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Bremen-Nord Tatort Baustelle: Wie Projektentwickler ihre Vorhaben schützen müssen

Inzwischen gibt es kaum noch eine Baustelle, die nicht überwacht wird. Wie viel Projektentwickler in Sicherheitstechnik investieren und welche Schäden es durch Diebstähle und Vandalismus gab – ein Überblick.
17.09.2023, 06:00 Uhr
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Tatort Baustelle: Wie Projektentwickler ihre Vorhaben schützen müssen
Von Christian Weth

Früher genügte es, Arbeitsgeräte auf Baustellen an einem Kran hochzuziehen, um sie vor Dieben zu schützen – heute dagegen wird so viel geklaut und kaputtgemacht, dass ein Kran nicht reichen würde, um alles zu sichern. Waschbecken, Heizungen, Türzargen, Elektrokabel, Werkzeuge, Baustoffe: Es gibt fast nichts, was nicht mitgenommen oder zerstört wird. Wie Projektentwickler und Bauträger im Bremer Norden versuchen, ihre Vorhaben zu schützen, wie viel sie inzwischen für Sicherheitstechnik ausgeben müssen und welche finanziellen Schäden entstehen. Ein Überblick. 

M-Projekt: Keine Baustelle ohne Videoüberwachung – seit ungefähr fünf Jahren, meint Geschäftsführer Philipp Romeiser, ist das so. Und gibt es kaum noch ein Vorhaben des Nordbremer Projektentwicklers im Stadtgebiet, bei dem nicht Unbekannte irgendetwas mutwillig zerstören oder Materialdiebe gezielt auf Beutezug gehen. Manchmal mehrmals. Mit der Folge, dass bei einer Kalkulation inzwischen automatisch der Posten für die Baustellensicherung vorkommt. Nach Romeisers Rechnung kostet sie mehrere Zehntausend Euro und wird je nach Umfang der Technik, die auf einem Gelände oder in einem Gebäude eingesetzt wird, immer teurer. Und je nach der Länge der Bauzeit.

Die Projektentwicklergesellschaft setzt auf Überwachungsanlagen, auf die mittlerweile alle setzen: Kameratürme, Strahler, Lautsprecher – und Securitykräfte, die vor Monitoren sitzen und jeden übers Mikro ansprechen, der auf der Baustelle nichts zu suchen hat. Oder die gleich die Polizei rufen. Romeiser sagt, dass die Technik gut ist und kaum ein Unbefugter davonkommt. Wenn denn die Beamten schnell genug sind und die Kameras jemanden erfassen. Im Mai taten sie es nicht. Und konnte ein Unbekannter alle Leitungen in einem Rohbau öffnen. 50.000 Liter Wasser liefen in den Estrich. Er musste raus und alles getrocknet werden. Was Wochen dauerte und eine fünfstellige Summe kostete.

Procon: Laut Thorsten Nagel haben Projektentwickler und Bauträger mittlerweile keine Wahl mehr: Sie müssen alles überwachen lassen, weil der Klau am Bau seit Jahren zunimmt. Und das Aufkommen an Fällen von Vandalismus gleich mit. Der geschäftsführende Gesellschafter führt gerade Gespräche darüber, künftig auch Gelände und Gebäude mehr als bisher sichern zu lassen, die erst noch Baustelle werden sollen. Die Schäden, die manchmal in Altbauten angerichtet werden, noch bevor sie saniert oder umgebaut werden konnten, sind seiner Erfahrung nach zu einem Kostenfaktor geworden, der inzwischen über dem für zusätzliche Schutzvorkehrungen liegt.

Nagel ist davon überzeugt, dass die Täter genau wissen, wie sie vorgehen müssen. Bei einem Projekt räumten sie nicht nur Werkzeugcontainer leer und ließen Stahl mitgehen, sondern kappten auch Starkstromleitungen einer Verteileranlage an der Straße, ohne sich dabei zu verletzen. Dass Kupfer aus Kabeln eine begehrte Beute ist, erlebt Nagel immer wieder. Auch Leitungen, die in Rohbauten aus der Decke ragen, werden abgeschnitten – und zwar bündig, sodass die komplette Elektrik erneuert werden muss. Oder eine Fußbodenheizung auf 800 Quadratmetern, weil Unbekannte den Estrich aufstemmten, um an die Leitungen zu kommen. Die zusätzlichen Kosten, sagt Nagel, waren sechsstellig.

Kröger Bau: Jan-Gerd Kröger hat es nachgerechnet: Der Blumenthaler Firmenchef kommt auf eine Schadenssumme zwischen 5000 und 10.000 Euro, die ihm jedes Jahr durch Diebstähle auf Baustellen entstehen. Die Beträge durch Vandalismus kommen noch obendrauf. Wie hoch die sind, lässt der Bauunternehmer offen, macht aber deutlich, dass sie mittlerweile Einfluss auf die Arbeitsweise seines Betriebes genommen haben. Sobald eine Fassade eines Neubaus fertig ist, erklärt er, muss sie vom Auftraggeber auch abgenommen werden – wegen der Graffiti-Sprayer. Und wegen der Kosten, die Graffiti wieder von den Außenmauern zu bekommen.

Eine andere Regel lautet: Nichts auf Baustellen zurücklassen. Keine Werkzeuge und wenn möglich auch kein Baumaterial. Kröger zufolge sind zwar mittlerweile alle Handwerksgeräte seiner Beschäftigten mit einem Sender ausgestattet, sodass sie geortet werden können. Nur bedeutet das nicht zwangsläufig, dass sie die Werkzeuge auch zurückbekommen. Und bei einem Diebstahl von der Baustelle, sagt er, zahlt in der Regel keine Versicherung. Darum müssen die Geräte in den Firmenwagen deponiert werden. Mindestens ein halbes Dutzend Anzeigen stellt seine Baugesellschaft im Jahr. In diesem hat sie bisher in einem Fall gestohlenes Werkzeug zurückbekommen.

2P-Projektentwicklung: Vier Kameratürme, alle mit Lautsprecher und alle mit sogenanntem Greenlight ausgestattet, das für die Sicherheitskräfte am Bildschirm wie ein Nachtsicht-Modus wirkt – die Baustelle des Speicher-Quartiers hält Jenny Brandt für gut gesichert. So gut, dass nach Angaben der Bauleiterin bisher alle Versuche, über den Zaun zu steigen, gescheitert sind. Brandt spricht von mehreren Alarmierungen, die es gab. Und von ihrer Vermutung, dass Diebe nicht nur von der vielen Technik abgeschreckt werden, sondern auch von der zentralen Lage der Baustelle. Auf anderen, die weniger einsehbar waren, gab es ihr zufolge mehr Vorfälle als bei der Vegesacker. Zumindest bisher.

Die Abteilungsleiterin für Bau geht davon aus, dass ihre Zahl steigen wird, wenn die ersten Rohbauten die freie Sicht auf das Gelände nehmen – und das Kontingent an Handwerkern nach und nach zunimmt. Brandt weiß von anderen Großprojekten, dass dann auch falsche Trockenbauer, Elektriker oder Fliesenleger dabei sein können. Ihr zufolge kommen viele Materialdiebe nämlich nicht nachts, sondern wenn noch Betrieb auf den Baustellen ist. Dann werde so getan, als ob und in Wirklichkeit gestohlen, was andere geliefert haben. Je größer das Vorhaben, sagt sie, desto weniger kennen sich die Arbeiter untereinander. Und umso mehr nimmt das Diebstahlrisiko zu.

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