Es hätte ein gemütlicher Mai werden können, auf den Stufen der Treppen am Europahafenkopf in der Überseestadt. Die schon recht warmen Tage wären jedenfalls bestens geeignet gewesen für den Betrieb des Gastronomiecontainers direkt vor dem Hafenbecken. Im vorigen Jahr firmierte das als Fietes Hafenbar, wo man sich mit Essen und Getränken versorgen konnte. Frisch gezapftes Bier, Krabben- und Fischbrötchen, Currywurst und Pommes, Eintöpfe und kleinere Snacks, dazu der Blick über die Marina – so hat sich das Andreas Hoetzel als Eigentümer des direkt gegenüber liegenden Weinlokals Bar-Rique auch für diesen Sommer vorgestellt. Darum stehen dort bereits seit Ende April die vorgesehenen zwei miteinander verbundenen Container. Auf ziemlich genau 12,16 mal 4,88 Meter Grundfläche bieten sie mit 2,60 Meter Höhe Platz für Küche, Getränkeausgabe, Kühlung, Geschirrspüler und alles, was eben so gebraucht wird für den Betrieb einer Außengastronomie.
Die Bremer Wirtschaftsförderung und das Ortsamt-West haben auch sofort Unterstützung signalisiert. Man freue sich, dass auf die Fläche am Europahafenkopf im Sommer zusätzliches Leben komme, heißt es. Zudem will der Unternehmer zwar Geld verdienen, aber ein Verzehrzwang ist mit seiner Außengastronomie auf weiten Teilen des Areals nicht verbunden. Die Stufen vor dem Container sollen sogar ausdrücklich als natürliche Sitzgelegenheiten und Amphitheater weiterhin öffentliche Fläche für jedermann bleiben.
Doch die Container stehen dort ungenutzt: Die entscheidende Genehmigung durch das Bauressort fehlt. Keine kleine Formsache, sondern ein vollständiges Baugenehmigungsverfahren ist vonnöten, ganz so, als ob Hoetzel dort ein Einfamilienhaus hinsetzen wollte und nicht vier Monate lang einen Container für den Betrieb einer temporären Hafenbar. "Das waren am Ende um die 100 Seiten, abzugeben auf Papier in fünffacher Ausfertigung", sagt der Gastronom.
Alles in allem 14 amtliche Stellen befassen sich damit – vom Ortsamt West über die zentralen Genehmigungsbehörden bis zu Feuerwehr und Gewerbeaufsichtsamt. Zum Antragsstapel gehören diverse Pläne zur Lage der genauen Aufstellung, zur betroffenen Umgebung oder zur Wasser- und Stromversorgung. Nachweise zur Barrierefreiheit sind ebenso erforderlich wie Statik- und Brandschutzgutachten sowie ausführliche Beschreibungen des Bauvorhabens und des Betriebs.
"Weil wir das alles im vorigen Jahr schon durchexerziert haben, dachte ich ja, das ginge jetzt beim zweiten Mal einfacher", sagt Hoetzel. Denn im Grunde ist alles eine Wiedervorlage: derselbe Container, dieselbe Statik, dieselbe Inneneinrichtung auf exakt derselben Fläche wie im vergangenen Jahr, inklusive der 36 vorgesehenen zusätzlichen Sitzplätze am und auf dem Container.
Offiziell ist die Baugenehmigung komplett neu zu prüfen
Doch offiziell ist das Verfahren vollständig neu, sodass die damit befassten Behörden und das Bauressort seit inzwischen neun Wochen prüfen und bearbeiten, Ende nicht in Sicht. "Eine Auskunft, wann denn mit einer Genehmigung zu rechnen sei, gibt es natürlich nicht", sagt der sichtlich angefasste Gastronom. Denn die Mietkosten für den bereits aufgestellten Container laufen bereits. Das Verfahren selbst schlägt ebenfalls mit mehreren Tausend Euro zu Buche, die für Gutachten und Architekten zu investieren sind.
Frauke Wilhelm kennt den Aufwand. Von 2013 bis 2017 hat sie auf dem offiziell als Ludwig-Franzius-Platz bezeichneten Areal jedes Jahr ihre temporäre Hafenbar Golden City aufgestellt, die sogar ein noch größerer Bau war. "Das fing auch jedes Jahr immer komplett von vorne an und wurde behandelt, als ob wir das erste Mal an den Start gehen", erinnert sich die Musikerin. Um im Sommer mit Golden City starten zu können, hatte sie die entsprechenden Anträge immer schon ab Februar, spätestens März am Start. Hoetzels Antrag in diesem Jahr datiert auf den 8. April, eingereicht in der Annahme, dass es zügig geht, weil sich ja gegenüber 2024 gar nichts geändert hat. "Es wäre in diesen Fällen schon sehr hilfreich, wenn nur noch Änderungen geprüft und eingereicht werden müssten", findet auch Wilhelm.
Zugleich hat Wilhem das Bauressort nie als großen Verhinderer erlebt. "Da arbeiten schon Menschen, die etwas möglich machen wollen. Aber noch wichtiger ist es ihnen, keine Fehler zu machen." Das kollidiert dann mit Arbeitsweisen aus der Kulturszene oder eben auch von Unternehmen, die nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum beständig Nachbesserungen im laufenden Betrieb vornehmen. "So eine Art Beratung, Klärung, Besprechung im Voraus könnte auch helfen", sagt Wilhelm, die bei Golden City sämtliche Bauantragsverfahren ohne Architektenhilfe durchgezogen hat. "Ich hätte es allerdings auch nicht angefangen, wenn ich gewusst hätte, wie viel Papierkrieg auf einen zukommt."
Das Bauressort selbst hat bis Freitagabend auf eine Anfrage des WESER-KURIER zu dem Thema nicht reagiert.