besser als Alexander Pilarczyk. Er ist bei der GmbH & Co. KG fürs Controlling zuständig und hat sich mit den Abläufen auseinandergesetzt. Er sagt, dass es im Vorjahr bis zu sechs Monate gedauert hat, um eine Anlage ans Netz zu bekommen. Und dass der Frust der Bauträger groß war. Seit Anfang 2023 ist er ihm zufolge etwas kleiner geworden, weil vermehrt auch Anlagenbauer für die Freischaltung sorgen können. Ein komplexer Prozess ist der Anschluss aber immer noch.
Dass viele Papiere vorgelegt werden müssen, beschäftigt SWB-Tochter Wesernetz seit Anfang an. Sie hat am Ende dafür zu sorgen, dass die Technik angeschlossen wird. Unternehmenssprecherin Angela Dittmer kommt auf ein Dutzend Formulare, Nachweise, Herstellerunterlagen, Datenblätter, Prüfberichte, Zertifikate und Bescheinigungen, die vorgelegt werden müssen. Und die alle von Wesernetz zu kontrollieren sind. Mit der Folge, dass es dauern kann, ehe eine Freigabe von Fotovoltaik-Modulen erfolgt.

Jan-Gerd Kröger
Und jetzt noch länger dauert, weil sich die Zahl der Anlagen vervielfacht hat. Laut Dittmer waren es im Vorjahr rund 700 – und damit doppelt so viele wie 2021 und sechsmal so viele wie in den Jahren davor. Für 2023 erwartet die Firmensprecherin einen weiteren Anstieg, weil die Umsatzsteuer auf Fotovoltaik-Technik weggefallen ist. Sie kann nicht sagen, wie viele Anträge noch offen sind. Sie spricht aber von einem Handlungsdruck, der so groß ist, dass das Team, das für Anschlüsse zuständig ist, verstärkt werden soll.
Genauso wie der Bestellservice. Nach Dittmers Worten sind die Lieferzeiten für manche Bau- und Zubehörteile inzwischen zwar kürzer geworden, auf sie warten müssen die Techniker aber immer noch. Und Bauunternehmer, die wie Jan-Gerd Kröger ihre Fotovoltaik-Module seit Längerem ans Netz bringen wollen. Er sagt, dass für die Anlage seines Blumenthaler Bürohauses nur noch eines fehlt, das von den Wesernetz-Monteuren installiert werden muss: ein sogenannter Funk-Grundsteuer-Empfänger.
Demnächst will die Gesundheitsbehörde ihre Anlaufstelle in dem Neubau an den Gleisen eröffnen. Auch Senatorin Claudia Bernhard (Linke) wird dann kommen. Kröger überlegt, bei dieser Gelegenheit einmal zu sagen, wie schwierig es sein kann, aus einem Gebäude ein nachhaltiges Gebäude zu machen.