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Festival "Women in (E)Motion" „Ein Stinktier kann sich selbst nicht riechen“

Am Donnerstag, 22. September, gastiert Nomfusi Gotyana im Kito. Die NORDDEUTSCHE hat die südafrikanische Sängerin vorab zum Gespräch gebeten. Darin erläutert sie auch, warum sie gerne auch auf Xhosa singt.
20.09.2022, 08:00 Uhr
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Von Christian Pfeiff

Ein Telefoninterview mit der südafrikanischen Sängerin Nomfusi Gotyana beginnt zunächst mit unerwarteten Schwierigkeiten: „Kannst Du bitte in zwei Stunden nochmal anrufen? Wir haben hier mal wieder einen Power-Cut (=beabsichtigt herbei geführter, temporärer Stromausfall), dann funktionieren auch meine Mobilverbindungen nicht“, begrüßt die Künstlerin den Interviewer. Mehr als zwei Stunden später kommt aber doch ein Gespräch zustande – mit entsprechend verändertem Fragenkatalog.

Seit wann und wie oft kommen diese Power-Cuts vor – und wie gehen Künstler damit um, wenn sie sich grade in Probe- oder Aufnahmeprozessen befinden?

Nomfusi: Die kommen seit einigen Jahren immer wieder vor und sind natürlich schlimm; nicht nur für Musiker – es betrifft ja schließlich alles, was strombetrieben funktionieren muss. Allmählich kümmern sich die Leute aber selbst um ihre eigene Stromversorgung, zum Beispiel durch Generatoren, und erschließen sich weitere Alternativwege, um dieser Situation zu begegnen.

Ihr Tourneeplan dieses Jahres liest sich wie ein stetes Pendeln zwischen Südafrika und Deutschland, wo sie zum Teil vor zigtausenden Menschen aufspielen. Wie erklären Sie sich Ihren Erfolg insbesondere in Deutschland?

Das ist eine glückliche Kombination verschiedener Dinge. Ich habe glücklicherweise ein wirklich hart arbeitendes Team hinter mir, dass sich beispielsweise unter anderem mit Markt- und Marketingstrukturen auskennt. Dazu kommen natürlich auch Verbindungen und Bekanntschaften, die über die Jahre durch die Musik entstanden sind. Der jetzige Erfolg ist das Resultat jahrelanger, harter Arbeit vieler Menschen und es war alles andere als leicht. Mittlerweile ist es tatsächlich so, dass sich Menschen gezielt Karten für Nomfusi-Konzerte kaufen.

Hätten Sie mit einer so internationalen Karriere gerechnet, als Sie 2007 zunächst als singende Kellnerin entdeckt wurden?

(Quietscht vor Lachen) Überhaupt nicht – wie hätte ich voraussehen sollen, dass mein Leben sich auf diese Weise entwickeln würde? Ich spürte schon immer eine starke Verbindung zur Bühne und dazu, mich durch Musik auszudrücken. Zudem war ich zu dem Zeitpunkt tatsächlich eine ziemlich schlechte Kellnerin und habe viele Bestellungen vermasselt – nicht zuletzt, weil ich aus armen Verhältnissen stamme und keine Ahnung hatte, was für Luxusspeisen wir da überhaupt verkaufen. Sobald ich aber die Bühne betreten habe, spürte ich so viel überwältigende Liebe und Vergebung von den Zuhörern. Wahrschenlich war die Bühne schon immer meine Tür in die Herzen anderer Menschen – falls das irgendeinen Sinn ergibt.

Vor wie vielen Menschen spielen Sie normalerweise, wenn Sie in Europa auftreten?

Das variiert stark. Auf dem Nürnberger Bardentreffen waren es sogar 25.000 Zuhörer.

Ihren Auftritt im Rahmen des „Women in (E)Motion“-Festivals am Donnerstag werden schon spielortbedingt nicht mehr als 300 Menschen verfolgen können. Sind derartige Konzerte für Sie mittlerweile nicht sehr ungewohnt?

Ich liebe diese kleinen, intimen Konzerte sehr. Aus irgendeinem Grund bin ich vor diesen wesentlich entspannter, als vor Auftritten auf großen Bühnen, wo zumeist viel Druck herrscht und das Adrenalin nach oben schnellt. Im direkten Kontakt mit meinen Zuhörern fällt es mir viel leichter, mein Herz und meine Seele zu öffnen und den direkten Austausch mit dem Publikum zu spüren.

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Zu Beginn Ihrer Karriere um 2007 schrieben und sangen Sie noch überwiegend auf isiXhosa (eine der elf Amtssprachen Südafrikas), später vermehrt auf Englisch. War dies eine taktische- oder eine Gefühlsentscheidung?

Das war letztlich das Ergebnis eines Prozesses. Ich fühle mich nach wie vor in meiner Muttersprache, die ich sogar studiert habe, wesentlich sicherer beim Schreiben und erfreue mich an den Publikumsreaktionen, wenn ich diese sprachtypischen „Klicks“ verwende. Englisch wird hingegen wohl immer eine universelle und dominierende Weltsprache bleiben. Insofern steckt da natürlich schon Absicht hinter. Ich habe zwar nach wie vor den Eindruck, mich auf Englisch nicht so gut und sicher ausdrücken zu können wie in meiner Muttersprache; Spaß macht es aber dennoch.

Wie fühlt es sich an, vor europäischen Zuhörern auf Xhosa zu singen? Es ist wohl davon auszugehen, dass diese zumeist kein Wort verstehen dürften.

Tatsächlich macht es sehr großen Spaß. Auf meinem aktuellen Album „The Red Stoep“ befindet sich zum Beispiel ein Song mit dem Titel „Iqaqa“ (=Stinktier), der sich sogar als ein Highlight meiner derzeitigen Tournee entpuppte. Natürlich erkläre ich vorher das Narrativ, zumal der Song ein Idiom ist, dessen Text besagt, dass ein Stinktier sich nicht selbst riechen kann. Natürlich geht es dabei um Männer (lacht). Es macht unwahrscheinlich viel Spaß, die Reaktionen der Zuhörer auf das Stück zu beobachten und sie schließlich sogar dazu zu bringen, den Songtitel mitzusingen.

Wenn Sie auf Xhosa singen und hörbar durch weite Teile traditioneller südafrikanischer Musikkultur beeinflusst wurden: Empfinden Sie sich in Europa manchmal als Botschafterin? Welche Botschaft vermitteln Sie dabei?

Vielleicht als nonoffizielle, informelle Botschafterin ohne Titel (Lacht), in gewisser Weise aber schon: Ich spreche in sehr lobenden Tönen über Südafrika. Denn inmitten all der schlimmen Dinge, die nach wie vor in unserem Land passieren, gibt es immer noch so viel Schönheit – vor allem auch in den Menschen, die hier leben. Diese verköpern für mich so viel Resilienz, Hoffnung und den unbändigen Willen, etwas zum Guten verändern zu wollen. Diesen Spirit der Liebe und der Resilienz, niemals die Hoffnung aufzugeben, möchte ich auch meinen Zuhörern vermitteln. Künstlerinnen wie Miriam Makeba haben dafür natürlich den Weg bereitet, indem sie ihre Musik schon vor Jahrzehnten in die Welt trugen.

Potentielle Vergleiche mit Makeba drängen sich schon fast auf, zumal Sie diese auch 2014 in dem Kinofilm „Mandela – Der lange Weg zur Freiheit“ verkörperten. Empfinden Sie sich als Nachfolgerin Makebas?

Das ist eine sehr schwierige Frage, da sie Künstlerinnen wie mich quasi automatisch politisiert. Miriam Makeba und ihre Musiker hatten eine deutliche politische Mission, die Welt auf das Apartheid-Geschehen aufmerksam zu machen. Sie gingen dafür sogar ins amerikanische Exil. Natürlich hatten sie auch viel Spaß – Musik ist nun mal Spaß. Aber am Ende des Tages war ihre Mission wesentlich größer, als zu Musizieren und Spaß zu haben. Insofern empfinde ich mich nicht als direkte Nachfolgerin, obwohl ich natürlich ebenfalls die südafrikanischen Lebensaspekte meiner Generation thematisiere und natürlich auch Themen wie Armut behandle. Insofern sind Künstler wie ich und das, was wir tun, sicherlich auch ein Baby der damaligen Ereignisse um unter anderem Makeba und Mandela; wenn man sich allerdings vergegenwärtigt, welch großen Gefahren, Repressionen und Bedrohungen sich diese Menschen damals ausgesetzt waren empfände ich es als anmaßend, mich als Nachfolgerin zu bezeichnen.

Das Interview führte Christian Pfeiff

Info

Am Donnerstag, 22. September, wird Nomfusi im Rahmen des „Women in (E)Motion“-Festivals im KITO zu sehen sein. Das Konzert beginnt um 20.00 Uhr, Karten sind an allen bekannten Vorverkaufsstellen erhältlich.

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