Wer in der Vegesacker Fußgängerzone die neuen Solarabfallbehälter nutzt, wird mit einem Miauen, Krähen, Iahen oder Bellen belohnt. Mit „witzigen Geräuschen, die aus den neu aufgestellten Behältern kommen“, will die Bremer Stadtreinigung den 200. Geburtstag der Stadtmusikanten feiern. Und wie reagieren die Vegesacker auf sprechende Abfalltonnen?
12 Uhr am Mittag. Die Sonne scheint aufs graue Pflaster der Fußgängerzone. Frauen mit Kinderwagen, quarzende Männergruppen und Kinder mit schmelzenden Eistüten in klebrigen Händen ziehen vorüber. Das perfekte Wetter, um eine Stunde lang die Resonanz auf die neuen Solarabfallbehälter zu beobachten.
Mehr als 2200 Abfallbehälter hat die Bremer Stadtreinigung im Stadtgebiet installiert. Dazu kommen 1000 Abfallbehälter in den Grünanlagen. Die neun neuen Solarpressanlagen in Vegesack stehen in Abständen an der Gerhard-Rohlfs-Straße verteilt und ergänzen dort drei alte, sogenannte „Wiesbadener Papierkörbe“, die nichts können – außer 120 Liter Müll zu schlucken.
Bremens neueste Abfalltonnen sind im Inneren zwar ebenfalls mit 120-Liter-Behältern ausgestattet, verfügen aber über eine kleine Abfallpresse und können mindestens das fünffache Volumen von Standard-Behältern aufnehmen. Sagt Michael Drost, Sprecher der Bremer Stadtreinigung. Der besondere Clou der
Neuen sei jedoch das Soundmodul. Werden Abfälle eingeworfen, ertönen anlässlich des 200. Geburtstages der Bremer Stadtmusikanten die Laute von Esel, Katze, Hund oder Hahn. Von außen unterscheiden sie sich von den alten Exemplaren vor allem durch einen großen Aufkleber: „Moin“ steht darauf.
Mülltonne mit Funkverbindung
Gleich am Beginn der Fußgängerzone an der oberen Gerhard-Rohlfs-Straße steht ein Solarbehälter. Von außen deutet nichts auf seine inneren Werte hin. Noch ist kein Nutzer in Sicht, aber das ist nur eine Frage der Zeit. Und wie reagieren die Vegesacker nun auf Hahngeschrei? Zehn Minuten später liegt ein erstes, nur vorläufiges Testergebnis vor. Sie reagieren nicht. Sie gehen geradewegs an der Tonne vorbei.
Haben die Vegesacker nichts wegzuwerfen? Oder entsorgen sie ihren Müll vielleicht lieber wild? „Es gibt immer Menschen, die den Müll auf die Straße werfen, obwohl ein Abfallbehälter in unmittelbarer Nähe steht. Die allermeisten nutzen allerdings die Abfallbehälter“, sagt Michael Drost. Immerhin zwei bis vier seiner Kollegen der Stadtreinigung seien in der Woche damit beschäftigt, diese Behälter zu leeren. Für die Arbeiterinnen und Arbeiter ist die Entleerung der modernen Tonnen übrigens viel einfacher: Er ließe sich drehen und kippen. Außerdem: Ist der Behälter fast voll, wird per Funk eine Nachricht zum Disponenten übermittelt. Dieser plant dann eine Leerung des Gefäßes in der nächsten Tour ein.
Nach Michael Drosts Worten landen jede Woche rund 600 Kilo Müll in diesen Abfallbehältern, bei Volksfesten wie kürzlich dem Hafenfest sogar manchmal das Doppelte. An den eingesammelten Mengen erkennt die Bremer Stadtreinigung, dass die Abfallbehälter gut genutzt werden.
Tatsächlich liegt an diesem Mittag wenig Müll in der Vegesacker Fußgängerzone herum. Nur in luftiger Höhe, zwischen zwei Buchstaben einer Werbetafel eines Geschäfts, klemmt ein Tetra-Pak, wo es nicht hingehört. Die fünf Umweltwächter, die von Jobcenter und Stadtcenter bezahlt werden, haben die Tüte entweder übersehen oder kommen nicht ran. „Problemzonen gibt es überall“, sagt Holger Degwitz am Telefon und meint damit eigentlich den Aumunder Marktplatz, der in der Nähe der Fußgängerzone liegt. Holger Degwitz ist Projektleiter beim Arbeit- und Lernzentrum in Vegesack und organisiert den Einsatz der insgesamt 15 Umweltwächter, die im Bremer Norden die Mitarbeiter der Stadtreinigung unterstützen.
Der Solarpressbehälter bleibt verwaist. Zeit für einen Standortwechsel. Weiter geht’s auf der Gerhard-Rohlfs-Straße in Richtung Bäckerei. Da könnte wenigstens eine Brötchentüte abfallen. Menschen gehen in den Bäcker. Menschen verlassen den Bäcker. Menschen interessieren sich nicht für den Abfallbehälter.
Endlich nähert sich eine potenzielle Testperson. Es ist ein etwa zehnjähriger Junge mit Käppi. Er schiebt mit der einen Hand sein Rad, mit der anderen hält er eine zerbeulte Fruchtsafttüte. Dem schlürfenden Geräusch im Strohhalm nach zu urteilen, ist sie fast leer. Der Junge nähert sich dem Behälter – und – schiebt dran vorbei.
Aber es gibt in der Fußgängerzone noch sieben weitere Tonnen, die als Studienobjekte herhalten können. Zwei neue Solarpressbehälter stehen übrigens auch am Vegesacker Bahnhof, einer in Lesum, ein weiterer in Blumenthal. Ähnliche Behälter gibt es auch in der Bremer Innenstadt. Irgendwann wird ja irgendwo mal einer bellen.
Es ist mittlerweile kurz nach halb eins. Frittenduft liegt in der Luft. Auf Höhe der Pommesbude und des Burger-Restaurants befinden sich die nächste moderne Müllstation und überdies nun auch eine Menge möglicher Solarpressanlagennutzer. Eine Frau beißt in ihre Bratwurst, aber die ist augenscheinlich noch so heiß, dass die Hoffnung auf einen Pappteller im Rachen der Müllpresse schwindet. Zumal die Frau mit ihrem Reise-Trolley bereits weiterschlendert.
Soll man ihr folgen? Oder an diesem mundfaulen Solarpressbehälter ausharren? Die Entscheidung fällt mit dem nächsten Passanten. Sie lautet bleiben: Auf acht Uhr nähert sich nämlich ein interessiert schauender Mittzwanziger im „Ronaldo“-T-Shirt. Er bleibt vor dem Behälter stehen, studiert den „Moin“-Aufkleber und grinst. In der Nähe bellt ein Hund, aber der ist an einer Leine festgebunden. Ronaldo geht auch weiter.
Die Mülleimerklappe poltert zu
Immerhin wird die Sitzgelegenheit am Müllbehälter frei. Ein guter Beobachtungsposten. Gerade serviert eine Kellnerin mit blondem Pferdeschwanz einen mediterranen Burger. Kann nicht mal eine Olive runterpurzeln? Die man dann vom Solarbehälter pressen lässt?
Eine Taube nähert sich neugierig dem Beobachtungsposten. Dazu gesellt sich ein Vater mit Kind und einer halb gegessenen Pizza. Erst füttert der Vater das Kind, dann zeigt das Kind auf den grauen Mülleimer. Der Vater schüttelt den Kopf. Er will die Pizza wohl später aufessen. Schade.
Kurz vor 13 Uhr passiert es aber doch noch: Die Mülleimerklappe poltert zu, die Katze schreit. Erschrocken starrt ein Herr im grünen Polo-Shirt den Behälter an. Dann lacht er und geht schnell weg. Es folgt eine Passantin mit gepunkteter Bluse und wirft cool eine Pommes-Schale hinterher. Der Solarpressbehälter iaht. Und wie findet sie das? „Überflüssig“, sagt die Frau mit vollem Mund. „Ich weiß gar nicht, was das soll.“